von HOLGER SCHMIDT
MANAMA – Friedhelm Julius Beucher war enttäuscht, ratlos, ja wütend.
Die Rückkehr der russischen Athleten auf die Bühne des paralympischen Weltsports inmitten des Angriffskrieges in der Ukraine hat den Präsidenten des Deutschen Behindertensportverband überrascht und geschockt. «Das ist keine Sternstunde für die Werte-Gemeinschaft des IPC», sagte Beucher der Deutschen Presse-Agentur während der Mitglieder- und Generalversammlung des Internationalen Paralympischen Komitees im Golfstaat Bahrain. Auch wenn die russischen Athleten bei den Paralympics 2024 in Paris nicht unter der eigenen, sondern nur unter neutraler Flagge und nicht in Mannschafts-Wettbewerben an den Start gehen dürfen.
Aufruf zu Ausschluss
Der 77 Jahre alte Beucher, einst vier Jahre lang Vorsitzender des Sportausschusses im Bundestag, hatte zuvor in einer energischen Rede vor der Versammlung zur Beibehaltung des Ausschlusses aufgerufen.
Im Vergleich zur Abstimmung im November 2022 habe sich nichts geändert, hatte Beucher gesagt: «Es herrscht immer noch Krieg. Schrecklicher als zuvor.» Man habe dazu vom paralympischen Komitee Russlands nicht «auch nur einen Satz des Bedauerns gehört. Nein im Gegenteil. Sie rufen zum Krieg auf, glorifizieren das Morden und Töten», sagte Beucher.
Beucher: «Augenwischerei»
Einen Start unter neutraler Flagge bezeichnete Beucher als «Augenwischerei. Wie kann man neutral sein?», fragte er: «Erklären, man sei gegen den Krieg und empfängt nachher im Kreml die Verdienstorden?» Und rief den Delegierten am Ende seiner Rede zu: «Seid stark! Lasst uns mit geradem Rücken und klarem Blick aus dieser Abstimmung hinausgehen. Sagt nein!»
Doch das taten die Delegierten nicht. Waren sich Beucher und seine überwiegend aus Europa kommenden Verbündeten zuvor einer knappen Mehrheit sicher, so kippte das Ganze am Freitag überraschend. Zunächst stimmten 74 Verbände gegen einen Komplettausschluss Russlands bei 65 Pro-Stimmen und 13 Enthaltungen. Dann stimmten sie mit 90:56 Stimmen bei sechs Enthaltungen aber gegen einen Start unter russischer Flagge.
Separate Aushandlung belarusischer Athleten
Offiziell bleibt das paralympische Komitee Russlands für zwei weitere Jahre suspendiert, vorbehaltlich einer Neubewertung bei der nächsten ordentlichen Generalversammlung. Die Athleten und Betreuer müssen bestimmte Richtlinien des IPC erfüllen. Zudem darf Russland für diesen Zeitraum keine offiziellen IPC-Wettkämpfe organisieren. Die Entscheidung über die aktuell ebenfalls ausgeschlossenen Athleten aus Belarus folgt separat.
Ein Votum für die Beibehaltung des Komplett-Ausschlusses hätte unabhängig vom Zeitpunkt eines möglichen Kriegsendes wohl schon das Aus für die Paralympics bedeutet, da den russischen Athleten kaum noch Qualifikationsmöglichkeiten geblieben wären. Die Paralympics in Paris finden im kommenden Jahr vom 28. August bis 8. September statt.
Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, hatte erklärt, sie wolle kein Gastgeber von russischen und belarussischen Athleten sein, falls der Krieg noch laufe. Für die Olympischen Spiele in Paris gibt es noch keine Entscheidung über eine Zulassung russischer Sportler. Das Internationale Olympische Komitee hatte im Frühjahr empfohlen, Russen und Belarussen bei internationalen Wettbewerben als neutrale Athleten starten zu lassen.
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- Paralympics: dpa