von PETER WINNEMÖLLER
Der Papst hat erneut überrascht. Katholiken können künftig bei Priestern der Piusbruderschaft gültig heiraten. Wir erinnern uns: Als Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft aufhob, tobte selbst die Bundeskanzlerin wider den Papst. Einer der Bischöfe erwies sich als Leugner des Holocaust. Zugegeben, man hätte es im Vatikan wissen und Bischof Williamson ausnehmen können. Doch unterm Strich ist eine Exkommunikation erstmal eine interne Angelegenheit der Kirche, die niemanden außerhalb der Kirche etwas angeht. Die Aufhebung der Exkommunikation bezog sich auf die erfolgte verbotene Bischofsweihe, nichts anderes spielte dabei eine Rolle. Es war ein reiner Akt der Gnade. Die bestehende Wunde sollte geheilt werden. Wofür Benedikt hart gescholten wurde, wird bei Papst Franziskus kommentar- und nachrichtenlos zur Kenntnis genommen. Keine einzige überregionale Zeitung in Deutschland brachte einen nennenswerten Bericht oder Kommentar zu dieser päpstlichen Maßnahme.
Die Bischöfe und Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X sind weiterhin suspendiert. Es ist ihnen im Grunde nicht erlaubt, ihre Weihevollmachten auszuüben. Davon gibt es allerdings neuerdings einige Ausnahmen. Seit dem Jahr der Barmherzigkeit dürfen Priester der Piusbruderschaft die Beichte hören und sowohl gültig als auch erlaubt die Absolution (=Zusage an den Gläubigen, dass seine Sünden nun von Gott vergeben sind) erteilen. Nun hat ihnen der Papst auch die Eheassistenz grundsätzlich erlaubt. So nennt man das, was der Volksmund trauen nennt. Nicht der Priester traut die Eheleute. Sie müssen sich schon selber trauen. Katholiken müssen, um eine gültige Ehe einzugehen, die Formpflicht einhalten. Diese gebietet, dass ein von der Kirche damit beauftragter Priester, in der Regel der eigene Pfarrer, den Ehekonsens der Brautleute entgegen nimmt, für die Kirche bezeugt und die Ehe im Auftrag der Kirche segnet. So nur kommt eine gültige Ehe zustande.
Die bislang vor Priestern der Piusbruderschaft geschlossenen Ehen genügten nicht der Formpflicht und sind damit ungültig. Diese Ungültigkeit ist allerdings leicht zu heilen. Man nennt das Sanatio in radice. Dies könnte der Papst für alle in der Vergangenheit bei Priestern der Piusbruderschaft geschlossenen Ehen tun. Es könnte auch der Ortsbischof für jeden Einzelfall tun.
Ab jetzt genügen katholische Brautleute auch dann der Formpflicht, wenn ein Priester der Piusbruderschaft mit der entsprechenden Trauvollmacht ausgestattet ist. Der Ortspfarrer oder der Ortsbischof können diese Beauftragung aussprechen. Eine solche Beauftragung ist immer dann nötig, wenn die Trauung in einer anderen Gemeinde als der eigenen Heimatgemeinde stattfinden soll oder wenn ein anderer Priester die Eheassistenz leisten soll. Dies ist nun also auch bei Priestern der Piusbruderschaft möglich. Papst Franziskus setzt hier den eingeschlagenen Weg der Einigung mit einseitigen Maßnahmen durch den Papst fort. Damit wählt er einen ganz anderen Weg als sein Vorgänger, verfolgt aber dasselbe Ziel.
Am Ende dieses Einigungsprozesses wird dem Vernehmen nach wohl die Errichtung der Bruderschaft als Personalprälatur erwogen. Damit hätte die Bruderschaft eine innerkirchliche Rechtsform, die in etwa einem Bistum gleichzusetzen ist. Zwar blieben die Gläubigen die der Bruderschaft nahe stehen weiter in der Jurisdiktion ihres Ortsbischofs, die Priester jedoch wären in der Bruderschaft inkardiniert und damit nicht in der Jurisdiktion eines Bistums. Das Vergleichbar mit Ordenspriestern, die ebenfalls nicht in der Jurisdiktion des Bischofs sind.
Sollte dieser letzte Schritt noch gelingen, was inzwischen durchaus realistisch ist, wäre es den Päpsten Benedikt XVI. und Franziskus gelungen, ein Schisma zu heilen. Das wäre eine Sensation, denn ein Schisma ist im Grunde nicht heilbar. Man erkennt das auch daran, daß Teile der Piusbruderschaft diesen Weg nicht mitgehen wollen und vermutlich auch nicht mitgehen werden. Das ist traurig aber Fakt. Ganz zu heilen wird auch dies Schisma nicht sein. Es ist der Makel der Erzbischof Lefebvre immer anhaften wird, die von ihm gegründete Bruderschaft und ihr wichtiges Anliegen der Bewahrung der liturgischen und dogmatischen Tradition der Kirche durch seine unerlaubten Bischofsweihen ins Schisma geführt zu haben.
Es ist ein Glück und ein Segen für die Bruderschaft, daß ihnen zwei Päpste so gewogen sind. Papst Benedikt XVI. brachte ihrem Anliegen große Sympathie entgegen. Als großartiger Theologe war er allerdings in der Lage, die Fehler der Bruderschaft überdeutlich zu sehen und zu benennen. Seine Stärke war zugleich eine Schwelle, die die Bruderschaft nicht überspringen konnte. Dogmatische Einigungen stehen in der Tag noch aus. Sie werden in der einen oder anderen Art noch zu leisten sein.
Papst Franziskus hat ein Herz für „die am Rande“ und offensichtlich sieht er auch die Traditionalisten genau dort stehen. Für die am Rande läßt der Papst auch dogmatisch mal fünfe gerade sein, wenn es ihm wichtig erscheint. Das genau ist das Erklärungsmuster für die Öffnung der Wege, die gerade jetzt erfolgt. Inhaltlich, da mache sich niemand Illusionen, könnte man gar nicht weiter voneinander entfernt sein als der Papst und die Bruderschaft.
Man mag sich die Augen reiben, doch Papst Franziskus ist auf bestem Wege, die Piusbruderschaft wieder voll in die Kirche zu integrieren.
Wenn da mal nicht der Heilige Geist seine Finger im Spiel hat. Und dabei ist noch nicht einmal Pfingsten.
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