Katzenjammer…wenn Haustiere plötzlich weg sind

Ist sie nicht niedlich, so eine Hauskatze?

von DANNY SEIDEL

BERLIN – In beinahe jedem zweiten deutschen Haushalt lebt mindestens ein tierischer Mitbewohner. Von Axolotl bis Zwergpinscher bevölkern rund 34,4 Millionen gefiederte, behaarte oder geschuppte Freunde die guten Stuben landauf, landab. Als Freund des Menschen. Den unangefochtenen Platz Eins belegt dabei mit mehr als 15 Millionen Exemplaren „König Stubentiger“. Und drei dieser samtpfotigen Vertreter wohnten bis gestern bei mir.

Nun weiß jeder, der sich einen tierischen Hausgenossen (sofern es sich dabei nicht um eine Griechische Landschildkröte handelt) anschafft, dass er diesen höchstwahrscheinlich überleben wird. Der Tag des Abschiedes wird unausweichlich kommen. In meinem Fall jedoch lag die Sache ein wenig anders.

Zum einen hatte ich mir die drei Wonneproppen nicht selbst zugelegt, denn sie gehörten meiner Mitbewohnerin. Zum anderen waren sie auch nicht am Ende ihres Lebens angelangt, sondern meine Mitbewohnerin zog gestern mitsamt ihren drei Kratzbürsten aus.
Ja, der Umzug war seit Ewigkeiten geplant. Nein, es sollte kein Verlust sein. Denn was waren die drei mir in den vergangenen Jahren, insbesondere in den letzten Monaten, in denen ihr Frauchen beruflich kaum noch zuhause war, auf den Wecker gegangen. Allein schon dieser Moment, wenn man gerade gestaubsaugt hat und es nach zehn Minuten aussieht, als müsste man ganz dringend mal wieder staubsaugen. Ich sah überall nur noch Haare. Umso mehr, je näher Tag X rückte.
Denn nicht genug damit, dass die kleinen Kuscheln offensichtlich ganzjährig auf Schritt und Tritt ihr üppiges Winterfell abwarfen. Offensichtlich gab es geheime Absprachen, dass sich die schwarzen Katzen vornehmlich auf hellen Sitzbezügen, Handtüchern oder Bettwäschen aufzuhalten hatten, während die weiße Katze ausgesucht schwarze Wollpullover und dunkle Samtjacken besiedelte, sobald sie auch nur eine Minute unachtsam abgelegt wurden. Zudem hatte ich den wachsenden Verdacht, dass die Racker irgendwie ahnten, dass sich alsbald unsere Wege trennen würden und sie mir das Lebewohl so leicht wie möglich machen wollten.

Da ich nämlich eigentlich ein wahnsinnig tierlieber Mensch bin, hatte ich den großen Fehler begangen, in meine, in Richtung Naturschutzgebiet weisende Schlafzimmer-Veranda-Tür eine Katzenklappe einzubauen. Der Dank bestand darin, dass die Herrschaften in den letzten vier Wochen plötzlich eine überdurchschnittliche Nachtaktivität offenbarten. Mit der Folge, dass nicht nur alle 30 Sekunden die Klappe klapperte, sondern mir überdies mehrere lebende Kleinnager, ein mittelgroßer Flughund so wie ein hysterisch flatternder Singvogel ins Bett geschleppt wurden. Letzterer früh morgens, kurz bevor ich zur Arbeit musste. Die drei aufgedrehten Zwergungeheuer zu vertreiben, wegzusperren und anschließend das irgendwann hinter den Schrank geflohene Panikvögelchen einzufangen und ins Freie zu befördern, kostete mich ca. zwei Stunden Verspätung.

Auch ansonsten waren der Kreativität im Anrichten von Scherereien kaum noch Grenzen gesetzt. Kein Tag, an dem nicht mindestens ein Blumentopf umgeworfen, der Inhalt offensichtlich zerkaut und dann großzügig in der gesamten Wohnung in winzigen Häufchen erbrochen wurde. Keine Nacht, in der die penetrant anhänglichen Schmusemonster, erschöpft von der Jagd, ohrenbetäubend laut schnurrend und dicht gedrängt gemeinsam auf meinem Kopfkissen, am allerliebsten jedoch mitten in meinem Gesicht Platz nehmen wollten. Voller Wonne mit ihren nadelspitzen Krallen kleine, rhythmische, nervtötende Milchtrittbewegungen Richtung meines ungeschützten Halses ausführend.

Auch scheinen unsere vierbeinigen Lieblinge nicht nur sieben Leben, sondern vor allem einen siebten Sinn dafür zu besitzen, was besonders neu, zerbrechlich oder kostspielig ist. So gelang es dem schwarzen Kater kürzlich zielsicher, ein Tütchen Bio-Pinienkerne im Wert von 10,99, von denen ich mir eigentlich einige über mein Caprese streuen wollte, hinter meinem Rücken aus der Einkaufstüte zu angeln und mit der Beute zu flüchten. Zum Glück fand ich das bis zur Unendlichkeit entstellte und zerrissene Päckchen nebst komplett verstreutem Inhalt wieder, natürlich direkt vor dem Katzenklo.
Auch meine neue, für meine Verhältnisse teure Wildledertasche, die ich leichtsinnigerweise auf den Wohnzimmertisch stellte, ziert dem Tag ihres Erwerbs ein nicht zu entfernender Wasserrand. Logisch, wenn man ein Wasserglas daneben stellt und eine Sekunde das Zimmer verlässt. Das unschuldige, giftgrüne Augenpaar, dass mich daraufhin -neben der Lache auf dem Tisch sitzend- anschaute, hatte schon mal besser gelogen.

Wie und vor allem warum die weiße Katze just vorgestern noch die akrobatische Leistung vollbracht hat, meinen nagelneuen Mesh-Repeater von der Wand zu reißen, so dass dieser wie ein Diskus durchs Wohnzimmer sauste und dann mit einer hässlichen Schmarre und hektisch blinkend liegen blieb, weiß der Kuckuck. Nur mit Mühe konnte ich einen endgültigen Wutanfall unterdrücken. Mein Internet schwankt seitdem übrigens erheblich.

Aber das ist ja nun gottlob alles vorbei. Jetzt komme ich in eine leere Wohnung. Meine Schritte hallen an den Wänden wider. Alles ist, wie ich es verlassen habe. Nichts ist umgeschmissen, verschüttet, in Fetzen gerissen, abgemurkst, hervorgewürgt oder sieht aus wie ein unfreiwilliger Flokati.
Ich freue mich nicht.
Ich vermisse sie jetzt schon ganz furchtbar!

Bildquelle:

  • Dannys_Hauskatze: danny seidel

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