Berlin -Die politischen Konservativen sind in Deutschland derzeit in der Offensive, auch wenn die AfD nach ihrem Höhenflug in den Umfragen schwächelt. Doch acht bis zehn Prozent der Wählerschaft sind eine ernstzunehmende politische Größe. Aber die Stimmung ist nicht gut im Milieu. Auf Wahlparteitagen geht es hoch her, gegenseitige Vorwürfe und Intrigen an vielen Orten. Viele Wahlkämpfer der Partei machen inzwischen keinen Hehl daraus, dass sie die Querschüsse leid sind.
Dieter Stein, Gründer und Chef der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und einer der besten Kenner der konservativen Szene in Deutschland, im Interview mit TheGermanZ spricht er über einen Aufbruch ins Was-auch-immer…
Dieter Stein, ist die AfD für Sie persönlich immer noch die große politische Hoffnung unserer Zeit?
Wir beobachten seit langem eine wachsende Repräsentationslücke im deutschen Parteienspektrum. CDU/CSU und FDP ignorieren auf wichtigen Feldern Anliegen, die in ihrer traditionellen Wählerschaft und darüber hinaus existieren. Nur drei Punkte: Die Euro-Rettung unter Bruch der Verträge, die eine Vergemeinschaftung der Schulden eigentlich ausschlossen, die Grenzöffnung für Hunderttausende faktisch illegale Einwanderer durch Angela Merkel und eine Milliarden fressende ideologisch motivierte Energiewende. In dieses Vakuum stieß die AfD und könnte dafür sorgen, dass es im September wieder eine richtige Opposition im Bundestag gibt.
Ihr politischer Weg begann einst in der Jungen Union im badischen Kirchzarten, führte dann über Republikaner und „Freiheitliche Volkspartei“ zu Ihrem publizistischen Engagement. Warum sind Sie damals nicht bei der Union geblieben?
Ich bin als 15-jähriger voller Enthusiasmus in die JU eingetreten, wenige Monate bevor Helmut Kohl Bundeskanzler wurde. Ich setzte große Hoffnung in eine echte „Wende“, insbesondere in der Deutschlandpolitik – die dann nicht kam. Ein zweiter, Grund, lag in der Frage des Lebensschutzes, wo die Unionsparteien unter Kohl keine Anstalten machten, die sozialliberale Fristenlösung beim Abtreibungsrecht zu korrigieren.
Nach dem von Strauß eingefädelte DDR-Milliardenkredit kam es 1983 zur Gründung der Republikaner, angestoßen von zwei Bundestagsabgeordneten und dem Fernsehjournalisten Franz Schönhuber. Ich trat 1984 aus der JU aus und war dann ein Jahr bei den Republikanern, ab 1985 mit Franz Handlos bei der gemäßigteren FVP, die rasch in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Diese Partei verließ ich 1987 und bin bis heute parteilos.
Was waren Ihre persönlichen Erkenntnisse aus diesen konservativen Neugründungen?
Alle neu gegründeten Parteien, die rechts der Union stehen, unterliegen den gleichen dynamischen Kräften. Von außen wirkt enormer Druck etablierter Medien und Parteien mit dem Ziel der Ächtung. Es beginnt mit dem Vorwurf des „Rechtspopulismus“ und mündet später in den Verdacht des Rechtsextremismus. Von innen wirken reziprok Zentrifugalkräfte, die stets im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung die Tendenz der Selbstradikalisierung verstärken. Das war auch bei den Republikanern damals so.
Irgendwann wirken die alten Netzwerke einer bis dahin marginalisierten Rechtsaußenszene bis hin zur Konkursmasse der NPD und kapern eine neue bürgerliche Partei, wenn sie die Erfolgszone erreicht. Diese Gruppen und Einzelpersonen haben, weil sie in der Regel bereits verbrannt sind, politisch und gesellschaftlich nichts zu verlieren, ganz im Gegensatz zu den „Neulingen“. Setzt dieser Prozess einmal ein, erleben Sie den schleichenden Abgang der „Gemäßigten“.
Ähnlich war es beim Bund Freier Bürger (BFB), mit dem der ehemalige FDP-Politiker Manfred Brunner 1994 versuchte, bürgerliche Wähler gegen die Euro-Einführung zu sammeln oder bei der „Schill-Partei“ Anfang der 2000er Jahre. Immer war die Entwicklung gleich, nach Anfangserfolgen kamen Radikalisierung und Selbstmarginalisierung und schließlich das Aus.
Bei der AfD sind die Bedingungen von Anfang anders, erfolgversprechender. Es gab von vorneherein eine nie gekannte Schwungmasse aus der gesellschaftlichen Mitte. Nie zuvor war eine Neugründung so tief eingebrochen in Teile der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und medialen Elite. Doch auch hier beginnen wieder die altbekannten Gesetze zu wirken.
Die AfD hat aktuell Probleme, die Umfragewerte sacken deutlich, Stichwort Höcke-Auftritte. Wie steht es um die Selbstfindung der Partei. Ist es nicht ähnlich wie bei den Grünen damals?
Nach den aktuellen Umfragen liegt die AfD bei zehn Prozent und ist damit drittstärkste Kraft. Es ist völlig richtig, dass die Etablierung einer Partei fast notwendigerweise ein Prozess ist, der mit schmerzhaften Häutungen einhergeht. So eine junge Partei zieht schnell Sektierer, Wichtigtuer, Streithansel an. Die Gefahr ist, das sieht man auch bei der AfD, dass die Lauten die Leisen zu verdrängen drohen. Bei den Grünen gab es jahrzehntelange schwere Kämpfe zwischen einem „Fundi“- und einem „Realo“-Flügel. Ein wichtiger Unterschied war, daß den Grünen seitens der etablierten Medien und andere gesellschaftlich relevanten Gruppen wachsendes Wohlwollen entgegenschlug.
In der AfD gibt es vielerorts Hauen und Stechen. Sollte eine Partei im Wahljahr nicht erst einmal dem Erfolg alles andere unterordnen?
Wenn man auf die bislang gewählten Landeslisten schaut, so scheinen mehrheitlich realpolitische, präsentable Kandidaten nach vorne gekommen zu sein. Das ist insofern wichtig, weil die künftige Bundestagsfraktion mit Hunderten von hauptamtlichen Mitarbeitern nicht nur das Bild der Partei prägen, sondern auch das faktische Machtzentrum der Partei werden wird. Was spielte es bei den Grünen einst eine Rolle, wer Parteivorsitzender war? Entscheidend war, dass Joschka Fischer Fraktionsvorsitzender im Bundestag war. So wird es denke ich auch bei der AfD kommen.
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