„Mehr“ Konferenz in Augsburg: Die Kirche Jesu hat sich längst wieder auf den Weg gemacht

von KLAUS KELLE

Augsburg – Tausende Christen, die ihre Arme gen Himmel strecken, Schlagzeug und E-Gitarren-Sound. Was man aus den USA und zunehmend auch Deutschland schon von Jugendtreffen evangelikaler Gemeinden kennt, greift nun auch auf die müde gewordene katholische Amtskirche über. Genau betrachtet, war es ein ökumenisches Treffen, dass sich über vier Tage in der Augsburger Messehalle ereignete und 10.000 Christen beider Konfessionen vereinte, die spürbar in allerbester Stimmung waren. Von einem griesgrämigen Glauben war hier keine Spur. Gebetshaus-Konferenz „Mehr“, so heißt das Treffen, organisiert vom umtriebigen Leiter des schon weit über die Grenzen der Stadt bekannten Gebetshauses um den Theologen Johannes Hartl, der bei solchen Treffen mit seinen roten Turnschuhen als alles andere als ein katholischer Theologe wirkt.

Die „Komfort-Zone verlassen“, das ist Hartls Aufforderung an die Christen hier, die ganz neue Wege zur Missionierung suchen. Gottesdienst wird hier viel gefeiert und gebetet. Interkommunion gibt es nicht, das wird betont. Aber das ist auch das einzig Trennende hier, ansonsten steht Christus im Mittelpunkt. Wie überall im Land, wo neue Aufbrüche von der Basis entstehen, tun sich die Amtskirchen schwer damit. Als das Team des Gebetshauses in den Anfangszeiten seiner Existenz eines Tages beim Bistum Augsburg vorstellig wurde, verweigerte man erst einmal die Genehmigung, Gottesdienste zu feiern. „Die Leute sollen doch in die umliegenden Pfarren gehen“, empfahl das Bistum. Und als die „Mehr“-Konferenz dann endlich anlief, schlich sich der Erzählung nach ein Bediensteter ins Gebetshaus, fotografierte mit seinem Handy und schrieb ein Dossier. Seit vergangenem Jahr ist nun Frieden zwischen den Brüdern und Schwestern. Auch Konrad Zdarsa, der Bischof von Augsburg, war inzwischen schon mal beim Gebetshaus zu Besuch. Und man darf annehmen, dass er festgestellt hat, hier auf tiefgläubige, gut gelaunte Christenmenschen zu treffen, die das Wort Jesu hören wollen, singen und beten, aber ganz gewiss keine katholischen Würdenträger, die mit Limousine vorfahren und huldvoll grüßen. Die christlichen Kirchen verändern sich, auch im deutschsprachigen Raum.

140 Euro, so viel zahlte jeder Teilnehmer am Wochenende in Augsburg. Es ist kein Seminar vom Sparkassenverband. Man stellt sich geduldig in die lange Schlange vor der Essenausgabe. Das sollten auch die vielen anderen deutschen Bischöfe mal erleben, also die Masse von Ihnen, die hier noch nicht waren. Großorganisationen und ihre Anführer haben immer Angst vor Umwälzungen, vor dem Neuen. Was passiert da, wer sind diese Leute? Wer bei der „Mehr“-Konfrenz dabei war, ist keine Gefahr für die Kirche Jesu. Diese Leute sind eine Gefahr für das Kirchenverwaltungstum unserer Zeit. Eine Gefahr für die trägen Apparate mit ihren prall gefüllten Geldsäcken, für das Manteltarifvertrags-Christentum ohne jedes Feuer für den Glauben. Hätte sich Jesus Christus in Augsburg unerkannt unter seine vielen jungen Anhänger hier geschlichen (bibelfeste Leser wissen, dass er immer da ist, wo zwei oder drei in seinem Namen zusammenkommen), ich bin sicher, er hätte Freude an ihnen gehabt. So wie er Freude am „Prayerfestival“ der wunderbaren Jugend 2000 in Marienfried hätte, an der alljährlichen Familienbegegnung „Move“ vom Regnum Christi und den Legionären Christi, wie bei den „Nightfever“-Initiativen überall in Deutschland, bei der Gemeinschaft Emmanuel in Altötting und man könnte noch viele andere Aufbrüche nennen.

Unsere christlichen Kirchen erleben einen gewaltigen Umbruch, der – wie es bei Kirchens so üblich ist – lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Aber das Volk Gottes ist wieder auf dem Weg. Wer in diesen Milieus unterwegs ist, sieht es und spürt es, dass hier an der Zukunft der Kirche Gottes geschmiedet wird. Und ob da Protestanten oder Katholiken zusammenkommen, das ist denen, die auf dem Weg sind, im Grunde ziemlich egal.

 

 

 

 

Bildquelle:

  • Mehr-Konferenz_Augsburg_2017: gebetshaus augsburg

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.