Liebe Leserinnen und Leser,
die Midterm-Wahlen in den Vereinigten Staaten am 8. November waren eine Enttäuschung für die Republikaner und besonders für den Ex-Präsidenten Donald Trump. Dabei blieb nämlich die erwartete „rote Welle“ aus, also ein Durchmarsch der Republikaner gegen die Demokraten des amtierenden Präsidenten Joe Biden.
Die Republikaner gewannen zwar knapp die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Bidens Demokraten konnten aber knapp die Kontrolle über den Senat verteidigen. Also Pattsituation statt Durchmarsch. Das hatte sich Donald Trump anders ausgedacht, der kurz nach den Wahlen seine erneute Kandidatur als Frontmann der Konservativen bei den Präsidentschaftswahlen verkündete. Auffällig bei den Wahlergebnissen war nämlich: gerade die Bewerber, die mit starker Unterstützung Trumps im Wahlkampf punkten wollten, scheiterten in ihren Wahlkreisen überdurchschnittlich.
Nun ist bekannt und fast eine Tradition in den USA. dass die Partei des jeweils amtierenden Präsidenten bei den Zwischenwahlen immer eine Klatsche von den Wählern kassiert.
Und die Verteidigung der demokratischen (sprich: linksliberalen) Mehrheit im Senat, gibt Biden jede Menge Spielraum. So kann der Senat Gesetze vorschlagen und Minister sowie Bundesrichter ablehnen. Und, das Bemerkenswerteste: Bidens Partei erzielte das beste Ergebnis für die Partei eines amtierenden Präsidenten bei einer Zwischenwahl seit mehr als 20 Jahren.
Doch nicht nur durch das mäßige Abschneiden der Republikaner ist Donald Trump angeschlagen, sondern auch durch die zähen juristischen Auseinandersetzungen in Washington. Um die Geheimdokumente, die der Ex-Präsident widerrechtlich in seine Villa in Florida mitgenommen hatte. Und durch den Untersuchungsausschuss zum Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021, bei dem fünf Menschen starben. Der Ausschuss kam kurz vor Weihnachten zu dem Ergebnis, ohne Trumps Aufstacheln der Demonstranten in Washington hätte es den Angriff aufs Kapitol niemals gegeben.
Diese Faktoren dämpfen den zwischenzeitlichen Höhenflug Trumps in den eigenen Reihen spürbar. In Washington wollen sie sogar ein Gesetz einbringen, dass Trump als Kandidaten für die Präsidentschaft ausschließen soll. Und wenn die von ihm besonders intensiv geförderten Kandidaten reihenweise verlieren, dann werden sich die Spin-Doktoren beim Frühstück im „Hay Adams“ auch intensiv damit beschäftigen, mit welchem Kandidaten die Präsidentschaftswahlen 2024 besser zu bestreiten und zu gewinnen sind.
Und da gewinnt der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, deutlich an Boden.
Satte 59 Prozent erhielt er bei seiner Wiederwahl in Florida, und er hat einen großen Vorteil gegenüber Trump: Er wirkt im Vergleich deutlich sympathischer, vertritt aber gleichzeitig knallhart eine konservative Agenda. Meinungsforscher haben herausgefunden, dass DeSantis mit seiner politischen Agenda auch die Trump-People für sich mobilisieren könnte, gleichzeitig aber auch bei Frauen und im gemäßigten Teil der Biden-Wählerschaft punktet.
Bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen sind noch 23 Monate hin, in dieser Zeit kann viel passieren. Und Donald Trump ist tricky, den Mann darf man nie unterschätzen. Wer das nicht glaubt, sollte sich die Vorwahlen und dann die Präsidentenwahl 2016 genau anschauen. Niemand hatte Trump auf dem Zettel, als das Rennen begann. Und dann saß er plötzlich im Oval Office.
Die Amis ticken anders als wir Deutschen oder auch die anderen Europäer, aber nach all den negativen Schlagzeilen der jüngsten Zeit, nach den schwachen Ergebnissen der Republikaner bei den Midterms wage ich die Vorhersage: Wenn Ron DeSantis in den Ring steigt, dann wird er auch der Kandidat der Republikaner. Das heißt dann aber noch lange nicht, dass er auch Präsident wird.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Klaus Kelle