Heute vor 40 Jahren starb eine Ikone des Reggae: Bob Marley

Bob Marley

von MARK ZELLER

KINGSTON – Mit Bob Marley starb vor 40 Jahren die unangefochtene Ikone des Reggae. Sein Einfluss wirkt bis heute: Als globaler Wegbereiter der gesellschaftlichen Botschaft im harmonischen Sound, wie als Impulsgeber für die Musikwelt.

Sonntagnachmittag, der erste „Sommertag“ des Jahres. Sonnenschein, Autoscheibe runter und Musik an: „Vaiting in vain“. Das weiche und rhythmische Instrumental-Intro beamt einen sofort raus aus dem Stadtverkehr, hinein in eine sonnige Bucht mit schattenspendenden Palmen, sanft schäumenden Wellen und leichter Brise. Nach 13 Sekunden ertönt die Stimme des Meisters. Wie vielleicht kein zweiter Musikstil steht Reggae für ein ganzheitliches Lebensgefühl, und wie kein zweiter Interpret steht Bob Marley für Reggae.

Diese bis dato eher als exotische Nische betrachtete Musikrichtung ist in seiner Heimat Jamaika in den 1960er Jahren zwar längst tonangebend, aber um sie zum weltweiten Export-Schlager zu machen, braucht es einen hervorragenden Musiker und eine charismatische Persönlichkeit. Marley ist beides. Mit ihm wird der Reggae global erfolgreich und zum musikalischen Impulsgeber für andere Künstler und neue Musikstile. Sein Erfolgsgeheimnis: Er mixt den Sound des ewigen Sommers mit verschiedenen Pop-Elementen zur musikalischen Botschaft im radiotauglichen Gewand – und bietet damit fortan vor allem für viele Europäer einen musikalischen Sehnsuchtsort.

Und dieser besondere Mix fußt in Marleys besonderer Vita, die von Beginn an von Brüchen geprägt ist. Geboren wird er als Robert Nesta Marley, als Sohn eines 60-jährigen englischen Marineoffiziers und einer 18-jährigen Jamaikanerin, deren Beziehung als Skandal gilt und nicht lange hält. Erste Hits landet er gemeinsam mit Bunny Wailer und Peter Tosh als „Wailing Wailers“, ehe er sich, nicht zuletzt infolge eines USA-Aufenthalts zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung, der Rastafari-Bewegung zuwendet. Und das bringt nachhaltigen Einfluss auf seine Texte.

Er besingt ganzheitliche Ansätze: Liebe, Gewaltlosigkeit, gleichberechtigte Formen des Zusammenlebens, Einklang mit Natur und eine tiefe Beziehung zu Gott. Und der Reggae ist sein Medium.
Marleys globale Mission beginnt 1972 mit einem Plattenvertrag bei Island-Records, der ihm und seiner Band „Wailers“ als erstem jamaikanischer Musiker ermöglicht, eine Platte unter modernsten Bedingungen zu produzieren. Passenderweise genau zu der Zeit, in der man in der westlichen Welt die Grenzen des Wachstums diskutiert und alternatives Denken einsetzt. Im Sommer 1975 spielt die Band erstmals in Europa. Der dabei entstandene siebenminütige Mitschnitt ihres legendären London-Konzerts mit dem Song „No Woman, No Cry“ wird ihr erster Top 10-Hit in UK.

Botschafter der Dritten Welt.

Als im Vorfeld eines politischen Konzerts im Dezember 1976 ein Attentat auf ihn und seine Familie verübt wird, geht Marley vorübergehend ins Exil nach London, wo er in den beiden darauffolgenden Jahren die Erfolgs-Alben „Exodus“ und „Kaya“ aufnimmt. Von seiner Ausrichtung nach Versöhnung bringt ihn das jedoch nicht ab. Ebenso belässt er die Bindung an seine Wurzeln im Zentrum seiner Musik. Damit schärft er das Bewusstsein für die Probleme der karibischen Völker und wird im Westen zunehmend zum „Botschafter der Dritten Welt“.

