Laschet gegen Scholz: Der Kampf ums Kanzleramt ist noch lange nicht entschieden

Armin Laschet und Olaf Scholz - ihre Parteien liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

BERLIN – Es ist eine historische Wahlschlappe für die Union: Am Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel stürzen CDU und CSU auf ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ab.

Aber auf den letzten Metern hat Armin Laschet noch einiges an Boden gut gemacht und liegt am Sonntagabend in den ersten Prognosen nur ganz knapp hinter seinem SPD-Konkurrenten Olaf Scholz.

Deswegen tritt er kurz vor 19 Uhr im Konrad-Adenauer-Haus sehr gefasst vor seine Anhänger. Das man mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein könne, erwähnt er nur beiläufig. Dafür erklärt er sehr selbstbewusst seinen Machtanspruch: «Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung. Deshalb werden wir alles daran setzen eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden.»

Wenig später tritt Olaf Scholz im Willy-Brandt-Haus vor die Kameras. Er war als krasser Außenseiter in diesen Wahlkampf gestartet, hat die SPD in den letzten Monaten aber aus einem tiefen Umfrageloch an die Spitze im Dreikampf um das Kanzleramt katapultiert – auch dank der Fehler von Armin Laschet und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Am Ende ist es eine knappe Sache geworden – extrem knapp. Am frühen Abend ist der Vorsprung der SPD vor der Union mit 24,9 bis 25,6 zu 24,4 bis 24,7 Prozent nur hauchdünn.

Scholz: «Das ist ein Auftrag»

Auch Scholz macht seinen Anspruch deutlich, eine Regierung anzuführen. Allerdings zunächst etwas schüchterner und deutlich umschweifiger als Laschet. «Dass wir jetzt die ersten Hochrechnungen haben, die zeigen, die SPD kriegt viel Unterstützung von den Bürgerinnen und Bürgern, das ist ein Auftrag, dafür zu sorgen, dass all das, was in dieser Wahl besprochen wurde und was wir vorgeschlagen haben, auch umgesetzt wird.» Kurz danach wird er in einem ARD-Interview aber deutlicher: «Ich glaube, dass wir daraus auch den Auftrag ableiten können, dass wir sagen «Wir wollen die nächste Regierung bilden».»

Klar ist zu diesem Zeitpunkt schon: Nach der spannendsten Wahl der letzten Jahrzehnte steht eine wohl noch spannendere Regierungsbildung bevor. Sowohl Laschet als auch Scholz werden ihre Koalitionsoptionen ausloten – egal ob sie am Ende auf Platz eins oder zwei liegen. Beide werden um dieselben Partner buhlen: Grüne und FDP. Die sogenannte Ampel (Rot-Grün-Gelb) tritt also an gegen eine nach den Landesfarben Jamaikas benannte Koalition von Union, Grünen und FDP.

Zwei Parteien als Kanzlermacher

Die beiden Parteien, die nun Kanzlermacher sind, haben vor der Wahl ziemlich deutlich gesagt, zu welcher Koalition sie tendieren: Für die FDP ist es Jamaika, den Grünen ist die Ampel lieber. Festlegen will sich am Sonntagabend aber niemand mehr. Aus dem Wahlergebnis ergebe sich «kein klares Bündnis», sagt Habeck in einer ersten Reaktion. Zwar lässt er größere Sympathien für eine SPD-geführte Regierung erkennen. «Ich schließe aber Jamaika-Gespräche auch nicht aus.»

Auch FDP-Chef Christian Lindner vermeidet es, sich klar für Union oder SPD als Koalitionspartner zu positionieren. Stattdessen stellt er lieber die Gemeinsamkeiten mit den Grünen heraus, mit denen er im Wahlkampf nicht besonders glimpflich umgegangen ist. «Grüne und FDP verbindet, dass beide einen eigenständigen Wahlkampf geführt haben. Beide haben sich – aus unterschiedlicher Perspektive – gegen den Status quo der großen Koalition gewandt», sagt Lindner. «Der Auftrag an alle Parteien mit staatspolitischer Verantwortung ist: Die Bürger wollen eine Regierungsbildung aus der Mitte heraus.»

