BERLIN/MÜNCHEN – Die Stimmung in den Unionsparteien ist auch über die Ostertage mit nervös nur sehr unzureichend beschrieben. Zwischen Ostern und Pfingsten soll entschieden werden, wer für CDU und CSU als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl am 26. September zieht. Das haben die beiden potenziellen Kandidaten der Union, Armin Laschet und Markus Söder, versprochen. Doch von besinnlicher Osterruhe und brüderlicher Einigkeit ist wenig zu spüren: CSU-Chef Söder stichelt weiter gegen Laschet, den Vorsitzenden der großen Schwesterpartei. Und Sylvia Pantel, einer der Sprecherinnen des konservativen „Berliner Kreises“ in der gemeinsamen Bundestagsfraktion fordert erst jüngst in TheGermanZ, die Spitzenkandidaten durch einn Mitgliederentscheid wählen zu lassen. Dafür müsse man aich die Kandidatenliste noch einmal öffnen und auch Ralph Brinkhaus und Friedrich Merz erneut in Betracht ziehen.
Spaltet die K-Frage ausgerechnet im Bundestagswahljahr die Union? Nach der Migrationskrise 2015 waren CDU und CSU fast auseinander geflogen. Zumindest inhaltlich schienen die Unionsschwestern zuletzt wieder versöhnt. Doch nun fragt man sich in der CDU: Findet die Union im Wahlkampf die für ihre Anhänger so wichtige Einigkeit? Viele halten das neben einem besseren Corona-Management für eine der wichtigsten Bedingungen, um aus dem Umfragetief aufzutauchen. Teils liegt die Union ja nur noch ein paar Pünktchen vor den Grünen. Und nun zeichnet sich ab, dass der frühere Verfassungsschutz-Chef Hans Georg Maaßen in einem Wahlkreis im Süden Thüringens für die CDU für ein Bundestagsmandat kandidieren wird. Viel Zustimmung dafür an der Basis, blankes Entsetzen beim Merkel-Clan in Berlin und ihren Statthaltern in der Thüringer CDU-Zentrale.
Die Oster-Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten stoßen in der CDU-Führung manchem sauer auf. «Die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur sollte auch eng mit Angela Merkel abgestimmt werden», sagt Söder der «BILD am Sonntag». Ein Kandidat ohne Unterstützung der Kanzlerin könne kaum erfolgreich sein. Lapidare Hinweise eigentlich, die Laschet auch unterschreiben würde. Wäre da nicht Söders Unterton, den sie in der großen Schwesterpartei mitschwingen hören: Der Bayer sieht sich ja sehr eng auf Merkels harter Corona-Linie – und Laschet wohl weniger.
Dann sagt Söder, der in den Werten zur Beliebtheit und Kompetenz seit langem klar vor Laschet liegt, auch noch auf die Frage, ob man solche Umfragen ignorieren könne: «Umfragen spielen natürlich eine Rolle. Sie sind ein wichtiger Maßstab für die Akzeptanz von Personen und Programmen in der Bevölkerung.» Dabei betonen Laschet und andere CDU-Granden seit Wochen, die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur falle unabhängig von der aktuellen Umfragelage. Ein Tritt vor Laschets Schienbein seien die Äußerungen aus München gewesen, ist ein noch zurückhaltender Kommentar.
Die Frage ist nun vor allem: Wie geht Laschet weiter vor? Und wann? Öffentlich angemeldet haben bisher beide ihre Kandidatur fürs Kanzleramt nicht. Sie müssen eigentlich verhindern, dass ein offener Wettkampf die Union zerreißt. Deshalb wollen sie die Frage unter sich klären, das Ergebnis den Spitzengremien ihrer Parteien vorstellen – und sich dann Seit‘ an Seit‘ als geeint kämpfendes Duo präsentieren. Ob das klappt? Laschet, da gibt es in seiner Partei kaum Zweifel, wolle unbedingt Kandidat und Kanzler werden.
