Im Kampf gegen die Drogen-Zombies: Braucht Mexiko einen „Plan-Columbia“?

Rund 1,5 Tonnen Kokain liegen zum Abtransport zur Verbrennung in Kolumbien bereit. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

von MICHAEL STING

Sie schlendern durch die Straßen von New York, Los Angeles und Philadelphia. Ihre Haut verfault an ihren Körpern und Sie verlieren jede Form von Menschlichkeit. Was ich hier beschreibe stammt nicht aus einem Horrorfilm, sondern beschreibt die aktuelle Situation in vielen Städten in den USA. Die Rede ist von der „Zombie“-Droge „Tranq“, die ganz Amerika überschwemmt und sich inzwischen auch in Europa ausbreitet. Das Tierberuhigungsmittel Xylazin wird dabei mit Fentanyl und anderen illegalen Substanzen gemischt. Fentanyl wirkt rund 50 Mal stärker als Heroin. Es ist ein künstlich hergestelltes Opioid und wird bei starken Schmerzen verschrieben. Jetzt soll in den USA sogar das Militär eingreifen…

Bereits 1972 hat der ehemalige US-Präsident Richard Nixon „War on Drugs“, den Krieg gegen die Drogen erklärt.

Ausschlaggebend war dabei die starke Zunahme des Heroinkonsums in Folge des Vietnamkrieges. Amerikanische Drogenhändler schmuggelten in Kooperation mit ehemaligen Soldaten der chinesischen Kuomintang und einzelnen US-Militärs Heroin in die USA. (Hierzu die Filmempfehlung: „American Gangster“). Schätzungen zufolge waren 1971 10 bis 15 Prozent der US-Soldaten dort Heroinkonsumenten. Dies führte 1973 zur Gründung der Drogenbekämpfungsbehörde DEA.

In den späten 70er und 80er Jahren trat mit dem Kolumbianer Pablo Escobar und seinem Medellín-Kartells eine neue zentrale Figur im amerikanischen Drogenkrieg auf. 1983 und Anfang 1984 war er der erfolgreichste Kokainhändler der Welt. Die Bekämpfung von Pablo Escobar gestaltete sich als schwierig. Seine Kombination hieß Zuckerbrot und Peitsche: in Form zahlreicher sozialer Wohltaten für die Bevölkerung und gleichzeitiger skrupelloser Brutalität gegenüber allen Konkurrenten oder Widersachern. Die Situation eskalierte am 30. April 1984, als in Folge der Zerstörung von Escobars Hauptdrogenlaboren durch das kolumbianische Justizministerium – in Zusammenarbeit mit der DEA – der Drogenboss den kolumbianischen Justizminister ermorden ließ.

Carlos Gil Castano, früher Mitglied im Medellin-Kartell, (später Anführer der paramilitärischen rechtsgerichteten Organisation Autodefensas Unidas de Colombia „AUC“ ), gründete mit weiteren ehemaligen Medellíns und Militärs die Todesschwadron „Perseguidos por Pablo Escobar“ kurz „PEPEs“. Dies erfolgte mit Unterstützung der kolumbianischen Regierung, der vom US-Militär unterstützten Polizeieinheit „Bloque de Búsqueda“ und Vertretern von DEA und CIA.

Ziel: Die Liquidierung Pablo Escobars. Als irreguläre Einheit töteten die Todesschwadron allein in Medellín mindestens 300 Personen aus dem Umfeld Pablo Escobars. Am 2. Dezember 1993 wurde Pablo Escobar dann selbst bei einer Razzia von kolumbianischen Spezialkräften erschossen.

Die Lücke von Pablo Escobar wurde schnell gefüllt von den linken Guerilleras Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia „FARC“. Die übernahmen nicht nur die Drogengeschäfte des Kartells, sondern drängten die Regierung aus vielen Bezirken und übernahmen dort selbst Verwaltung und Besteuerung. Dies führte im Jahr im 1997 zur Gründung der o.g. AUC mit dem Ziel, die kommunistische Bedrohung durch die Guerillas zu beseitigen. Interessanter Weise finanzierte sich die AUC ebenfalls durch den Kokainhandel. In den Jahren 1996 bis 2000 gelang es der FARC mehrfach, große Eliteverbände der kolumbianischen Armee aufzureiben.

Das veranlasste US-Präsident Bill Clinton im Jahr 1999 zur Verabschiedung des „Plan Columbia“, des bis dato größten US-Militärhilfeprogramm in der Geschichte Lateinamerikas (3,7 Milliarden US-Dollar). Clinton sagte: „Wir verfolgen kein militärisches Ziel. Wir unterstützen den Friedensprozess.“

Offiziell als „Drogenbekämpfungsprogramm“ deklariert, konzentrierte sich der „Plan Columbia“ auf eine Modernisierung der Militärgeheimdienste, den Aufbau neuer Anti-Guerilla Einheiten und der Stärkung der Luftwaffe. Der Kolumbien-Experte Raul Zelik fasst die Situation zusammen „Dieses Vorgehen der US-Behörden lässt sich zum einen sicherlich mit der pragmatischen Überlegung erklären, dass man – wenn man den Drogenhandel schon nicht zerschlagen kann – interne Fraktionierungen vertiefen und den jeweils bedrohlichen erscheinenden Gegner auszuschalten versuchen sollte.“

Nun sind es die mexikanischen Kartelle, die für die neue Überschwemmung mit der Zombie-Droge verantwortlich sind. Auch ihre Taktiken setzen auf Guerilla-Methoden.

Dazu kommt, dass es der mexikanische Präsident Andres-Lopez-Obrador vorgezogen hat, eine gewaltsame Konfrontation mit den Kartellen zu vermeiden und stattdessen appelierte er naiv an die Drogenbosse: „Sie hätten doch auch Mütter, die ihren Tod beweinen würden“ und er wolle „Gewalt nicht mit Gewalt bekämpfen“. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte im November 2019 versucht, die Drogensituation unter Kontrolle zu bekommen, indem er die mexikanische Drogenkartelle künftig als „terroristische Organisationen“ behandeln wollte. Dies hätte zu einem Konflikt mit der mexikanischen Regierung geführt, da es der US-Regierung dadurch gestattet gewesen wäre, direkte Operationen zur Bekämpfung der Kartelle auf mexikanischen Boden durchzuführen.

Präsident Joe Biden setzt auf eine engere Zusammenarbeit mit Mexiko. Deren Erfolg ist strittig, weil sich Joe Biden weigert, die illegale Migration aus Mexiko stärker zu bekämpfen. Sein mexikanischer Amtskollege López Obrador forderte zudem im Januar diesen Jahres ein Ende „der Geringschätzung Lateinamerikas“. Es ist daher zu vermuten, dass der Kampf gegen die Drogen erst nach der Wahl in den USA wieder entscheidende Früchte tragen wird. Und die neue Regierung vielleicht auf einen „Plan-Mexico“ zurückgreifen wird?

Bildquelle:

  • Polizei vernichtet Kokain: dpa

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