INTERVIEW CDU-Politikerin Saskia Ludwig: „Gesetzesverstöße sind bei Greenpeace-Aktionen stets eingepreist“

Die CDU-Abgeordnete Dr. Saskia Ludwig aus Brandenburg

BERLIN – Saskia Ludwig gehört seit Jahren zu den kritischen Geistern innerhalb der Christlich-Demokratischen Union. Die studierte und promovierte Diplom-Kauffrau, gebürtige Potsdamerin, ist Mitinhaberin des Familienunternehmens Funck & Co. und langjährige Abgeordnete des Landtags Brandenburg. Auf dem 24. Bundesparteitag der CDU in Leipzig forderte Ludwig, „die konservative Säule der Union als Markenkern“ zu stärken. Im November 2019 rutschte Ludwig über die CDU-Landesliste als Nachrückerin in den Deutschen Bundestag. Bei der Bundestagswahl 2021 trat sie gegen Olaf Scholz und Annalena Baerbock im Wahlkreis an, konnte sich nicht durchsetzen. TheGermanZ wollte hören, wie Frau Ludwig die CDU nach dem Führungswechsel und mit Friedrich Merz an der Spitze sieht.

Frau Dr. Ludwig, Sie gehörten als Bundestagsabgeordnete dem konservativen „Berliner Kreis“ in der Fraktion an. Glauben Sie, dass mit der Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Parteivorsitzenden und zum Fraktionsvorsitzenden das konservative Element in der Union neu belebt wird?

Ich bin sicher, dass Friedrich Merz das konservative Element innerhalb der Fraktion neu beleben wird. Fried­­rich Merz ist ein Mann der Praxis, was gerade in der Politik einen hohen Stellenwert hat. Merz kennt den Unterschied zwischen dem, was gewünscht wird, und dem, was machbar ist. Nicht jedem modischen Trend hinterherlaufen, sondern gewichten, was sich bewährt hat und damit erhaltenswert ist, und was verändert werden muss. Das sind Markenzeichen einer seriösen und damit konservativen Politik.

Welche Hoffnungen knüpfen Sie an die Person Friedrich Merz? Welche Schwerpunkte sollte er Ihrer Meinung nach zuerst setzen?

Vor allem der Krieg, den Putin gerade gegen die Ukraine führt, erlaubt Fried­rich Merz so gut wie keine Einarbeitungszeit als Oppositionsführer. Auch wird uns durch den Krieg vor Augen geführt, auf welchen tönernen Füßen unsere Energieversorgung steht. Die durch die Energiewende hervorgerufenen Verwerfungen werden jetzt noch offensichtlicher. Fried­rich Merz hat sich zu diesem Thema schon in der Vergangenheit klar positioniert. Wir werden den Menschen aber keine gesicherte Energieversorgung zusagen können, wenn wir uns der Frage verschließen, ob es nicht – wie auch in vielen anderen Ländern – zu einer Renaissance der Kernenergie kommen wird.

Weiterhin zeigt uns der Krieg im Herzen Europas, dass wir unsere Verteidigungspolitik neu ordnen und strukturieren müssen, um die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gewährleisten zu können. Und das Thema Flüchtlingspolitik ist nach wie vor nicht vom Tisch. Im Gegenteil. Unter dem Duktus der Ampelkoalition steht zu befürchten, dass sich 2015 wiederholen wird. Verbunden mit dieser Frage ist auch der Bereich der inneren Sicherheit, den wir wieder zu einem wichtigen Element unserer Partei machen müssen.

Zwischen Union und FDP scheint ein Streit um die politische Mitte entbrannt zu sein. Bundesfinanzminister Christian Lindner wird vom CSU-Politiker Florian Oßner als „Lucky Luke der deutschen Finanzpolitik“ apostrophiert und der liberale Abgeordnete Marcus Faber bedankte sich im Umkehrschluss bei der Union dafür, bei der ­Verteidigungspolitik „Platz gemacht zu haben, um den Scherbenhaufen aufräumen zu können“. Lassen diese Scharmützel den Schluss zu, dass sich die Geistes- und Seelenverwandtschaft von Union und FDP gerade auflöst?

Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich eine Geistes- und Seelenverwandtschaft zwischen Union und FDP gab oder gibt. Ich beobachte aktiv die Politik seit 1998 und habe die FDP all die Jahre nicht wirklich als verlässlich erlebt, sondern als reine Klientelpartei. Was wir jetzt erleben, ist dem Umstand geschuldet, dass sich Parteien dem Mainstream anpassen. Das tut auch die FDP. Und ich sehe, dass sich die FDP in der Ampelkoalition immer mehr von ihrem Buchstaben F, der für Freiheit steht, verabschiedet. Insofern ist es für die CDU nach ihrer Neuaufstellung schwierig, gerade in diesem Bereich noch Gemeinsamkeiten mit der FDP zu finden. Weil ich diese Auflösungserscheinungen registriere, glaube ich nicht, dass die FDP inzwischen auch nur ansatzweise die Mitte dieser Gesellschaft repräsentiert.

Allerdings hat der FDP-Parteivorsitzende und Finanzminister Christian Lindner angekündigt, ein Corona-Steuergesetz auf den Weg zu bringen. Halten Sie Christian Lindners Pläne für unterstützenswert?

Wir von der CDU haben immer sehr deutlich gesagt, dass den Verwerfungen, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind, etwas entgegengesetzt werden muss. Deshalb könnte ich mir gut vorstellen, dass die Union hier Lindners Pläne durchaus unterstützt und nicht den Forderungen von Sozialdemokraten und Bündnisgrünen nachgibt, mit einer Vermögenssteuer beziehungsweise einem Corona-Soli die getätigten Corona-Hilfsmaßnahmen finanziell zu kompensieren.

Leider ist es so, dass wir als Oppositionspartei derartige Pläne von SPD und Bündnisgrünen nicht verhindern können, zumal wir auch im Bundesrat als Union nicht über eine Mehrheit verfügen. Das Einzige, was wir machen können ist, deutlich darauf hinzuweisen, dass nicht Steuererhöhungen, sondern Steuersenkungen das Gebot der Stunde sind. Vor allem mit Blick auf die exorbitant hohen Energiepreise und die Inflationsrate, die nach meiner Befürchtung noch deutlich über fünf Prozent ansteigen wird.

Befürchten Sie nicht, dass der Ausstieg aus Kohle- und Kernenergie zu einer Strom-Mangelwirtschaft führen wird? Und halten Sie den Ausstieg aus der Atomenergie, im Nachhinein betrachtet, für falsch, zumal die EU die Kernenergie inzwischen als grüne Energiepolitik bezeichnet und auch zum Beispiel die finnischen Grünen die Atomenergie als grüne Energie klassifizieren?

Ich halte den Ausstieg sowohl aus der Kohle- als auch aus der Kernenergie nicht nur im Nachhinein für falsch. Ich darf das begründen: Als im Jahr 2012 in einer Nacht- und Nebelaktion im Bundesvorstand der CDU ein Papier zur Energiewende und zum Ausstieg aus der Atomkraft vorgelegt wurde, habe ich dagegen gestimmt. Und zwar nicht, weil ich in die Atomkraft das Allheilmittel gesehen habe, sondern ich habe mir die Frage gestellt, wie soll es anschließend weitergehen.

Für mich war die heutige Situation schon damals absehbar. Meine Befürchtungen von einst bewahrheiten sich heute. Es gibt inzwischen neue Technologien, was die Atomkraft betrifft. Kernreaktoren der neuesten Generation produzieren die klimafreundlichste Energie und verfügen über eine Technologie, die bei uns in Deutschland geplant wurde. Es ist zum Haare raufen, dass wieder einmal wir in Deutschland eine Technologie erfinden, diese aber ins Ausland abwandert, weil sie bei uns nicht unterstützt wird. Für Brandenburg besonders bitter, da benötigte Teile hier in Brandenburg produziert werden.

