Medienbuhmänner Scholl und Dembélé: Im Prinzip ja, aber…

Neymar feierte ein perfektes Debüt für Paris St. Germain. Foto: Kamil Zihnioglu

von RALF GRENGEL

Der Meisterschaftskampf in der Fußball-Bundesliga ist seit Jahren langweilig, weil vorhersehbar. Das gleiche gilt allerdings auch für die Berichterstattung im deutschen Fußball. Spannende Themen wie Scholl, ARD und das Doping, Paris, Neymar und die Ablösemillionen oder Dortmund, Dembélé und der Barca-Wechsel werden nach dem Handbuch der Political Correctness abgearbeitet.

Die ARD hat Mehmet Scholl die Rote Karte gezeigt, weil der Experte partout nicht einsehen wollte, dass er sich in die Inhalte einer Sendung nicht einzumischen hat. Schon gar nicht, wenn es darum geht, ein so wichtiges Thema wie Doping zu behandeln.

Paris SG hat gegen die guten Sitten im Fußball verstoßen, weil es mit einer irrsinnigen Zahlung von 222 Millionen den brasilianischen Superstar beim Barcelona losgeeist hat. Nur gut, dass echte Typen wie Freiburgs Trainer Christian Streich uns in solchen Momenten an den „Gott des Geldes“ erinnern, der „alles verschlingt“.

Und der BVB tut gut daran, seinen Youngster Ousmane Dembélé nach dessen Trainingsboykott zu suspendieren und ihn nicht zum FC Barcelona ziehen zu lassen – trotz eines Ablösegebotes von rund 100 Millionen Euro. Schließlich hat der Tempodribbler einen Vertrag und den gilt es, zu respektieren.

Diese Szenarien sind die Berichterstattungstrends Land auf Land ab, wenn es um die drei Themen geht, die den Fußball in der zurückliegenden Woche bestimmt haben. Warum auch nicht, ist doch korrekt – oder?  Da halte ich es mal mit Radio Eriwan: Im Prinzip ja, aber…

… ist es denn überhaupt richtig, dass die ARD Mehmet Scholl die rote Karte gezeigt hat und zukünftig auf die Dienste des Bundesliga-Rekordmeisters (acht Titel mit dem FC Bayern) als TV-Experte verzichten wird? Und wie hält es die ARD tatsächlich mit der redaktionellen Aufbereitung des Thema Dopings? Wer legt wann fest, dass die Manipulation des menschlichen Körpers durch Eigenblut oder Drogen relevant genug ist, um es ins Programm zu schaffen? Wenn man die Berichterstattung des Ersten zu diesem Thema betrachtet, hätte es genügend Ansatzpunkte gegeben, das Thema ARD, Scholl und Doping mit einigen zusätzlichen Facetten zu bereichern.

Beispiel gefällig: Bei der Leichtathletik-WM im 100-Meter-Finale der Männer wird mit Usain Bolt ein Superstar in den Focus gerückt, der eine Top Ten der besten Sprinter aller Zeiten anführt, in der von Rang zwei bis zehn alle eine Dopingvergangenheit besitzen. Alle gedopt, alle überführt, nur der Schnellste der Schnellen nicht. Interessant, oder? Das wäre doch eine Info, die man dem Zuschauer vor dem Startschuss als filmische Einstimmung auf das dann folgende Spektakel durchaus hätte näher bringen können. Aber für die ARD hat das scheinbar nicht genug Relevanz, um von der Redaktion ins Programm gehievt zu werden. Dass eine solche Vorberichterstattung den Zuschauern womöglich den Spaß an der Show genommen und sich negativ auf die Quote ausgewirkt hätte, hat bei der Programmplanung sicherlich keine Rolle gespielt.

Oder vielleicht doch? Eine spannende Frage, finden Sie nicht? Hat das aber irgendjemand aufgegriffen? Mussten die ARD-Bosse dazu Stellung beziehen? Habe nirgends etwas dazu finden können.

Aber wenn der Mehmet sagt, eine Dopingstory über den russischen Fußball, deren Ursprung bereits drei Jahre zurückliegt, hat „an diesem schönen Tag“ (gemeint war der Halbfinaltag der deutschen Nationalmannschaft beim Confed-Cup) nichts im Programm zu suchen, dann ist der (mediale) Aufschrei groß. Merke: Politcal Correctness kann auch scheinheilig sein.

Und eines noch zu diesem Thema und das weiß ich aus sicherer Quelle: Mehmet Scholl hat keine Rote Karte von der ARD erhalten, er hat sich selbst ausgewechselt.

