Keine Zeit für Amateure: Trump meint es ernst und zwingt Europa, für die eigene Sicherheit zu sorgen

Überall in Europa bereiten sich die NATO-Partner auf einen russischen Angriff vor - hier Bundeswehrübung in Bückeburg.

von KLAUS KELLE

MÜNCHEN – Mit der erneuten Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten war schnell klar, dass er dieses Mal besser vorbereitet sein würde, um seine Agenda in den nächsten vier Jahren durchzusetzen. Als er am Tag seiner Vereidigung damit begann, im Eilverfahren seine Wahlversprechen auf den Weg zu bringen, war klar, dass wohl einige Überraschungen nicht nur auf die Bürger der Vereinigten Staaten und Europas zukommen würden, sondern auf die ganze Welt.

Die Rede seines Vizepräsidenten JD Vance vorgestern auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat Schockwellen durchs politische Establishment gejagt, in Deutschland noch mehr als anderswo.

Und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), der gratismutig dem Gast aus USA unflätig hinterherrief, er sollen sich „um seinen eigenen Kram kümmern“, wird sich noch wundern, was in den kommenden Wochen und Monaten passiert. Die bayerische Kabarettistin Monika Gruber antwortete Habeck sofort öffentlich und erinnerte daran, dass JD Vance beste Chancen hat, in vier Jahren selbst US-Präsident zu werden, während Habeck dann immer noch ein wenig talentierter Kinderbuchautor sein wird.

Es ist keine Zeit mehr für Amateure

Nachdem Donald Trump vor wenigen Tagen eine Stunde mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefonierte, hat das Ringen um einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen eine unglaubliche Dynamik entfaltet. So sind Top-Diplomaten der US-Regierung unterwegs nach Saudi-Arabien, um dort Friedensgespräche vorzubereiten, an denen Russland, USA und die Ukraine teilnehmen werden.

Eifrige Kreml-Influencer triumphierten gestern Morgen noch, Amis und Russen würden ohne Wolodomyr Selenskyj über einen Deal verhandeln. Die Desinformationsmaschine aus St. Petersburg war zu langsam angesichts der dramatischen Entwicklungen…
Telefoniert haben inzwischen auch US-Außenminister Marco Rubio und sein Amtskollege in Moskau, Sergej Lawrow. Beide betonten, sie seien „zur Zusammenarbeit in aktuellen internationalen Fragen, einschließlich der Lösung des Konflikts in der Ukraine“ bereit und wollen eine „Wiederherstellung eines beiderseitig respektvollen Dialogs“ zwischen den USA und Russland.

Gestern hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in München einen Vorschlag der USA, also Trumps, abgelehnt, seltene Erden, Lithium und Titan an die Vereinigten Staaten zu liefern im Gegenzug für weitere umfangreiche Waffenlieferungen an die ums Überleben kämpfende Ukraine. Selenskyj forderte vor einem solchen Wirtschaftsabkommen umfassende Sicherheitsgarantien der USA für sein Land.

Am Vormittag hatte Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert, dass die EU gemeinsame europäische Streitkräfte aufstelle. Da das zukünftige Engagement der USA in diesem Konflikt unsicher sei und die russische Bedrohung ganz Europa betreffe, sei es an der Zeit, dass die Europäer selbst ihre Stärke beweisen. Dies solle nicht etwa die NATO ersetzen, sondern zusätzlich klarstellen, dass der europäische Kontinent vor Putins Drohungen nicht zurückweiche.

Tatsächlich hat der Krieg in der Ukraine bewiesen, dass Russlands Armee vollkommen überschätzt wurde

In vier Tagen wollte Putin im Februar 2022 Kiew eingenommen und die demokratische ukrainische Regierung gestürzt haben. Inzwischen dauert der verlustreiche Krieg drei Jahre. Nach Analysen westlicher Geheimdienste seien bisher etwa 58.000 ukrainische Soldaten gefallen, aber bis zu 600.000 auf russischer Seite. Russlands Wirtschaft läuft seit Monaten auf dem Zahnfleisch – mit Ausnahme der Rüstungsindustrie, die auf Hochtouren produziert, aber die Verluste an Material nur unzureichend ausgleichen kann. Die zivile Wirtschaft in der Russischen Föderation floppt, die Börse ist abgestürzt, Gazprom – einst die Cash Cow des Kremls – schreibt Milliardenverluste.

Weil die Soldaten knapp werden, musste man sich 10.000 nordkoreanische Soldaten „ausleihen“, von denen nach Kampfeinsätzen in der Region Kurs etwa 3000 starben oder verletzt wurden. Inzwischen sind die Nordkoreaner aus der Region komplett abgezogen. Putins großspurige Afrika-Pläne – ein weiterer Rohrkrepierer. Als die Islamisten in Syrien Assads Streitkräfte überrannten und die Macht übernahmen, konnte der Verbündete Russland nichts tun, um Assad zu helfen, der nach zwei Tagen mit seiner Familie bei Nacht und Nebel aus dem Land geschafft wurde und jetzt Gast der Russischen Föderation ist.

Russland meldet jeden Tag die Übernahme irgendwelche unbewohnter Dörfer im Donbass, aber in Wirklichkeit setzen den Russen die zunehmenden Drohnenangriffe der Ukrainer bis tief ins russische Hinterland massiv zu. Da kommt ein Präsidentenwechsel in den USA gerade recht, um irgendwie aus dem Desaster herauszukommen.

Wladimir Putin nimmt schon vor Beginn der Verhandlungen in Saudi-Arabien den Mund voll und fordert quasi alles erneut, was er vor Kriegsbeginn auch schon gefordert hat. Unwahrscheinlich, dass er das auch nur ansatzweise bekommt. Vor allem, wenn sich die Europäer entschließen könnten, angesichts der veränderten Lage in Washington, in die Bresche zu springen und die Ukraine massiv zu unterstützen – mit Drohnen, Marschflugkörpern und Kampfflugzeugen. Möglich ist das alles, wenn sich Europa um den entschlossenen NATO-Generalsekretär Mark Rutte scharrt.

Rutte hatte am Samstag in München bestätigt, dass es einen Fragebogen aus Washington an die NATO-Partner gäbe, in dem die Trump-Regierung wissen möchte, welchen Beitrag an Soldaten und Material man bereitstellen könnte, um eine Friedenstruppe in der Ukraine auf die Beine zu stellen. Die USA selber, so ließ man ausrichten, werde keine eigenen Truppen für eine solche Mission bereitstellen.

Trumps Sondergesandter für die Angelegenheiten der Ukraine und Russland, Keith Kellogg, hatte ebenfalls in München für Unmut unter den europäischen Partnern gesorgt, als er ankündigte, dass die Ukraine natürlich an den Friedensverhandlungen in Saudi-Arabien teilnehmen werde. Europa allerdings nicht.

Als Beobachter könnte man denken, dass die Amerikaner ihre europäischen Verbündeten so lange reizen werden, bis sie endlich aus ihrem Tiefschlaf erwachen und sich auf ihre eigene Stärke besinnen.

Bildquelle:

  • Bundeswehr_Luftlandetruppen: depositphotos / foto-vdw

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.