In der Corona-Krise entwickelt sich Zoom zum großen Player

Seit jahren reden deutsche Politiker darüber, wie man die digitalisierung in Deutschland voranbringen könne. Die Corona-Krise gibt neuen Technologien einen gewaltigen Schub. Bestes Beispiel: der Videokonferenzdienst ZOOM.

Corona betrifft jeden. Seit mehreren Monaten ist das öffentliche Leben in Deutschland und im Rest der Welt auf ein Minimum heruntergefahren. Konzerte, die Fußball-Bundesliga und selbst das Oktoberfest in München wurden abgesagt. Firmen wurden dazu angewiesen, ihren Mitarbeitern die Arbeit im Home Office ermöglichen. Die Wirtschaft steht vor der großen Herausforderung, interne Abläufe und Meetings unter Quarantäne-Bedingungen zu organisieren. Die eher technologiefeindlichen Grünen hielten vor einigen Wochen ihren ersten Onlineparteitag ab, der allerdings technisch zu wünschen ließ. Bei der Übermittlung von Bild und Ton kam es mehrfach zu Ausfällen. Besser gelang es hingegen der CSU, ihre Delegierten virtuell tagen zu lassen.

Viele Unternehmen setzen in der Krise auf Zoom. Das Programm ist seit 2013 auf dem Markt, führte aber eher ein Nischendasein. Im Dezember hatte es gerade einmal zehn Millionen Nutzer, mittlerweile sind es über 200 Millionen. Der Börsenwert des Unternehmens wird auf über eine Milliarde Dollar geschätzt.

Firmengründer Eric Yuan wurde 1970 geboren und absolvierte ein Mathematikstudium. Der Gedanke an ein Programm, das Videotelefonate ermöglicht, gefiel ihm sehr, da er als junger Mann eine Fernbeziehung führte und seine damalige Partnerin (mittlerweile Ehefrau) gern häufiger „besucht“ hätte. Nach ersten beruflichen Stationen in Japan kam er 1997 ins Silicon Valley und war beim Unternehmen Cisco für die Entwicklung von Videotelefonie zuständig. 2011 nutzte er seine Erfahrungen, um sich selbständig zu machen und Zoom zu entwickeln.

Das Programm lässt sich kostenlos herunterladen und ist sehr intuitiv gestaltet. Der Konferenzleiter muss den Teilnehmern einen Zugangslink schicken (zum Beispiel über E-Mail), die sich daraufhin einloggen können. Bild und Ton werden störungsfrei übermittelt. Viele weitere Funktionen erweisen sich gerade für größere Firmen als praktisch. So lässt sich mit einem Mausklick der eigene Bildschirminhalt für die anderen Benutzer anzeigen lassen. Die Whiteboard-Funktion ähnelt der Tafel im Klassenzimmer. Die User können eine weiße Oberfläche bemalen, um so ihre Vorstellungen den Kollegen erklären zu können.

Sehr angenehm: Einzelne User lassen sich muten (d.h. stummschalten), eine Funktion, die der langjährige Marktführer Skype seit 2003 immer noch nicht eingeführt hat. So lassen sich im Ernstfall Doppelungen oder Störgeräusche elegant ausschalten.

Und wie kommt Zoom an Geld, wenn sich das Programm doch völlig kostenlos benutzen lässt? Ganz einfach: In der Basis-Version ist die Dauer einer Videokonferenz auf 40 Minuten begrenzt. Natürlich lässt sich gleich darauf eine neue Konferenz starten, aber dazu muss mühsam an alle Teilnehmer der neue Einladungslink übertragen werden. Je größer eine Firma, desto aufwendiger der Prozess – und umso höher der Druck, doch auf die kostenpflichtige Premium-Version umzusteigen.

Weltweit nutzen Politiker Zoom. Boris Johnson hält Videokonferenzen ab, ebenso wie das britische Parlament, das kanadische Parlament und das Pentagon. Kleiner Schönheitsfehler: eine mexikanische Politikerin entblößte sich in einer Zoom-Konferenz, da sie glaubte, die Kamera bereits abgeschaltet zu haben.

In Deutschland mehren sich auch auch die kritischen Stimmen. Patrick Sensburg, CDU-Mitglied im Geheimdienstgremium des Bundestags, warnt die deutschen Ministerien davor, Zoom zu nutzen. Er befürchtet chinesische Cyberangriffe, durch die Staatsgeheimnisse abgeschöpft werden können. Bereits im April war bekannt geworden, dass Zoom Nutzerdaten an den Tech-Giganten Facebook übermittelt hatte. Nach heftiger Kritik wurde dieser Missstand durch ein Update behoben.

Und wem gilt die Loyalität des Unternehmens? Vor wenigen Tagen wurde berichtet, dass Zoom die Konten chinesischer Dissidenten nach Druck aus Peking gelöscht hatte.

Ausgerechnet Firmengründer Yuan hasst Zoom inzwischen. Er muss mehrere Video-Konferenzen täglich absolvieren und sehnt sich inzwischen nur noch nach Ruhe.

 

 

 

Bildquelle:

  • Zoom_conference: zoom

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