«Kulturwandel» Vodafone will als „ehrliches Unternehmen“ wahrgenommen werden

PRODUKTION - Vodafone-Geschäft in Düsseldorf: «Wir wollen als ehrliches Unternehmen wahrgenommen werden», sagt Vodafone-Deutschlandchef Philippe Rogge. Foto: Henning Kaiser/dpa

von WOLF VON DEWITZ

DÜSSELDORF – Nach schwachen Geschäften und Kundenverlusten will der Telekommunikationsanbieter Vodafone bei seiner Werbung umsteuern und sich von vollmundigen Versprechungen verabschieden. «Wir machen oft große Versprechen, halten diese aber zu selten ein», sagte der Deutschlandchef von Vodafone, Philippe Rogge, in Düsseldorf. Mit «wir» meint er die globale Telekommunikationsbranche inklusive seiner Firma. «Kaum eine Branche leistet sich einen so großen Graben zwischen Werbung und Wirklichkeit, also der Alltagsrealität ihrer Kunden.» Über die Misere sagt er: «Auch wir als Vodafone sind mit schuld daran.»

Vodafone steht unter Druck

Die Firma ist unter Druck und büßte zum Jahresauftakt Marktanteile ein. Das lag auch daran, dass die Kundenbindung schwach war – kaum war der Vertrag ausgelaufen, waren viele Kunden wieder weg. Allmählich will das Unternehmen die Kundenbindung mit einer eher zurückhaltenden Werbung stärken und das Frustpotenzial der Kundschaft reduzieren, indem keine überzogenen Erwartungen geweckt werden. Großspurige Maximalangaben bei Rabatten sollen künftig wegfallen.

Verbraucherschützer und Werbeexperten sehen den neuen Kurs positiv. Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale NRW weist darauf hin, dass Vodafone im Vergleich zu anderen Anbietern beim Thema Werbung bisher schlecht wegkomme. «Beschwerden von Verbrauchern, die bei uns landeten, bezogen sich häufiger auf Vodafone als auf Wettbewerber.»

Die Wahrheit wird häufig in Fußnoten versteckt

Allerdings sieht er die ganze Telekommunikationsbranche kritisch. «Eine Gutschrift ist nicht so hoch wie erhofft, die Kostenlos-Angabe bezieht sich nur auf einen kurzen Zeitraum oder das Internetspeed ist langsamer als gedacht – da ist die Kundenenttäuschung immer wieder groß», sagt Flosbach. «Die Werbung ist zwar rechtlich nicht angreifbar, aber fragwürdig: Es werden überzogene Erwartungen geschürt, und die Wahrheit wird in Fußnoten versteckt.»

Flosbach sieht bei Verbrauchern ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Telekommunikationsanbietern. «Maximalversprechen werden nicht ernstgenommen – die Branche hat das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher längst verspielt.» Die Entscheidung von Vodafone, künftig auf moderatere Angaben zu setzen, findet Flosbach richtig. «Es wird aber lange dauern, bis sich das Misstrauen der Verbraucher gegenüber den Internetanbietern etwas abgebaut hat.»

Vodafone will als ehrliches Unternehmen wahrgenommen werden

Mit Vodafone-Manager Rogge äußert nun auch ein Branchenvertreter Unbehagen – unter anderem mit Blick auf die bisher gängige Formulierung «bis zu». Als fiktives und dennoch realistisches Beispiel nennt er ein Tarifangebot, bei dem Kunden «bis zu» 400 Euro Rabatt versprochen bekommen. Im Fußnoten-Kleingedruckten verborgen ist aber der Hinweis, dass dies nur für Kunden gelte, die schon sehr, sehr lange bei dem Anbieter sind. Die allermeisten bekommen nach Vertragsabschluss nur 100 Euro Rabatt.

Anstatt sich über diesen Betrag zu freuen, sind sie frustriert – schließlich haben sie die 400 Euro im Kopf und empfinden 100 Euro daher als viel zu wenig. Das sei «ein schlecht investierter Rabatt», sagt Rogge. Man werde künftig anders vorgehen. «Wir wollen als ehrliches Unternehmen wahrgenommen werden, das hält, was es verspricht.» Vodafone sei «Teil des Problems, aber wir wollen künftig Teil der Lösung sein». Man wolle allmählich wegkommen von den Maximalversprechen, mit denen Verbraucher bisher gelockt wurden. Eine Anordnung von oben werde es aber nicht geben – es gehe um einen «Kulturwandel», der aus der Belegschaft selbst kommen solle.

Das sagt die Konkurrenz zum Thema Werbung

Und was denkt die Konkurrenz zum Thema Werbung? Man kommuniziere Angebote gegenüber Kundinnen und Kunden transparent, sagt ein Telekom-Sprecher. Eine Änderung sei nicht vorgesehen. Ein Sprecher von Telefónica (O2) sagt, es sei das Ziel der Firma, «so klar, transparent und einfach wie möglich zu kommunizieren». «Bis zu»-Formulierungen verwende O2 «nur sehr selektiv, etwa beim Ankauf von Altgeräten oder für den Fall, dass sich Aktionen für verschiedene Kundengruppen unterscheiden».

Eine gängige Praxis in der Branche ist es zudem, dass Tarife als sehr günstig beworben werden, dieser niedrige Preis aber nur in den ersten sechs Monaten gilt und danach deutlich höher ist. Das sieht der Vodafone-Manager Rogge ebenso kritisch wie Werbeangaben zu maximalen Übertragungsraten, die zu bestimmten Tageszeiten bei wenig Verkehr im Netz zwar erreicht werden können, häufig aber deutlich verfehlt werden. Und dass in der Branche gern von 99 Prozent Netzabdeckung geredet werde, sich die Netzabdeckung bei Bahnfahrten aber ganz anders anfühle, ist für Rogge ein weiteres Beispiel für die Kluft zwischen Firmen-Ansagen und Verbraucherrealität. Unlängst brachte Vodafone Werbung mit einem in großen Buchstaben beworbenen Mindest-Rabatt auf den Weg.

Experte sieht Kursänderung überfällig

Der Wirtschaftspsychologe Joost van Treeck von der Hochschule Fresenius hält eine Kursänderung in der Werbung der Telekommunikationsbranche für überfällig. Die Anbieter hätten jahrelang Neukunden umworben, dabei aber ihre Bestandskunden vernachlässigt. «Deutschlands Internetkunden haben sich daran gewöhnt, dass sie erst kündigen müssen, bevor sie bessere Tarife bekommen.» Das sei ein dicker Nachteil für die Firmen gewesen, schließlich seien Kunden im ersten Jahr immer relativ teuer, etwa weil sie häufig bei der Hotline anrufen und Technik verschickt wird.

Bildquelle:

  • Vodafone: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.