MEINUNG Das Solidarische Bürgergeld – Vorstellung des weiterentwickelten Konzepts

von DIETER ALTHAUS & HERMANN BINKERT

 

Nur jeder dritte Deutsche (35,3 Prozent) ist der Meinung, dass es in Deutschland im Großen und Ganzen gerecht zugeht.

Und das Bauchgefühl scheint sachlich begründet: Die Zahl der Rentner nimmt zu, die der Erwerbsfähigen geht zurück. Die Alterspyramide entwickelt sich zum Alterspilz. Auch die Einkommensunterschiede nehmen zu. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft auseinander. Versuche staatlicher Umverteilung führen zu Ausweich- und Anpassungseffekten.

Eine alte Idee wird konkret

Jetzt ist die Zeit für eine mutige sozial- und steuerpolitische Evolution. Es ist Zeit für das Solidarische Bürgergeld. Im Jahr 2006 wurde das Konzept eines „Bedingungslosen Grundeinkommens“ in der Systematik der „Negativen Einkommenssteuer“, auf die Tagesordnung der Politik gesetzt. Dieses Konzept baut auf eine alte, unterschiedliche Denkrichtung verbindende Idee auf.

Grundlage des Solidarischen Bürgergeldes ist ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Bürger in Höhe von 500,00 € im Monat. Das Bürgergeld soll das soziokulturelle Existenzminimum abdecken.

Daneben gibt es eine einheitliche Einkommenssteuer von 25 Prozent auf alle Einkünfte. Grundeinkommen und Einkommenssteuer sind zwei Seiten einer Medaille. Die Verpflichtungen aus der Einkommenssteuer werden mit dem Bürgergeldanspruch verrechnet.

Der Zusammenhang von Bürgergeldauszahlung oder Steuerzahlung, die Bürgergeldformel, ist denkbar einfach:

 25 Prozent des Einkommens – 500 € = Bürgergeldanspruch bzw. Steuerschuld

Ist der Betrag negativ – negative Einkommenssteuer – bekommt man Bürgergeld ausbezahlt. Ist der Betrag positiv, muss man in dieser Höhe Einkommenssteuer bezahlen.

Bei eigenen Einkünften unter 2.000 Euro im Monat (brutto) fällt keine Einkommenssteuer an. Im Gegenteil, man erhält ein Bürgergeld ausbezahlt: Je höher die eigenen Einkünfte, desto geringer ist der Auszahlungsbetrag.

Bei eigenen Einkünften über 2.000 Euro im Monat fällt tatsächlich eine Einkommensteuer an. Das Bürgergeld entspricht der Entlastungswirkung eines Grundfreibetrages von 2.000 Euro im Monat bzw. 24.000 Euro im Jahr.

Ab Einkünften von 250.000 Euro pro Jahr steigt der Steuersatz auf 50 Prozent, aber nur für die Einkünfte, die die 250.000-Euro-Grenze übersteigen

Das entspricht dem Verfassungsgebot, das Existenzminimum nicht zu besteuern und es ist im besten Sinne Sozialpolitik: Durch das bedingungslose Grundeinkommen kommt die Entlastungswirkung des Freibetrages auch jenen zugute, deren Einkünfte zu gering wären, um die Entlastungswirkung des Freibetrages vollständig nutzen zu können.

 Finanzierbarkeit

 Da alle Bürgerinnen und Bürger Anspruch auf das Solidarische Bürgergeld haben, lassen sich die Bruttokosten gut berechnen. Man multipliziert die Brutto-Bürgergeld-Ausgaben pro Einwohner und Jahr (500,00 € X 12) mit der Einwohnerzahl. Bei 82,2 Mio. Einwohner bedeutet das Bruttokosten von 496,8 Mrd. €.

Auch die Einnahmen lassen sich gut darstellen: Das Volkseinkommen in der Bundesrepublik Deutschland betrug im Jahr 2016 insgesamt 2,34 Billionen €. Der größte Teil des Volkseinkommens unterliegt einer so genannten Flat-Tax, einer 25-prozentigen einheitlichen Einkommenssteuer. Erst bei Jahreseinkünften von über 250.000 Euro fällt für die Einkünfte über 250.000 Euro eine Einkommensteuer von 50 Prozen an. Diese duale Flat-Tax führt zu Bruttoeinnahmen bei der Einkommenssteuer von 730 Mrd. €.

Zieht man die Brutto-Ausgaben des Bürgergelds von den Einnahmen ab, die die neue Einkommenssteuer im Bürgergeldsystem* an Mehreinnahmen einbringt, kommt man auf einen leichten Überschuss in Höhe von 11,7 Mrd. €.

Daraus erschließt sich: Das Konzept des Solidarischen Bürgergeldes ist finanzierbar!

Das bisherige Sozialversicherungssystem wird nicht ersetzt, sondern durch eine solidarische Steuer- und Sozialpolitik gestärkt.

 Ausblick

Dass in allen politischen Lagern über das „Bedingungslose Grundeinkommen“ bzw. die „Negative Einkommenssteuer“ diskutiert wird, eröffnet die Chance, eine breite Akzeptanz für diese Erneuerung des Sozial- und Steuersystems zu erreichen.

Es stimmt nicht, dass die Menschen nicht mehr arbeiten würden, wenn das Existenzminimum abgesichert ist. Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen von 500,00 € würden nach einer INSA-Umfrage aus dem Juni 2017 mehr als drei Viertel der Deutschen (78 %) gleich viel oder sogar mehr arbeiten gehen.

Viele Bürger haben das Gefühl, dass das aktuelle Sozialversicherungs- und Sozialstaatssystem nicht leistungsgerecht ist: Nur zwei von fünf Befragten (41,5 %) sind einerseits der Ansicht, dass sozial Bedürftige in Deutschland genügend Unterstützung erhalten. Andererseits finden zwei von drei Befragten (63,7 %), dass der Missbrauch von Sozialleistungen in Deutschland weit verbreitet ist. Mancher bekommt Sozialleistungen, obwohl er nicht bedürftig ist. Andere bekommen nichts, obwohl sie bedürftig wären.

Auch das Solidarische Bürgergeld schafft nicht das Paradies auf Erden, aber es ist ein Weg, wie der verbreitete Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit Wirklichkeit werden kann.

 *nach Abzug der wegfallenden Steuern und Aufrechnung der durch das Bürgergeld nicht mehr notwendigen Ausgaben

 

Bildquelle:

  • Geldscheine_2: pixabay

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.