BERLIN – Marcel Luthe ist ein umtriebiger Mann. Der frühere FDP-Politiker und Innenexperte seiner Partei erstritt vor Gericht, dass die chaotische Abgeordnetenwahl in Berlin wiederholt werden musste. Nun klagt Luthe, heute Chef der Good Governance Gewerkschaft (GGG), erneut. Er will die Herausgabe der Stasi-Akten der früheren Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel erzwingen. Wir sprachen mit Marcel Luthe über den Fall.
Herr Luthe, Sie haben erfolgreich gegen die Wahlen in Berlin geklagt. Nun sind Sie wieder aktiv – das Ziel: die Stasi-Unterlagen der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel. Was wollen Sie erreichen?
Transparenz. Die konstanten Gerüchte um eine wie auch immer geartete Tätigkeit der späteren Bundeskanzlerin noch zu DDR-Zeiten für das MfS oder einen mit diesem befreundeten ausländischen Nachrichtendienst schaden dem äußeren Ansehen und dem inneren Frieden Deutschlands.
Der frühere Chef der Stasi-Unteragenbehörde, Hubertus Knabe, hat vor drei Jahren gesagt, es gäbe keine Stasi-Akte zu Angela Merkel. Jetzt sagt er was anderes. Verstehen Sie das?
Das hat er so nicht gesagt, sondern sich auf das Vorliegen einer sogenannten Täterakte bezogen, wie sie etwa bei Herrn de Maizere vernichtet worden war. Aus dem gesamten Aktenbestand können sich aber Hinweise ergeben. So waren Stasi-IM auch oft „Opfer“, wurden also auch bespitzelt.
Aber wenn Frau Merkel also nicht Täterin gewesen ist, warum klagen Sie auf Herausgabe der Akten? Wollen Sie wissen, mit wem sie im Studium Karten gespielt hat?
Noch einmal: niemand weiss, ob und welche Rolle Frau Merkel vor 1989 nachrichtendienstlich gespielt hat. Das wird sich erst aus den Akten ergeben können. Sie war bereits vor Wendezeiten und erst recht heute Person der Zeitgeschichte und nicht privat. Deshalb hat die historische Forschung einen Anspruch auf Auskunft. Und den mache ich geltend, da ich auch in meinem Buch „Sanierungsfall Berlin“ schon zur Verquickung des rot-rot-grünen Senats mit der Stasi geschrieben habe und das Thema weiter bearbeite.
Erhoffen Sie aus den Unterlagen auch Erkenntnisgewinn über den ungewöhnlichen Karriereweg einer Sozialistin an die Spitze der rheinisch-katholischen CDU?
Frau Merkel hat ja unstreitig früh viel Anerkennung und Förderung erhalten, Steine sind aus dem Weg geräumt worden. Vielleicht lässt sich aus den Akten ersehen, was der Grund dafür war.
Es gibt verschiedene Bücher, die sich mit der Jugend Merkels in der DDR beschäftigen. Darin werden frühere Nachbarn und Kollegen zitiert, die behaupten, Frau Merkel habe der CDU gegenüber vollkommen ablehnend gestanden. Sie soll ja 1989 auch die Mitgliedschaft in der SPD beantragt haben. Und wurde abgelehnt. Dass diese Frau wenig später CDU-Bundesvorsitzende wurde, ist in meinen Augen…ungewöhnlich. Haben Sie eine Meinung dazu?
Parteitage haben bekanntlich ihre eigene Dynamik, sind aber meist gut orchestriert. Wenn man also schaut, wer damals alles wann wie intensiv für Kohls „Mädchen“ geworben hat, wird man womöglich weitere Anfasser für Forschungsfragen finden.
Das Gespräch führte Klaus Kelle