Ich mag weder Frau Merkel noch Regenbogen-Strahler: Aber den deutschen Selbsthass werde ich nie begreifen

Liebe Leserinnen und Leser,

na, auch Fußball geguckt vorhin? Natürlich, die meisten sicher. Man kann sich der Faszination eines globalen Sportturniers einfach nicht entziehen. Das geht mir mein ganzes Leben so. Vor Olympischen Spielen ist es immer besonders schlimm, denn selbst zwei Tage vor der Eröffnungsfeier interessiert mich das alles einen Sch…, null, wollte ich sagen. Bogenschießen, Beachvolleyball – ok, unter Sexismus-Gesichtspunkten schaue ich mal rein, auch weil sich die Emanzen-Bubble erregt über die knappen Höschen der Damen – oder Dressurreiten. Sportlich interessiert mich das mit ganz wenigen Ausnahmen überhaupt nicht.

Und dann beginnt es, man schaut aus Langeweile mal kurz rein und hängt morgens um Vier immer noch vor der Glotze, um die Vorrunde im Stabhochsprung nicht zu verpassen.

Und wissen Sie, warum das so ist? Weil es um UNS geht, um Deutschland, um die Besten von uns, die sich da mit den Besten der anderen Ländern messen. Nicht aus Rassismus-Gründen, nicht aus nationalem Größenwahn, sondern weil es in unseren Genen liegt, vor allem in denen von uns Männern. Wir wollen uns messen, wir wollen kämpfen, und wir wollen vor allen Dingen gewinnen – das ist unser Ansporn, deshalb sind wir so wie wir sind. Und wir sind das gern, und wir wollen gar nicht anders sein, auch wenn uns ein paar männliche „Metrosexuelle“ geschminkt in der Berliner U-Bahn in Hochglanzmagazinen gezeigt werden.

Das verbindende Element, der gemeinsame Nenner für uns – besonders beim Fußball – das ist Deutschland. Unser Land, schwarz-rot-gold, unsere Geschichte, unsere Erfolge, unsere Niederlagen. Ich habe lange gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen, um was es eigentlich geht, wenn wir über solche internationalen Sportveranstaltungen reden, über den Exportüberschuss, der sogar die Amis kirre macht, über unsere Autos made in Germany, die besten Autos der Welt. Es geht um uns, um Deutschland, um unsere – Achtung! – Identität. Als Deutsche. Nach diesem Beitrag habe ich Aussicht auf eine Erwähnung im nächsten Verfassungsschutzbericht, denke ich. Aber pfeif‘ drauf, ich bin alt und weiß und ein Mann.

Man kann stolz auf sein Land sein, ohne Frau Merkel gut finden zu müssen oder diese Schwachsinns-Debatte über die (leider extrem erfolgreiche) Regenbogen-PR-Aktion der deutschen Homo-Lobby zu unterstützen. Jeder, der meine Texte liest, weiß, dass ich bei vielen Themen leide wie ein Hund unter dieser Politik und vielen Fehlentwicklungen in der Gesellschaft. Ich schreibe jeden Tag darüber, aber Freunde: Das ist unser Land, das ist mein Land, und das ist auch gut so.

Ich hätte mich gefreut, wenn Ungarn auch ins Achtelfinale gekommen wäre, das ist doch keine Frage. Ich mag die Ungarn, das wirklich bodenständige Gegenmodell zur EU und allem, was wir mit Brüssel meinen und teilweise verachten. Ich mag Orbans widerspenstige Art, und dass er die Familienpolitik zum Kern seiner Regierungsarbeit macht. Ich mag das deftige Essen, das man in Ungarn so wunderbar zubereitet, das Gulasch (Pörkölt), Paprikahuhn (paprikás csirke), und die ungarische Salami, die wir uns hier im Rewe immer frisch schneiden lassen.

Aber wenn Deutschland gegen Ungarn antritt, dann soll ich für Ungarn sein? Als Deutscher? Entschuldigen Sie, aber das ist krank. Würde irgendein Ungar vor dem Fernsehapparat in Budapest für Deutschland jubeln wegen Politik? Oder Stadionbeleuchtung? Würden die Menschen irgendeines anderen Landes auf dem Globus das tun? O.k., ein paar Ösis vielleicht, die sind auch gern schlecht drauf. Aber dieser grassierende Selbsthass unter uns Deutschen ist erschütternd. Hängt sicher auch mit der deutschen Geschichte zusammen. Ein großer Teil ist auch dem zwanghaften automatischen Dagegensein geschuldet. Gegen Alles. Politik doof, Land doof, Grüne doof, Impfen doof, alles doof. Der Euro ist auch doof, aber niemand käme auf den Gedanken, sich sein Gehalt in Rubel auszahlen zu lassen.

Dies ist immer noch ein freies Land: Wenn Sie für Ungarn gejubelt haben gestern – hey, schön für Sie. Hätte Ungarn gewonnen gestern, hätte ich Ihnen den Spaß gegönnt, aber ich hätte ihn nicht verstanden. Und wenn Sie beim nächsten Spiel gegen Deutschland zu England halten, auch ok. Und dann die nächsten drei Spiele gegen irgendwen, welches Land auch immer. Essen Sie Kartoffelchips, trinken Sie Bier und pflegen Sie Ihren Selbsthass! Und wenn Deutschland am Schluss Europameister geworden ist, dann ist halt Merkel schuld oder der falsche Impfstoff oder was auch immer. Denn auch das ist eine Wesensart von uns Deutschen geworden: Hauptsache wir sind schlecht drauf.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.