Förmliche Regeln für die Regierungsbildung gibt es nicht. Normalerweise lädt die stärkste Partei zu Gesprächen ein. Es hat aber auch schon Wahlen gegeben, in denen die zweitstärkste Kraft eine Koalition gebildet hat. Gegen parallele Sondierungsgespräche ist also nichts einzuwenden.

Rückfalloption: Rot-grün-rote Mehrheit unsicher

Es geht also erst einmal um Schwarz-Grün-Gelb gegen Rot-Grün-Gelb. Ob Scholz noch eine Option ohne die FDP in der Hinterhand haben wird, ist nach den ersten Zahlen unklar. Die Linke kratzt an der Fünf-Prozent-Marke und selbst wenn sie drüber bleibt, steht eine rot-grün-rote Mehrheit auf der Kippe. Diese Dreier-Konstellation gibt es auf Landesebene schon in Berlin, Bremen und Thüringen. Auf Bundesebene ist sie wegen der außenpolitischen Positionen der Linken vor allem zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zur Nato umstritten. Scholz hat eine Zusammenarbeit mit der Linken im Wahlkampf aber bewusst nicht ausgeschlossen.

Für den Notfall: Rot-Schwarz

Falls sonst nichts geht, gibt es immer noch das Bündnis, mit dem Merkel zwölf ihrer 16 Amtsjahre regiert hat. Die große Koalition der beiden stärksten Kräfte Union und SPD war schon nach der letzten Bundestagswahl der Notnagel nach dem Platzen der Jamaika-Verhandlungen. Die SPD quälte sich damals regelrecht in die sogenannte Groko, die sie für ihr schlechtes Wahlergebnis mitverantwortlich machte. Mit einem sozialdemokratischen Kanzler könnte sie nun aber notfalls dazu bereit sein. Laschet ist im Wahlkampf die Antwort schuldig geblieben, ob er sich die Union auch als Juniorpartner vorstellen kann. Ein Bündnis aus Union und SPD wird jedenfalls nur etwas für den absoluten Notfall sein.

Die Außenseiter: AfD nur Zuschauer

Die AfD ist die einzige Partei, mit der niemand regieren will. Sie wird bei den Koalitionsverhandlungen nur Zuschauer sein. «Hauptsache zweistellig», war das Ziel, das die AfD intern angepeilt hatte. Als am frühen Sonntagabend dann eine Prognose über den Bildschirm flimmert, die ihre Partei bei elf Prozent sieht, ist die Stimmung auf der zentralen AfD-Wahlparty in Berlin eher gedämpft. Kurzes Klatschen, Spitzenkandidat Tino Chrupalla lächelt etwas versteinert. Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren hatte die AfD noch 12,6 Prozent der Zweitstimmen erhalten.

Schwierige Verhandlungen: Regierung erst nach Weihnachten?

In der Regel dauert es nach einer Bundestagswahl ein bis drei Monate bis zur Vereidigung eines neuen Kabinetts. Bis Weihnachten war man fast immer fertig. Mit einer Ausnahme: Nach der letzten Wahl 2017 gab es eine beispiellose Hängepartie. Erst am 14. März – fast ein halbes Jahr nach dem Wahltermin – hatte Deutschland eine Regierung. Dass es sehr viel schneller gehen kann, haben Willy Brandt (SPD) 1969 und Helmut Kohl (CDU) 1983 gezeigt, die nur 24 Tage brauchten, um Koalitionen mit der FDP zu schmieden.

Die komplizierte Konstellation spricht diesmal allerdings dafür, dass es wieder sehr lange dauert. Andererseits gilt 2017 als abschreckendes Beispiel, das eigentlich niemand wiederholen möchte. Denn eine lange Übergangszeit macht auch international keinen guten Eindruck. Am 1. Januar übernimmt Deutschland die Präsidentschaft in der G7, dem Club der großen westlichen Wirtschaftsmächte. Da sollten die Verbündeten schon wissen, mit wem sie es zu tun haben.

Bildquelle:

  • Bundestagswahl: dpa

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