Man kann sich auch mal irren…

Liebe Leserinnen und Leser,

kennen Sie das auch, dass Menschen über Sie urteilen, ohne sie zu kennen? Dass sie auf eine Überzeugung anderer Menschen treffen, die sie völlig anders sehen als sie sind? Also ich erlebe das jede Woche. Irgendwer schreibt mir, was ich falsch gemacht oder Falsches gesagt habe – und dass ich das je tat. Aber sie sind dann so überzeugt, dass auch eine Klarstellung meinerseits nichts bringt.

Das passiert mir selbst auch andersrum

Vergangene Woche stieß ich zufällig auf den Berliner AfD-Politiker Gunnar Lindemann. In Potsdam, wo eine neue Folge seiner herrlich blödeligen Video-Kochserie aufgezeichnet wurde. Darin tritt er als Maitre Gunnar auf wie ein Sternekoch, der Gaumenfreuden zusammenstellt – und danach auch isst – die überhaupt nicht passen. „Maitre Gunnars hessische Currysause“ heißt eine Folge oder „Maitre Gunnars Britisch Tea Time.

Meine Lieblingsfolge nennt sich „Tektonisches Fusion Cooking Marzahn-Vietnam“, wo Lindemann eine Ost-Berliner Boulette an vietnamesischem Gemüse anrichtet – bei „Mai Mai“, dem besten vietnamesischem Restaurant der Hauptstadt, wie ich finde.

Andererseit kenne ich Aussagen von Lindemann, die mir politisch überhaupt nicht gefallen, hin und wieder haben wir uns auf Facebook gezofft bis zur Unfreundlichkeit.

Und plötzlich saß er da, der Maitre, in Potsdam und zelebrierte ein „echt fronzösisches“ Petit-déjeuner, wähend er sein letztes Video vor dem Sommerurlaub aufführte. Leise verschwinden war nicht möglich, kurzer Gruß und dann „Kamera läuft“…

Was soll ich sagen? Der Mann ist echt witzig und nach dem Dreh zog der Kameramann ab und ließ Lindemann und mich da stehen unter der Somme Potsdams, Und es entwickelte sich ein 8unglaublich offenes persönliches Gespräch. Ich der Putin-Fresser, er die AfDler, der in Marzahn seinen Wahlkreis direkt gewonnen hat von einem SED-Mann, was allein schon zu würdigen ist.

Lindemann erzählte mir, wie er in die Politik gekommen war. Er erzählte von seinem Job bei der Bahn, von seiner Frau und den Menschen in seinem Wahlkreis. Mit einem Milchkaffee in der Hand und dem Maitre-Mützchen auf dem Kopf plauderte er über seine Pläne für die Zukunft, wie lange er noch Politik machen will, und was mit dem Haus seiner Eltern in Nordrhein-Westfalen passieren soll. Kein Wort über Politik, Parteien oder Gedöns. Einfach nur zwei Jungs, die sich miteinander unterhalten, so als wären sie seit Jahren alte Freunde.

Natürlich kennen wir uns jetzt nicht wirklich persönlich. Dazu muss man sich mal heftiog gestritten oder wenigstens zusammen in der Kneipe abgestürzt sein. Aber er war so ganz anders, als ich ihn mir nach seinen Postings u d politischen Statements vorgestellt hatte. Das war ein gutes Gefühl, seine eigene Meinung über eine Person auch mal revidieren zu können.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.