Umweltministerin Steffi Lemke hat eine Brücke geschlagen zwischen den Bündnisgrünen und den radikalen Klimaaktivisten, indem sie die Aktionen der Gruppe „Essen Retten –
Leben Retten“ als „zivilen Ungehorsam“ legitimierte und zum Beispiel Straßenblockaden von „Letzte Generation“ als „absolut legitim“ apostrophierte. Dass eine Ministerin nicht mehr auf dem Boden des Rechts steht, ist schon ein einmaliger Vorgang. Ihre Bewertung?

Es ist mittlerweile so, dass bei uns zwischen guten und schlechten Demonstrationen unterschieden wird – also mit zweierlei Maß gemessen wird. Gute Demonstrationen werden von Friday´s for Future oder von anderen „Aktivisten“ organisiert. Zu den schlechten Demonstrationen gehören Proteste z.B. gegen die beschlossenen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung. Die einen werden wohlwollend beurteilt, auch wenn diese unangemeldet stattfinden oder sogar Menschenleben gefährden, wie dies bei der Aktion „Essen Retten – Leben Retten“ der Fall war. Auf der A 100 wurden Krankenwagen- und Feuerwehrfahrzeuge durch Straßenblockaden davon abgehalten, zum Einsatzort zu fahren. Dagegen werden Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen mit dem Adjektiv „rechts“ oder „rechtsradikal“ belegt, mit der Unterstellung, dass die Demonstranten die Destabilisierung des Staates im Sinn hätten, obwohl auch sie nur ein Grundrecht in Anspruch nehmen. Diese unterschiedliche Sichtweise ist einem Rechtsstaat unwürdig und vermittelt das Gefühl von Willkür. Wir müssen wieder dahinkommen, dass gleiches Recht für alle gilt. Insofern erwarte ich von Politikern und auch von Regierungsmitgliedern in dieser Frage sachliche und klare Antworten.

Außenministerin Annalena Baerbock hat sich mit Jennifer Morgan die Co-Chefin von Greenpeace ins Auswärtige Amt geholt, um gemeinsam mit anderen Ressorts die „internationale Klimainitiative Deutschlands“ zu leiten. Morgan ist mitverantwortlich für die Blockierung von Häfen, für die Besetzung von Betrieben oder das Erklimmen von Schornsteinen und hat sich dabei gezielt und bewusst über geltendes Recht hinweggesetzt. Als ein Aktivist während der Fußball-Europameisterschaft per Gleitschirm in die Münchener Allianz-Arena einschwebte, um gegen den EM-Sponsor Volkswagen zu protestieren, kam es zu einem lebensgefährlichen Unfall, bei dem zwei Zuschauer verletzt wurden….

Worüber regen wir uns eigentlich auf? Bei den Grünen sind wir derartige Vorgänge doch gewohnt. Ich darf nur an den damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer erinnern, der vor seiner Ministerzeit sich auch als Steinewerfer einen Namen gemacht hat. Der bekannte Journalist Hugo Müller-Vogg hat Baerbocks Personalentscheidung wie folgt kommentiert: „Da wird der alte Sponti-Geist der 68er wieder lebendig: Legal, illegal, scheißegal…“

Lassen Sie mich noch einen Satz zu Greenpeace verlieren: Geset­zesverstöße sind bei Green­peace-Aktionen stets eingepreist. Insofern fand ich es schon seinerzeit bedenklich, dass die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel kurz nach der missglückten Münchener Aktion der deutschen Greenpeace-Organisation ihre Aufwartung machte und deren Arbeit überschwänglich lobte. Gesetzesverstöße von Greenpeace waren Merkel dabei keiner Erwähnung wert.

Bildquelle:

  • Saskia_Ludwig_CDU: theGermanZ

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