Aber, und das unterscheidet ihn von seinen Pendants aus Rock, Punk oder der westlichen Linken: Marley tut das weniger laut herausschreiend und übertönend, nicht besserwisserisch von oben herab, sondern in harmonischem Gewand, mit einer für schwere Themen nie dagewesenen Lässigkeit und Entspanntheit. So prägt er den Soundtrack einer friedliebenden Ära mit einem wohltuenden Gegenentwurf zum ansonsten meist lärmenden Lamento jener Jahre.

Trotzdem, und wie so oft in solchen Fällen, hält der Realitäts-Abgleich des Menschen Marley dem fast vergötternden Kult um seine Person nicht stand. Der häufig so betitelte „sanfte Revolutionär“ gilt als machtbewusst und als rücksichtslos im Umgang mit seinen Musikerkollegen. Und seine Botschaft allumfassender Liebe „predigt“ Marley nicht nur in seiner Musik – er lebt sie! Offiziell anerkannt hat Marley hat zwölf Kinder, die Dunkelziffer liegt bei 46. All das stört die um ihn entstandene Häkelmützen-Folklore allerdings genauso wenig, wie die Tatsache, dass bei genauerem Betrachten die Rasta-Ideologie durchsetzt ist von Rassismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit.

Dass von Marley stattdessen ein Studentenwohnheim-kompatibles Wunschbild gezeichnet wird, daran arbeitet nicht zuletzt seine Witwe Rita, die den auf über 600 Millionen US-Dollar geschätzten Nachlass verwaltet. Ihr Credo: „Bobs Musik überliefert die Botschaft von Hoffnung, Einheit und Liebe.“ Sowas taugt ungebrochen zum Poster-Boy für Feierabend-Weltverbesserer.

„Marke Marley“ und Posthum-Erfolg.

Wie sehr der Aufbau Marleys als Marke funktioniert, zeigt sich auch am kommerziellen Erfolg, deren größerer Teil erst nach seinem Tod einsetzt. So erschien auch seine „Greatest-Hits“-Sammlung „Legend“ posthum und wurde nicht nur zur weltweit meistverkauften Reggae-Scheibe, sondern gehört mit über 25 Millionen (!) Exemplaren auch zu den 15 meistverkauften Musikalben aller Zeiten. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Erst im vergangenen Sommer chartete der Deutsche Produzent Robin Schulz mit einem neuen Remix von „Sun is Shining“.
Insgesamt zählt Marley mit mehr als 75 Millionen verkauften Tonträgern zu den erfolgreichsten Interpreten aller Zeiten. Hits wie der Party-Klassiker „Could you be loved“, der Schmachtfetzen „Is this love“, die Widerstands-Hymne „Get Up, Stand Up“, der „Buffalo Soldier“, „I Shot the Sheriff“ und „Stir It Up“ gehören zum kollektiven Musikgedächtnis. Und vor allem sie sind es, die dafür sorgen, dass ein Mensch immer noch äußerst präsent ist, auch wenn er bereits länger nicht mehr unter uns weilt, als er überhaupt gelebt hat. Denn sein Tod ereilte ihn auf seinem Zenit.

Als Marley im Herbst 1980 mit einer Tour durch die USA auch dort seinen endgültigen Durchbruch feiert, wird bei ihm eine unheilbar fortgeschrittene Krebserkrankung diagnostiziert. Als letzten Heilungs-Versuch begibt er sich nach Bayern in die Hände eines alternativmedizinischen Therapeuten. Vergeblich. Und auch sein Wunsch, in seiner Heimat zu sterben, erfüllt sich nicht. Bob Marley stirbt am 11. Mai 1981 im Alter von gerade einmal 36 Jahren auf dem Rückweg von Deutschland nach Jamaika, in einer Klinik in Florida – bittersüß möchte man anmerken: im „Sunshine State“.

Sein sonniges Erbe aber strahlt bis heute. Für die einen als wohldosierte musikalische Entspannung, für die anderen als Klang-Kunst mit Botschaft. In jedem Falle in Form von Musik, die man fühlt. Heute, wie damals. Sogar an einer roten Ampel im Stadtverkehr.

Bildquelle:

  • Bob_Marley: universal music

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