Kein Wunder, dass Putin plötzlich von Friedensverhandlungen spricht

Der Handel mit US-Dollar und Euro ist an der Moskauer Börse seit Donnerstag ausgesetzt.

von KLAUS KELLE

MOSKAU – Die Woche beginnt nicht gut für Russlands Kriegspräsidenten Wladimir Putin. Gar nicht gut. Denn die neuen US-Sanktionen gegen die Moskauer Börse treffen den Kreml an einem empfindlichen Punkt: der Finanzierung des Krieges gegen die Ukraine. Auch vor diesem Hintergrund ist zu erklären, dass Putin in jüngster Zeit immer häufiger in öffentlichen Äußerungen zu erkennen gibt, dass er zu „Friedensverhandlungen“ bereit sei. Allerdings zu Friedensverhandlungen, die einem Diktatfrieden gleichen, denn der russische Präsident macht zur Bedingung für Gespräche, dass er vorher vom Westen bestätigt bekommt, dass er alles behalten darf, was seine Truppen – mehr oder weniger – besetzt haben. Außerdem solle sich die Ukraine verpflichten, nicht mehr die NATO-Mitgliedschaft anzustreben, was praktisch einer Unterwerfung unter Moskaus Herrschaft bedeuten würde. Schließlich verlangt Putin noch die sofortige Aufhebung aller Sanktionen. Und, klar, mit Präsident Selenskyj will er auch nicht sprechen.

Alles verständlich, denn anders als die Fake-News-Maschine in St. Petersburg suggeriert, greifen die Maßnahmen des Westens inzwischen spürbar

So stoppte die Moskauer Börse als Reaktion auf die neuen US-Sanktionen („aggressive Handlung“) am Donnerstag den Handel mit Dollar und Euro. Banken, Unternehmen und auch Investoren müssen ab sofort außerhalb der Börse agieren und Transaktionen über andere Handelsplätze veranlassen.

Immerhin: „Die neuen Sanktionen dürften den Rubelkurs mittelfristig nicht beeinträchtigen“, sagte Yuri Popov, Stratege bei SberCIB Investment Research. „Kurzfristig kann es zu hoher Volatilität und großen Spreads an den Devisenschaltern kommen.“

Devisengeschäfte sind das eine, Ersparnisse der Bürger das andere. Viele Russen halten ihre Ersparnisse in Dollar oder Euro, verständlich, denn der Rubel verlor über die Jahre immer wieder deutlich an Wert. Die Zentralbank der Russischen Föderation wiegelt ab: „Unternehmen und Privatpersonen können weiterhin über russische Banken US-Dollar und Euro kaufen und verkaufen. Alle Dollar- und Euro-Gelder auf den Konten und Depots von Bürgern und Unternehmen sind weiterhin sicher“, hieß es in einer Mitteilung. Dennoch bildeten sich in russischen Großstädten Warteschlangen vor Gelautomaten und an der Moskauer Börse vor einem [Geld-]Wechsler, berichtete der russische Telegram-Kanal Bankrollo und teilte dazu Fotos von Menschen in einer Warteschlange.

Hinzu kommt, dass die ohnehin schwachen militärischen Fortschritte der Russen in der Ukraine durch das Milliardenpaket aus Washington und die Lieferung hochmoderner amerikanischer Waffen an die ukrainischen Streitkräfte vollständig zum Stillstand gekommen sind.

Zwar beschießen die russischen Streitkräfte weiter zivile Wohngebiete, aber an vielen Frontabschnitten stocken inzwischen die zunächst erfolgreichen angelaufenen Vorstöße.

Aktuelles Beispiel: Wowtschansk

Anfang Mai hatte die russische Armee begonnen, gegen die Kleinstadt vorzurücken. Von dort hätten Putins Soldaten in Richtung des 80 Kilometer entfernten Kupjansk vorstoßen oder die zweitgrößte Stadt Charkiw angreifen können.

In Wowtschansk haben sich nach Informationen kremltreuer Militärblogger rund 400 Soldaten verschanzt, die inzwischen vollständig von der ukrainischen Armee eingekesselt wurden. Am Samstagabend war in sozialen Medien ein Video zu sehen, das den Abwurf von amerikanischen Bomben auf das Fabrikgelände zeigt.

Wirtschaftliche Sanktionen gegen Börse und Oligarchen, Milliardenverluste bei Gazprom und jetzt auch der militärische Vormarsch gestoppt. Kein Wunder, dass Putin plötzlich beginnt, von Friedensverhandlungen zu sprechen.

Bildquelle:

  • Börse_Moskau: depositphotos

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.