von MARK ZELLER
KREFELD – Einst sorgte Uerdingen international für Fußball-Furore, nun steht der Zwangsabstieg aus der Dritten Liga fest. Nach gescheitertem Insolvenzverfahren samt Ausstieg des neuen Investors ist die Zukunft ungewisser denn je. Verlässlichste Größe sind die Fans. Und die machen jetzt mobil.
Jubelgesänge, Freudenfeuer, Party-Stimmung – nach dem sportlich gesicherten Klassenerhalt wurde die Mannschaft bei ihrer Rückkehr aus Mannheim von mehreren hundert Fans gefeiert. Vor gerade einmal drei Wochen befand sich der KFC Uerdingen im Freudentaumel. Doch dem folgte die blanke Ernüchterung: Der im Insolvenzverfahren befindliche Drittligist verkündete vergangene Woche, dass für ihn „keine Fortführungsprognose“ bestehe. Zudem zogen sich die neuen Investoren zurück. Für den Verein der endgültige Sturz nach monatelangem Taumeln, das der Rückzug des ehemaligen Investors und Präsidenten Mikhail Ponomarev ausgelöst hatte.
„Das hat uns den Boden unter den Füßen weg gezogen“, so Christian Ritzenfeld, Reporter des Vereins-Radios „Radio Blau-Rot“. Besonders der Rückzug der Investoren der Noah-Gruppe habe „alle kalt erwischt.“ Ein gewisses Verständnis gibt es hingegen für die hohen Auflagen des DFB – die Rede ist von der sofortigen Hinterlegung eines siebenstelligen Betrages – die der KFC nicht mehr erfüllen konnte. „Auch, wenn die Summe viel verlangt ist, irgendwo kann man den Verband schon verstehen“, räumt Ritzenfeld ein, „schließlich hat der Verein mit seinen Querelen die ‚Marke 3. Liga‘ schwer beschädigt.“ Dazu gehört auch die bis heute ungeklärte Stadionfrage: Wegen Mängeln in der heimischen Grotenburg musste der Club in den vergangenen drei Jahren seine Heimspiele an wechselnden fremden Spielorten austragen, zuletzt gar im rund 200 Kilometer entfernten Lotte.
Nun aber steht der Verein nicht nur ohne bespielbare Heimstatt da, sondern auch ohne Spieler und Trainer. Und ohne finanziellen Background. Und das alles in einer Stadt, die sich bezüglich der Unterstützung für ihren fußballerischen Vorzeigeclub bereits in den letzten Jahrzehnten, gelinde gesagt, eher vornehm zurückgehalten hat. Während nun die KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH abgewickelt wird, müht sich der Verein, einen Vorstand zu finden sowie einen Etat und eine Mannschaft aufzustellen, um künftig wenigstens in der viertklassigen Regionalliga antreten zu können, für die jetzt immerhin die Lizenz erteilt wurde. Insgesamt ein Trauerspiel für einen Club mit solch‘ bewegter und bewegender Historie.
Große Namen, große Spiele
1975 als erster Werksverein in die Bundesliga aufgestiegen, brauchten die Blau-Roten einige Jahre und zwei neue Wiederaufstiege, bis sie sich ab 1983 im Oberhaus festsetzen konnten. Dabei mauserte sich ausgerechnet der „Plastik-Club“ zum Spezialisten für spektakuläre Spiele und sorgte für große Emotionen. Besonders im DFB-Pokal ließ Uerdingen aufhorchen. Ein erstes überregional beachtetes Ausrufezeichen setzte man im Frühjahr 1977, als die Blau-Roten – seinerzeit selbst noch Zweitligist – ein verloren geglaubtes Spiel gegen den Bundesliga-Spitzenreiter Eintracht Frankfurt in ein 6:3 nach Verlängerung drehten.
Dem sensationellen Gewinn des DFB-Pokals 1985, folgte im Jahr darauf das „Wunder von der Grotenburg“, jenes 7:3 im Europapokal gegen Dynamo Dresden, was die Krefelder Vorstädter endgültig ins internationale Rampenlicht brachte. Die Tradition legendärer Pokalspiele setzten sie im selben Jahr fort mit einem 6:4 n. V. gegen den VfB Stuttgart. Aber auch im Ligabetrieb sorgte man seinerzeit für Furore, schloss die Bundesliga nacheinander dreimal hintereinander auf einem einstelligen Tabellenplatz ab, wobei man 1985 sogar Dritter wurde.
Ausgerechnet der Werksverein stand in jenen Jahren für treue Spieler, die ihm überregional ein markantes Profil gaben, wie etwa Dauerbrenner Brinkmann, Nationalspieler Herget, „El Milagro“ Vollack, „de Kap“ Schäfer, Raschid, Klinger und die Funkel-Brüder. Dabei stand der Verein auch für eine erfolgreiche Jugendarbeit, spätere Branchen-Größen wie Bierhoff oder Witeczek machten hier ihre ersten Profi-Schritte. Zudem lockten die Bayer-Millionen auch internationale Stars wie (Brian) Laudrup, Lesniak, oder Chapuisat in den Stadtteil-Club, dazu Bundesliga-Legenden wie (Siggi) Held, Burgsmüller, Bommer und Kuntz. Sie alle schrieben in der Grotenburgkampfbahn Fußballgeschichte.
Niedergang nach Bayer-Rückzug
Das Ende der sportlichen Glanzzeit wurde eingeläutet mit dem Rückzug der Bayer AG 1995. Ohne den etatmäßigen Hauptsponsor stieg man bereits im Jahr darauf aus der ersten Liga ab – und hat sie seitdem nicht wiedergesehen. In den Folgejahren stürzte man gar bis in die Sechst(!)klassigkeit. Im Angesicht dreier überstandener Planinsolvenzen schafften es diverse regionale Unterstützer lediglich, den Verein auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. Die Rückkehr in den Profifußball gelang erst mit dem Einstieg des russischen Investors Ponomarev 2016, mit dessen finanzkräftiger Unterstützung innerhalb von zwei Jahren der Sprung von der fünften in die dritte Liga gelang.
Doch als der Energie-Mogul Anfang dieses Jahres ausstieg, war der neuerliche Absturz bereits vorprogrammiert. Was dann sportlich folgte, war allerdings bemerkenswert: Unter widrigsten Bedingungen zeigte die teure „Söldnertruppe“ Charakter und rettete sich auf der Felge ins Ziel. Umso bitterer, dass sich das jetzt als umsonst entpuppt. Statt der langersehnten Etablierung im Profifußball befindet sich der KFC also wieder zurück in der Achterbahn, Fahrtrichtung abwärts. Das Einzige was in Uerdingen zur Stunde gewiss ist, ist die Unterstützung der treuen Anhänger. So zeigt sich die aktive Fanszene geschlossen „offen für einen Neuanfang“ und will sich dafür auch verstärkt in die Vereinsarbeit einbringen.
Auch Fan-Radio-Reporter Ritzenfeld macht eine „Jetzt erst Recht!“-Stimmung aus: „Nach der kollektiven Ohnmacht haben jetzt alle wieder in den Kampfmodus geschaltet, nach dem Motto: ‚Wir waren schon so oft tot, wir überleben auch das noch‘.“ Und auch er selbst und sein Radio-Team zeigen sich entschlossen: „Wir bleiben dabei – egal in welcher Liga!“ Eine Einstellung, die Mut macht. Und den brauchen sie auch in Uerdingen. Mal wieder…
Bildquelle:
- Uerdingen_Dresden: dpa