von FRIEDRICH LIST
BERLIN – Im April diesen Jahres meldeten die US-Raumstreitkräfte (US Space Force), dass GPS-Signale über der Ukraine nicht mehr empfangen werden können. General David Thompson, stellvertretender Leiter der Weltraumoperationen der Space Force, erklärte gegenüber dem US-Fernsehsender NBC, dass russische Streitkräfte die Signale stören. „Die Ukraine ist möglicherweise nicht in der Lage, GPS zu nutzen, weil es Störsender gibt, die den Empfang eines brauchbaren Signals verhindern“, so Thompson weiter.
Bereits Anfang Februar 2022 hatten Verkehrspiloten erstmals über Störungen ihrer GPS-Empfänger und damit ihrer bordeigenen Navigationssysteme berichtet, als sie in der Nähe der finnisch-russischen Grenze unterwegs waren. Zwar geriet keine Besatzung in eine kritische Situation. An Bord von Verkehrsflugzeugen gibt es genügend andere Navigationsmittel, mit denen die Crew sicher ihr Ziel erreicht.
Inzwischen gibt es weitere Berichte. So war GPS über der Ostsee, im Baltikum und Osten Finnlands großflächig gestört. Betroffen war auch der Luftraum um die russische Exklave Kaliningrad, den nördlichen Teil des ehemals deutschen Ostpreußen. Zudem waren es nicht die ersten Störungen dieser Art.
Nicht nur der Ukraine-Konflikt selbst legt nahe, dass es sich sich dabei um russische Störmaßnahmen gehandelt haben könnte. Schon in der Vergangenheit wurden NATO-Übungen im Hohen Norden oder im Schwarzen Meer gestört. In einem länger zurückliegenden Fall waren auch Handelsschiffe im Schwarzen Meer betroffen. Experten vermuten russische Störsender als Ursache, aber bislang fehlen schlüssige Beweise.
GPS steht für „Global Positioning System“. Dabei handelt es um ein vom US-Militär aufgebautes und betriebenes Netz aus 24 Satelliten, die in 20 000 Kilometern Höhe um die Erde kreisen. Sie senden schwache Signale aus, mit denen heute nicht nur das US-Militär, sondern auch zivile Anwender navigieren können. Das System selbst existiert schon seit den späten 1970ern, wurde aber erst 2000 für zivile Nutzer freigegeben. Neben den USA betreiben auch Russland, die Europäische Union und die Volksrepublik China derartige Satellitennavigationssysteme.
Es gibt zwei Möglichkeiten, GPS-Signale zu stören. Einmal durch so genanntes „Jamming“. Das sind Störsignale oder schlichtes elektronisches Rauschen, das die eigentlichen Signale überlagert und so verhindert, daß die Empfänger ihre Position bestimmen. Das so genannte „GPS Spoofing“ ist dagegen aufwändiger und auch perfider, denn es schickt dem Empfänger falsche GPS-Signale.
Wie Forscher die Störer orten wollen
Ein Forschungsteam der Universität der Bundeswehr München arbeitet an Lösungen, wie sich „Jamming“ und „Spoofing“ aus dem All orten und lokalisieren lassen. Praktische Tests werden an Bord der neuen Kleinsatelliten-Mission „SeRANIS“ durchgeführt werden. Wenn sich die Positionen von Jammern oder Spoofern präzise lokalisieren lassen, ist es leichter, sie am Boden aufzuspüren.
Zudem ist das Problem nicht auf die zivile Luftfahrt oder militärische Anwendungen beschränkt. Mittlerweile stören Lkw-Fahrer ihr Fahrzeug-GPS, um ihren Arbeitgeber über ihren Aufenthaltsort zu täuschen. Taxifahrer in London nutzen Störsignale, um risikolos schneller fahren zu können als erlaubt. „Wir erkennen einen Anstieg solcher Störangriffe auf Navigationssysteme durch Berichte in den Medien“, sagt Nikolas Dütsch. Der Wissenschaftler untersucht an der Universität der Bundeswehr im Rahmen der „SeRANIS“-Mission derartige Störangriffe. Das liegt daran, daß Störgeräte für den privaten Gebrauch einigermaßen problemlos über das Internet beschafft werden können. Die Preise liegen bei um die 1000 Euro, mit fallender Tendenz.
Mit GPS verbreiten sich auch GPS-Störer
Und wer technisch versiert ist, kann sich einen primitiven Jammer aus frei verkäuflichen Komponenten selbst bauen. Einen Spoofer in der heimischen Garagenwerkstatt zu bauen, ist schon aufwändiger, weil man zum Erzeugen der falschen GPS-Signale auch einen leistungsfähigen Computer braucht. Aber auch das ist möglich. Allerdings macht sich strafbar, wer das tut. Wer absichtlich Signale in den für GPS reservierten Frequenzbändern aussendet, muss mit empfindlichen Strafen rechnen.
Funktionierende Satellitennavigation wird für die moderne Gesellschaft immer wichtiger. „Im Zeitalter des teil- und zukünftigen autonomen Fahrens sind die Verfügbarkeit und die Verlässlichkeit der Positionsinformationen zu jeder Zeit unerlässlich“, so Dütsch weiter. Außerdem nutzen auch Polizei, Such- und Rettungsdienste und sogar der elektronische Börsenhandel GPS-Daten.
Außerdem können auch defekte Geräte einen GPS-Empfänger stören. Die GPS-Signale selbst haben eine geringe Stärke. Daher kann auch ein defektes Elektronikgerät in der Nähe des Empfängers, das plötzlich auf der entsprechenden Frequenz strahlt, den Signalempfang behindern oder völlig unmöglich machen.
Die deutsche SeRANIS-Mission
Nikolas Nütsch‘ Forschungen sollen nun nicht nur beim Aufspüren von Störsignalen helfen. „Mit der Mission legen wir den Grundstein für die weltweite Erfassung von Jamming und Spoofing Vorfällen und liefern wertvolle Beiträge zu Angriffsvektoren, die u. a. für die Steigerung der Robustheit eingesetzt werden können“, so Dütsch. SeRANIS steht für „Seamless Radio Access Networks for Internet of Space“. Zu deutsch heißt das soviel wie „Nahtlose Funkzugangsnetze für das Internet des Weltraums“. Die Mission soll 2025 starten. Es ist die weltweit erste und gegenwärtig einzige Kleinsatellitenmission, die ein öffentlich zugängliches Experimentallabor im erdnahen Weltraum bietet. Die teilnehmenden Experimente werden gerade ausgewählt. Das von Nütsch wird definitiv dabei sein. An Bord des Satelliten sollen um die zehn Experimente mit Technologien wie Mobilfunksystemen der 6. Generation, dem Internet of Things (Internet der Dinge) und sicheren Kommunikationswegen sein.
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BU: GPS besteht aus 24 dieser Satelliten und sorgt mit seinen Signalen für sichere Navigation von Flugzeugen oder Schiffen, hilft aber auch Smarthphone-Besitzern dabei, sich zu orientieren.
Foto: US Air Force via WikiMedia Commons.
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- Navstar-Sattelit_GPS: US Air Force