«Deutschland verliert mit Hildegard Hamm-Brücher eine herausragende Demokratin – und eine der letzten politischen Akteurinnen, die unsere Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg mitaufgebaut haben», erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag in Berlin. Bundespräsident Joachim Gauck nannte sie ein Vorbild für jüngere Generationen. «Hildegard Hamm-Brücher besaß Anstand und Maß und war offenen Sinnes für andere und Andersdenkende.»
Über Jahrzehnte hatte Hamm-Brücher die Politik der Liberalen geprägt – beispielsweise als Staatsministerin im Auswärtigen Amt unter Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Sie galt als «Grande Dame» der FDP.
1921 in Essen geboren, wuchs sie nach dem frühen Tod ihrer Eltern bei ihrer jüdischen Großmutter auf. Nach dem Abitur 1939 studierte sie Chemie in München und promovierte 1945. Während dieser Zeit schützte ihr Doktorvater, der Nobelpreisträger Heinrich Wieland, sie vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten.
Nach dem Krieg beschloss Hamm-Brücher, in die Politik zu gehen. 1948 wurde sie für die FDP in den Münchner Stadtrat gewählt. 1950 wurde sie FDP-Abgeordnete im bayerischen Landtag. Von 1976 bis 1990 saß sie für die Liberalen, deren stellvertretende Bundesvorsitzende sie 1972 wurde, im Bundestag.
Die Krönung ihrer Laufbahn blieb ihr versagt. 1994 kandidierte Hamm-Brücher für das Bundespräsidentenamt. Doch im dritten Wahlgang opferte ihre Partei sie dem Koalitionskalkül – Staatsoberhaupt wurde Unionskandidat Roman Herzog. Nach 50 Jahren in der FDP gab Hamm-Brücher 2002 ihr Parteibuch ab – wegen antiisraelischer Äußerungen des damaligen Parteivizes Jürgen Möllemann.
2015 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand. Doch trotz zweier Oberschenkelhalsbrüche, Gedächtnislücken und Gleichgewichtsstörungen verfolgte sie die Entwicklungen in der Politik weiter. Bis ins hohe Alter schrieb sie Bücher und trat öffentlich auf. Hamm-Brücher war seit 1954 mit dem – 2008 gestorbenen – Juristen und CSU-Kommunalpolitiker Erwin Hamm verheiratet. Sie hinterlässt einen Sohn und eine Tochter.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) würdigte Hamm-Brücher für ihre Verdienste um Freiheit und Demokratie. «Wir verlieren mit ihr eine der ersten Frauen, die sich im Auswärtigen Amt und weit darüber hinaus für Demokratie und Freiheitsrechte eingesetzt hat», sagte er in Hamburg. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth erklärte: «Ich trauere um ein großes Vorbild.»
Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nannte Hamm-Brücher den «Inbegriff der gelebten Bürgergesellschaft». «Hildegard Hamm-Brücher war eine aufrechte und leidenschaftliche Demokratin, liberale Streiterin, Kämpferin gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Ohne ihr Engagement für Bildung und Demokratie wäre die Bundesrepublik nicht das, was sie heute ist.» (dpa)
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- Hildegard Hamm-Brücher gestorben: dpa