Dass sich ein CDU-Chef jede Woche die Direktiven von einem CSU-Kanzler abholen muss, dass ein CSU-Kanzler regelmäßig mit seinen Parteigremien in München tagt und die größere Schwester CDU mit ihrem Vorsitzenden in Berlin quasi am Katzentisch sitzt – für etliche in der CDU-Spitze ist das ein Alptraum.
Intern, so wird kolportiert, gibt sich Laschet selbstbewusst. Er setzt darauf, dass die CDU-Landesverbände und deren Vorsitzende weitgehend hinter ihm stehen – auch im Osten, der früher als Kernland seines Vorsitz-Rivalen Friedrich Merz galt. Zwar wird aus der Unionsfraktion im Bundestag auch von einzelnen CDU-Abgeordneten der Ruf nach Söder laut. Und auch der Name von Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) wird von einigen als Kompromisslösung genannt. Der Hintergrund für solche Vorstöße: In der Fraktion geht wegen der miesen Umfragewerte die Angst um, das Mandat zu verlieren.
Doch allgemein gilt nach wie vor, dass der Chef der größeren Unionspartei quasi das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur hat. Auch Söder weiß: Er kann nur Kandidat werden, wenn Laschet und die CDU ihn darum bitten. Das dürfte der CDU-Vorsitzende wohl höchstens dann tun, wenn er beispielsweise aus dem Kreis des Parteipräsidiums dazu gedrängt würde. Dort sitzen aber die mächtigen Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten der CDU – gerade unter letzteren hat sich Söder mit seinen regelmäßigen Alleingängen in der Ministerpräsidentenrunde keine Freunde gemacht.
Und was will Söder? Strebt er, der viele Monate lang (zuletzt aber seltener) beteuerte, sein Platz sei in Bayern, am Ende doch die Kanzlerkandidatur an?
Punkt eins: Söder kämpft tatsächlich für einen gemeinsamen, härteren Anti-Corona-Kurs von Bund und Ländern. Zwischenzeitlich, Anfang März, hatte er selbst ja, wie auch Merkel, dem Drängen vieler nachgegeben und trotz mancher Warnungen Signale der Öffnung nach langem Lockdown gesetzt. Auch in Bayern sind die Corona-Zahlen wieder nach oben geschnellt. Inzwischen kämpfen die Kanzlerin, er und andere Ministerpräsidenten wieder für einen strikteren Kurs, mit automatischen Notbremsen und allem Drum und Dran.
Auch so könnten also Söders Bemerkungen Richtung Laschet gedeutet werden – als Versuch, alle auf Merkel-Linie zu bringen. Merkel-Stimmen bei der Bundestagswahl gebe es schließlich nur mit Merkel-Politik, sagte er schon vor einigen Wochen. Auch bei der programmatischen Ausrichtung der Union will Söder kräftig mitmischen – weshalb in der CSU-Führung beklagt wird, Laschet habe seinen jüngsten Programm-Vorstoß gar nicht oder jedenfalls zu spät abgesprochen.
Natürlich traut die CSU Söder das Kanzleramt zu, er selbst sich gewiss auch. Doch eine Kanzlerkandidatur wäre mit unabwägbaren Risiken verbunden – für seinen starken Posten als CSU-Chef und Ministerpräsident. Und auch für die CSU-Vormachtstellung in Bayern.
Unter dem Strich können Söders Auftreten und auch seine Sticheleien gegen Laschet wohl so gedeutet werden, dass er seinen Preis und den der CSU hochtreiben und hochhalten will. Es soll eben nicht wie ein Automatismus aussehen, dass die K-Frage auf Laschet zuläuft, auch wenn es womöglich so ist. Deshalb will sich Söder so lange wie möglich im Rennen halten. Denn es geht schon jetzt um Gewicht und Einfluss in der – so hoffen sie auch in der CSU – nächsten Bundesregierung mit einem Unions-Kanzler. Auch wenn der am Ende Armin Laschet heißen mag.
Bildquelle:
- Armin Laschet und Markus Söder: dpa