KÖLN – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat bilaterale Gespräche mit Russland angekündigt über eventuelle Lieferungen des Corona-Impfstoffs Sputnik V im Falle einer EU-Zulassung.
Man müsse aber sehr aufpassen, dass dies nicht zu einer «Fata-Morgana-Debatte» werde, sagte er im WDR5-«Morgenecho». Zunächst gehe es um die Zulassung durch die EU. «Dafür muss Russland Daten liefern.» Solange dies nicht geschehe, könne es keine Zulassung geben.
Die zweite Frage sei dann die der Bestellung, sagte Spahn. Die EU-Kommission habe am Mittwochabend erklärt, dass sie über Sputnik V nicht Verträge schließen werde wie mit den anderen Herstellern wie etwa Biontech. «Daraufhin habe ich auch im EU-Gesundheitsministerrat für Deutschland erklärt, dass wir dann bilateral auch mit Russland reden werden, und zwar erst mal darüber, wann überhaupt welche Mengen kommen könnten», sagte Spahn.
«Um wirklich einen Unterschied zu machen in unserer aktuellen Lage, müsste die Lieferung schon in den nächsten zwei bis vier, fünf Monaten kommen – ansonsten haben wir so oder so mehr als genug Impfstoff.» Insofern erwarte er von Russland verbindliche Aussagen dazu, «wann welche Menge konkret nach einer Zulassung auch Deutschland erreichen könnte».
Derweil sichert sich wie Bayern auch Mecklenburg-Vorpommern den Zugang zu Sputnik V. Wie Landesgesundheitsminister Harry Glawe (CDU) mitteilt, hat sich das Land gegenüber Russland eine Option auf eine Million dieser Impfdosen gesichert. «Wir sind aktuell noch in einer Phase, wo es große Abhängigkeiten von noch zu wenigen Herstellern gibt», begründete Glawe den Vorstoß.
Mecklenburg-Vorpommern versuche auch eigene Wege zu gehen, um das Tempo und die Planbarkeit der Impfungen zu verbessern. «Wir sind interessiert an langfristigen Kooperationen mit Russland. Darüber hinaus prüft das Land, ob im Land ansässige Firmen eine Abfüllung oder Produktion ermöglichen könnten», sagte Glawe.
In Bayern soll eine Firma im schwäbischen Illertissen den russischen Impfstoff produzieren. Eine entsprechende Absichtserklärung für die Produktion und den Import sei unterzeichnet, hieß es. Nach der Zulassung soll der Freistaat 2,5 Millionen Impfdosen erhalten.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hingegen verweist auf die Verantwortung der Bundesregierung: «Für die Beschaffung des Impfstoffes ist die Bundesregierung zuständig.» Für die Zulassung des Impfstoffes seien das Einverständnis der europäischen Behörde EMA und eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) Voraussetzung. «Wenn uns der Bundesgesundheitsminister sagt, dass Sputnik zur Verfügung steht, dass er zugelassen ist und durch die Stiko empfohlen ist, dann freue ich mich riesig darüber – und wir werden das dann ganz sicher auch verimpfen.»
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kann sich den Einsatz von Sputnik V vorstellen, wie die Staatskanzlei bestätigt. Für die Impfkampagne werde sehr viel Impfstoff benötigt, sagte Woidke demnach. «Dafür sollte jeder geeignete, zuverlässige und zugelassene Impfstoff genutzt werden», meinte der Regierungschef. «Das gilt selbstverständlich auch für Sputnik V.»
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, sagte im ZDF-«Morgenmagazin», die publizierten Daten zu Sputnik V «sehen sehr gut aus», er wisse aber nicht, was der EU-Arzneimittelbehörde EMA noch an zusätzlichen Daten vorliege. «Wenn der Impfstoff geprüft und zugelassen wird, hätte ich persönlich dagegen nichts einzuwenden.» Über den von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigten Vorvertrag über eine bilaterale Sputnik-Beschaffung sagte er: «Dass das jetzt wieder als bayerischer Alleingang geplant sein sollte, wenn das denn so ist, davon bin ich nicht so sehr überzeugt.»
Der Impfstoff von Astrazeneca soll nach Spahns Worten in Deutschland auch weiterhin nicht bei Menschen unter 60 Jahren eingesetzt werden. «Wir bleiben dabei, dass wir den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission folgen», sagte er. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hatte am Mittwoch trotz sehr seltener Fälle von Blutgerinnseln in Hirnvenen jüngerer Menschen weiterhin uneingeschränkt grünes Licht für die Anwendung des Impfstoffes gegeben. Die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland dagegen hatte Astrazeneca zuletzt erst für Menschen ab 60 Jahren empfohlen.
«Wenn wir nur Astrazeneca als Impfstoff hätten und keine Alternative für die unter 60-Jährigen, dann käme man in der Abwägung – wie ist die Empfehlung – möglicherweise zu einem anderen Ergebnis», sagte Spahn. Da es aber ja alternative Impfstoffe gebe, könne man aus Vorsicht bei der Empfehlung bleiben, Astrazeneca bei jüngeren Menschen nicht anzuwenden. Ähnlich argumentierte auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, im ZDF-«Morgenmagazin».
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- Jens Spahn: dpa