von CARSTEN HOFFMANN & ULF MAUDER
BERLIN/MOSKAU/KIEW – Auf die Entscheidung der Bundesregierung zur Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine folgt nun eine logistische Herausforderung.
Panzer wie der Gepard und andere große Waffensysteme müssen erstmal ins Land und weiter an die Front gebracht werden. Dabei gilt: Bis zur ukrainischen Grenze führen die westlichen Partner Regie, im Land selbst sind die Ukrainer in der Verantwortung.
Russische Kampfflugzeuge und gezielte Raketenangriffe sind beim Transport schwerer Waffen in dem Land eine Gefahr, die Dunkelheit und dichte Vegetation dagegen natürliche Verbündete. Fachleute sprechen davon, die «Signatur» der Fahrzeuge zu brechen, sie also für das Auge und auch darüber hinaus unkenntlich zu machen. Denn auch die Wärmeabstrahlung im Betrieb ist charakteristisch für einen Panzer, so wie das Rohr der Kanone oder Ketten gleich ins Auge springen.
Viel spreche für einen Bahntransport, sagt ein Militärexperte. Aber auch eine Fahrt auf zivilen Tiefladern, abgedeckt und als Einzeltransport biete sich an – also Ameisenverfahren statt Kolonne. «Die Ukrainer haben sich als sehr clever herausgestellt», heißt es dazu.
Über Satelliten beobachtet
Russland klärt Ziele in der Ukraine mit Hilfe von Satelliten auf. Westliche Militärs haben zudem fest einkalkuliert, dass russische Spezialkräfte im Westen der Ukraine Streckenabschnitte im Blick haben und gezielte Angriffe einweisen können. Da sich russische Kampfflugzeuge dort wegen der Flugabwehr der Ukrainer nicht unbedroht bewegen könnten, setze Russland auf Raketenangriffe und auf ruhende Ziele – wie echte oder vermeintliche Waffenlager.
Es geht um täuschen und tarnen. Schon in Deutschland befinden sich die 50 Gepard-Panzer nicht an einem gemeinsamen Ort. Sie sind kontrolliert «eingemottet» worden, aber auch kurzfristig lieferbar. Ob es bei einzelnen Fahrzeugen Probleme gibt, wird sich letztlich erst zeigen, wenn sie technisch hochgefahren werden.
Nahezu überschwänglich dankte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow schon seiner deutschen Kollegin Christine Lambrecht für die angekündigte Lieferung von Flugabwehrpanzern. Aber auch der 55-Jährige weiß, dass dem Land nach gut zwei Monaten Blutvergießen und dem Verlust Tausender Soldaten «äußerst schwierige Wochen» bevorstehen. Die Ausbildung an den Waffen und die Logistik bräuchten Zeit, meinte Resnikow. Ihm ist klar, dass Russland in der massiv aufgestockten Militärhilfe nicht nur eine weitere massive Eskalation in dem Konflikt sieht, sondern die schweren Waffen auch ins Visier nimmt.
Wie bei einer Waffenschau
Fast täglich berichten die russischen Streitkräfte darüber, wie sie Lager mit Waffen und Munition, darunter Raketen, in der Ukraine vernichten. Der russische Generalmajor Igor Konaschenkow, für viele Moskaus bekanntestes Gesicht in dem Krieg, erklärt in Videos des Verteidigungsministeriums morgens und abends kühl, wo welches Objekt getroffen wurde. Wie bei einer Waffenschau präsentiert er, wie Raketen abgefeuert werden – von Kriegsschiffen oder Flugzeugen oder bodengestützter Luftabwehr.
Im März meldete das russische Militär den ersten Einsatz seiner neuen Hyperschall-Rakete Kinschal (Dolch) im Westen der Ukraine. Ein Raketenarsenal im Gebiet Iwano-Frankiwsk in der Westukraine wurde zerstört. Es fliegen auch Raketen vom Typ Kalibr oder die gefürchteten Iskander. Dabei wurden zuletzt immer wieder Bahn- und Gleisanlagen getroffen. Weil der See- oder der Lufttransport nicht in Frage kommen, können die Waffen nur über Landwege in die Ukraine gelangen. Die dürften künftig verstärkt ins Visier der russischen Armee geraten.
Warnung vor Gefahr eines Dritten Weltkriegs
Erklärtes Ziel von Putins Krieg ist eine «Entmilitarisierung» der Ukraine. Russland sieht deshalb die von den Nato-Staaten gelieferten Waffen und die Munition als «legitime» Ziele, wie Außenminister Sergej Lawrow in Moskau betonte. In einem weltweit beachteten Interview des russischen Staatsfernsehens warnte er nun sogar vor der «realen» Gefahr eines Dritten Weltkrieges.
Besonders die «Zeitenwende» in Deutschland stößt vielen in Russland auf – und führt sogar zu Vergleichen mit dem Russlandfeldzug des Deutschen Reiches von 1941 unter Diktator Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg. Das russische Außenministerium warf Kanzler Olaf Scholz schon im März eine «besonders zynische» Politik vor, als es um die Lieferung von 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ «Stinger» ging.
Nach der Entscheidung über die Lieferung von schweren Waffen in dieser Woche erinnerte auch der Ex-Präsident und Vizechef des nationalen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, an die Nazi-Zeit: «Es wird traurig enden.» Kremlchef Wladimir Putin warnt indes immer wieder vor einer Einmischung in den Konflikt um die Ukraine von außen. Er hatte nicht nur die Atomwaffen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen lassen. In dieser Woche drohte er erneut mit «blitzschnellen» Gegenschlägen, sollte es eine Einmischung geben.
Bildquelle:
- Flugabwehrkanonenpanzer Gepard: dpa