Wechsel ist das Stichwort Nummer zwei: 222 Millionen Euro für einen einzigen Fußballer. Die Neymar-Ablöse verstößt gegen die guten Sitten im Fußball, zerstört den Gedanken des Financal Fairyplays und beweist, das der Gott des Geldes alles verschlingt. Korrekt – oder? Im Prinzip ja, aber…

…regelt nicht auch in der freien Marktwirtschaft die Nachfrage den Preis. Barcelona wusste bei der jüngsten Vertragsverlängerung mit dem Brasilianer, dass der Stürmer zu den besten und gefragtesten Kickern des Planeten zählt. Deshalb haben die Katalanen die Ausstiegsklausel auf 222 Millionen festgelegt. Wenn sich jetzt jemand darüber beschwert, dass diese Summe und somit der Spieler den Besitzer wechselt, dann hätte diese Kritik doch bereits laut werden können, als die festgeschriebene Ablöse von Barca bei Vertragsverlängerung herausposaunt wurde. Das Aufrufen einer solchen Summe ist okay, das Bezahlen nicht? Das verstehe wer will. Und wenn Christian Streich, ein großartiger Könner seiner Trainerzunft, nun in einer flammenden Rede davon spricht, dass der normale Fußballfan das alles nicht mehr verstehen kann und der Gott des Geldes alles verschlingt, dann gilt er als großer Mahner und vorbildlicher Kritiker. Dass sein eigener Verein für einen Spieler Namens Maximilan Philipp (49 Bundesligaspiele, 10 Tore) 20 Millionen Euro aufgerufen und für dessen Wechsel zum BVB auch kassiert haben soll, hat mit dem Schlingen des Geldgottes sicher nicht zu tun. Und ist Neymar nicht womöglich tatsächlich das elffache von Philipp wert? Wenn der neue BVB-Kicker Philipp zwei und Neymar 22 Millionen gekostet hätte, wären Streichs Worte dann auch so harsch ausgefallen?

Angebot, Nachfrage und Preis. Dass diese drei Worte auch im Fußball immer stärker den Markt beherrschen, daran müssen wir uns alle gewöhnen. Auch ein Christian Streich und diejenigen, die ihn für seine mahnenden Worte abgefeiert haben. Wem das neue Geldgesicht des Fußballs nicht gefällt, der kann sich immer noch abwenden.

Womit wir bei Thema Nummer drei wären: Dembélé boykottiert das BVB-Training weil er nicht zum FC Barcelona wechseln darf. Tut es da nicht gut, dass sein Verein Kante zeigt, dem Millionenwerben Barcelonas nicht erliegt und den kindisch-bockigen Spieler zur Strafesuspendiert? Im Prinzip schon, aber…

…hat irgendjemand mal darüber nachgedacht, wie es sich für einen 20-jährigen anfühlt, zukünftig nicht Seite an Seite des weltbesten Fußballers Lionel Messi stürmen zu dürfen? Und zwar deshalb nicht, weil der Verein, der ihn im Vorjahr für 15 Millionen gekauft hat, plötzlich 150 Millionen Ablöse fordert? Für einen Spieler der gerade mal eine Bundesligasaison absolviert, dabei gefühlt 1.000 Haken geschlagen und sechs Tore erzielt hat?

150 Mio. Ablöse für Ousmane Dembélé? Wo sind hier die Kritiker, die die 222 Mio. für Neymar als absurd, verwerflich oder gar als obszön abgekanzelt haben? Jeder Journalist, der das Verhalten des Teenies Dembélé als kindisch abstempelt, sollte sich fragen, wie er sich fühlen würde, wenn Folgendes geschähe: Ihm flattert ein Angebot vom Time Magazin ins Haus. Er sei in seinem Job so talentiert, dass man ihm zutraue, in die Chefredaktion zu wechseln, wo er Seite an Seite mit Chief Editor Nancy Gibbs wirbeln könne. Und als kleine Zugabe würde sein Jahresgehalt verzehnfacht!

Daraus wird dann aber leider nichts. Stattdessen heißt es, weiter zuhause Redaktionsdienst schieben. Grund: Dummerweise gibt’s noch einen Vierjahresvertrag beim aktuellen Verlag und der wird auch nicht aufgelöst, nur weil das Time Magazin bereit ist, für den begehrten Journalisten das 50-fache dessen Jahresgehaltes an Ablöse zu zahlen. Nein, nein das 75-fache sollte es schon sein, meint der aktuelle Arbeitgeber.

Klar, dass da jeder Journalist am nächsten Tag aber so was von hoch motiviert zur Arbeit käme. Um über die immer tiefer sinkende Moral im Fußball zu berichten. Und über all die anderen Themen, die sonst noch so von Relevanz sind.

 

Bildquelle:

  • PSG-Superstar: dpa

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren