von KLAUS KELLE
BERLIN – Sie glauben, Wahlen werden durch überzeugende Programme der Parteien entschieden? Vergessen Sie’s!
Ein gutes Beispiel ist die derzeitige Entwicklung bei der Linken. Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), „Kanzler der Einheit“, wie er gern genannt wird, nannte die SED-PDS-Linke gern immer mal die „Fußkranken der Weltrevolution“. Und noch vor wenigen Wochen waren sich Demoskopen und Beobachter der Medien einig: Das war’s mit Honeckers Erben!
Das sieht eine Woche vor dem Urnengang nicht so aus
Der Grund für den erstaunlichen Stimmungswandel auf der linken Seite ist nicht die parteiintern „Mission Silberlocke“ genannte Phalanx altgedienter weißer männlicher Genossen wie Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow. Wenn die Linke am 23. Februar wieder in den Deutschen Bundestag einzieht, dann hat sie das einer jungen Genossin zu verdanken, die vor wenigen Wochen kaum jemand von unsereins überhaupt auf dem Schirm hatte: Heidi Reichinnek. Heidi wer?
Die 36-Jährige Merseburgerin (Sachsen-Anhalt) leitet seit 2024 die parlamentarische Gruppe der Linken und ist zusammen mit Jan van Aken Spitzenkandidatin ihrer Partei zur Bundestagswahl.
Und die Frau rockt – nicht nur das Hohe Haus – durch launige und angriffslustige Reden.
Der eigentliche Grund für den Heidi-Hype ist ihr Erfolg in den Sozialen Medien. Auf TikTok ist sie inzwischen ein richtiger Star, hat viele der bisher führenden aktiven AfDler bei den Zugriffszahlen überholt. Provokant und markig sind ihren Hunderte Beiträge. Plattformübergreifend hat sie inzwischen eine Reichweite von 845.000 Followern, mehr als der vermutlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), hat wikipedia festgestellt. Dort lernen wir auch, dass es einen Rapper namens MC Smmok gibt, der ihr einen eigenen Song mit dem Titel „Heidi Reichinnek“ gewidmet hat. Darin rappt er: „Wenn ich denke, will ich denken wie Heidi“.
Die Veranstaltungen von ihr im Wahlkampf sind oftmals überfüllt, die Frau hat eine Dynamik, die Sahra Wagenknecht längst verlorengegangen ist.
Ihr BSW ist in den Umfragen inzwischen unter die Fünf-Prozent-Grenze gerutscht, allerdings mit einer Fehlertoleranz, die einen Einzug des BSW natürlich immer noch möglich erscheinen lässt. Aber im Duell der sozialistischen Russland-Lausprecher hat Heidi derzeit klar die Nase vorn.
Bildquelle:
- Heide_Reichinnek_LIN: deutscher bundestag