INSA-Chef Binkert: Grün-Schwarz ist wahrscheinlicher als Rot-Rot-Grün

BERLIN – Die von drei Dutzend Funktionären in einer Nacht durchgepeitschte Entscheidung, Armin Laschet zum gemeinsamen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU zu küren, hat Schockwellen bei den Anhängern und auch vielen Funktionären und Abgeordneten der Union in ganz Deutschland ausgelöst. Nur Stunden nach dem Ergebnis sorgten Zahlen eines Meinungsforschungsinstituts, das den Totalabsturz der Union prognostizierte, für Aufsehen. Weniger aufgeregt sind die oft nah am tatsächlichen Ergebnis zu findenden Analysen des INSA-Institus (Erfurt). Und mit derem Chef Hermann Binkert sprachen wir am Morgen.

Herr Binkert, vor nicht einmal drei Tagen hat sich die Union hinter dem Kanzlerkandidaten Armin Laschet versammelt. Können Sie in Ihren Daten schon erkennen, wie das auf die Wählerschaft wirkt?

Lieber Herr Kelle, wir haben schon vor der Entscheidung des CDU-Bundesvorstandes, mit Armin Laschet als Kanzlerkandidaten in die Bundestagswahl zu gehen, die Chancen der Union mit Söder oder Laschet abgefragt. Mit Söder hätte die Union die Chance gehabt, ein Ergebnis von 35 Prozent plus einzufahren. Mit Laschet werden es unter 30 Prozent bleiben. Aus heutiger Sicht wird die Union aber auch mit Armin Laschet nicht ins Bodenlose fallen.

Es gab vorgestern die Umfrage eines anderen Instituts, das einen dramatischen Einbruch von sieben Prozent für die Union sieht – kann es solche Erdbeben überhaupt geben nach dem Beschluss eines Parteigremiums? Oder braucht es da schlimmere Erschütterungen?

Wir haben am selben Tag auch neu erhoben und kamen zu einem anderen Ergebnis. Union und Grüne nähern sich an. Ich halte es aber für deutlich wahrscheinlicher, dass CDU und CSU am Ende vor Bündnis90/Die Grünen liegen. Aktuell ist es auf jeden Fall so.

Für unsere Leser ist der bürgerliche Bereich sehr interessant. FDP und AfD sind klar zweistellig im Moment – wird sich für diese Parteien der Trend stabilisieren?

Beide Parteien sind bei uns zweistellig und haben die Chance, bis zum Wahltag in etwa auf dem Niveau der letzten Bundestagswahl zu landen oder sogar noch stärker zu werden. Die FDP muss den Spagat schaffen, nicht nur offen für eine Zusammenarbeit mit Union, sondern auch mit den Grünen zu sein, ohne bisherige traditionelle FDP-Wähler zu erschrecken. Die Wählerschaft der FDP tickt in der Regel konservativer als die FDP-Führungsgremien.

Immer deutlicher scheint zu werden, dass im September sogar eine rot-rot-grüne Regierung unter einer Kanzlerin Baerbock und der SED-Nachfolgepartei möglich ist. Sehen Sie das auch so.

Wahrscheinlicher als Grün-Rot-Rot ist aus heutiger demoskopischer Sicht eine von den Grünen geführte Ampel-Koalition. Die Linke wird im zukünftigen Bundestag wahrscheinlich die kleinste Fraktion stellen. Je stärker die Grünen, desto schwerer wird es für SPD und Linke.

Haben Sie Daten zur Einschätzung des Kanzlerkandidaten Laschet in der Bevölkerung? Wie wird er wahrgenommen, und warum sind seine persönlichen Werte eher mau?

Im Vergleich zu den Kanzlerkandidaten von Grünen und SPD, Frau Baerbock und Herrn Scholz, bleibt Armin Laschet in den unterschiedlichsten Kategorien – ob es um Kompetenz, Glaubwürdigkeit oder Sympathie geht – immer nur dritter Sieger. Jetzt kommt es für Herrn Laschet entscheidend darauf an, dass er die Fans von Markus Söder für sich gewinnen kann. Der bayerische Ministerpräsident lag bei allen Rankings deutlich vor den anderen Kanzlerkandidaten.

Die berühmte Sonntagsfrage wird täglich von jemand anderem gestellt, uns interessieren heute die Köpfe. Können Sie uns sagen, wer aktuell, die beliebtesten Top-Politiker in Deutschland sind?

Mit großem Abstand vorne sind Angela Merkel und Markus Söder. Aber von diesen beiden wissen wir, dass sie am 26. September gar nicht zur Wahl stehen. Von den drei Kanzlerkandidaten liegen Annalena Baerbock und Olaf Scholz nahe beieinander, etwas abgefallen folgt Armin Laschet auf dem dritten Platz der Kanzlerkandidaten.

Das Gespräch mit Hermann Binkert führte Klaus Kelle.

Bildquelle:

  • Hermann_Binkert: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.