Keine Zuschauer, kein Flair: Das Olympische Feuer brennt, doch von Begeisterung keine Spur

Es kann losgehen: Der japanische Tennis-Star Naomi Osaka hat das Feuer für die XXXII. Olympischen Spiele in Tokio entzündet. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

TOKIO – Keine Zuschauer, kein Flair: Mit einjähriger Verspätung und begleitet von Protesten sind die wohl außergewöhnlichsten Olympischen Spiele der Neuzeit ohne Glanz und Glamour eröffnet worden.

Lediglich rund 900 Ehrengäste – unter ihnen Japans Kaiser Naruhito – wohnten am Freitag in Tokio der weitgehend trostlosen Zeremonie bei. IOC-Präsident Thomas Bach sprach trotz der umfangreichen Corona-Einschränkungen in der Olympia-Stadt von einem wichtigen Zeichen in Zeiten der weltweiten Pandemie. «Heute ist ein Tag der Hoffnung. Ja, es ist ganz anders, als wir es uns vorgestellt hatten. Aber lasst uns diesen Moment wertschätzen, weil wir endlich alle zusammen hier sind», sagte Bach.

Tennis-Star Osaka entzündet olympisches Feuer

Um 23.13 Uhr Ortszeit erklärte der Tenno die XXXII. Olympischen Spiele für offiziell eröffnet. Anders als 1964, als Naruhitos Großvater die ersten Sommerspiele in Tokio eröffnet hatte, fehlte das japanische Wort iwai (Feier).

Es ging schon auf Mitternacht zu, als Japans Tennis-Star Naomi Osaka das olympische Feuer entzündete. Der erstmals mit Wasserstoff gefüllte Behälter symbolisiert eine Sonne. In den vergangenen 121 Tagen hatten etwa 10.000 Menschen die Flamme über eine Strecke von rund 2000 Kilometern quer durch Japan getragen.

Ludwig genießt besonderen Moment

Zuvor waren die 205 Nationen und das Flüchtlingsteam weitgehend unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln in das fast leere Olympiastadion einmarschiert. Die deutsche Mannschaft, die wegen der phonetischen Reihenfolge im japanischen Alphabet erstmals erst an 115. Stelle an der Reihe war, wurde angeführt von Beachvolleyball-Olympiasiegerin Laura Ludwig und Wasserspringer Patrick Hausding.

Das Duo, das sich in einer Wahl unter Sportfans und der Olympia-Mannschaft durchgesetzt hatte, trug als Zeichen der Gleichstellung gemeinsam die Fahne. Das hatte es zuvor bei Olympia noch nie gegeben. «Es ist cool, dass wir das zusammen machen konnten», sagte Ludwig.

Den besonderen Moment genoss sie in vollen Zügen. «Für mich ist es noch spezieller, Fahnenträger zu sein, als eine Medaille zu gewinnen, weil es viel weniger Menschen gibt, die eine Fahne tragen, als Menschen, die eine Medaille gewinnen», sagte die 35-Jährige und fügte hinzu: «Ich hoffe einfach, dass wir viele junge Leute zu Hause inspirieren können, Sport zu treiben, und dass viele Jüngere nach uns zu den Olympischen Spielen kommen können.»

Von den insgesamt 432 Athletinnen und Athleten aus dem Team Deutschland hatten sich nur 106 auf den Weg zum Olympiastadion gemacht. «Wenn ich so drüber nachdenke, habe ich nicht eine Sekunde daran gedacht, bei der Eröffnung dabei zu sein», twitterte Beachvolleyballerin Karla Borger.

Ein Hingucker beim Einmarsch war erneut Pita Taufatofua, der wie schon 2016 in Rio de Janeiro und 2018 in Pyeongchang halbnackt mit eingeölter Brust ins Stadion kam. Der 37 Jahre alte «Coconut Fighter» trug wieder die Fahne von Tonga und beeindruckte mit seinem durchtrainierten Oberkörper. Mit seinem Outfit war er aber nicht allein: Auch Ruderer Rii Riilio aus Vanuatu kam mit freiem Oberkörper, Bastrock und Flip-Flops an den Füßen in die Arena.

33 Sportarten, 339 Entscheidungen

Die mintgrüne Olympia-Kleidung der Deutschen kam dagegen nicht überall gut an. «Wer ist verantwortlich für dieses Outfit», schrieb Basketball-Nationalspieler Maodo Lo auf Instagram.

In den nächsten 16 Tagen kämpfen rund 11 000 Sportlerinnen und Sportler vor leeren Rängen um Gold, Silber und Bronze. In 33 Sportarten gibt es die Rekordzahl von 339 Olympia-Entscheidungen. Bei der Zeremonie bekamen die Sportlerinnen und Sportler aus aller Welt bereits einen Vorgeschmack auf die ersten Olympischen Spiele ohne Zuschauer.

Vereinzelte Proteste vor der Arena

In seiner Rede sprach Bach allen Mut zu. «Ihr habt vor großen Herausforderungen bei eurer olympischen Reise gestanden», sagte der IOC-Chef an die Adresse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. «Ihr habt gekämpft, durchgehalten und niemals aufgegeben. Und heute lasst ihr euren Olympia-Traum wahr werden.» Zu diesem Zeitpunkt hatten etliche Athletinnen und Athleten wegen der großen Hitze und aus Gründen der Risikominimierung das Stadion aber bereits wieder verlassen.

Die Show, in deren Vorfeld es mehrere Skandale und Rücktritte im Kreis der Organisatoren gegeben hatte, war wegen der besonderen Umstände stark auf das Fernsehen zugeschnitten und verlief ohne Höhepunkte. Eingerahmt wurden die landestypischen Darbietungen der Künstler von einem Feuerwerk, das in der japanischen Metropole weithin sichtbar war.

Keinen Blick dafür hatten Hunderte japanische Olympia-Gegner, die vor der Arena lautstark gegen die Sommerspiele protestierten. Rufe wie «Stoppt die Spiele» oder «Brecht die Eröffnungsfeier ab» drangen über Megafone bis ins Olympiastadion. Zu ähnlichen Aktionen war es zuvor schon in der Stadt rund um das Rathaus gekommen. Auf Bannern stand «Löscht die Olympische Fackel» und «Keine Olympiade» sowie «Globales Verbrechen gegen Japan».

Bildquelle:

  • Olympische Feuer: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.