von KLAUS KELLE
Liebe Leserinnen und Leser,
das Thema schlechthin gestern und wohl auch noch heute ist der Zwölfjährige, der eine Bombe auf dem Weihnachtsmarkt von Ludwigshafen zünden wollte. Wo immer man auch gestern mit Menschen zusammentraf: sie fragten sich, wie so ein kleiner Junge überhaupt in Kontakt mit den barbarischen Mördern vom IS kommen konnte. Warum denkt so ein Junge, der in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert ist, in seinem Zimmer darüber nach, wie er möglichst viele Unschuldige kurz vor dem Weihnachtsfest in die Luft sprengen kann? Was geht in so einem Kopf vor? Als ich zwölf Jahre alt war, spielte ich im Tischtennis-Club, ich durfte im Fernsehen „Bezaubernde Jeannie“ sehen und „Invasion von der Wega“. Meine Klassenkameraden beneideten mich darum, dass meine Eltern das erlaubten.
Und hier sitzen solche Jungs wie ich damals einer war, und chatten mit ihrem IS-Führungsoffizier irgendwo in den Trümmern von Syrien. Was ist eigentlich mit den Eltern dieses Jungen? Haben die nichts bemerkt? War es ihnen egal? Haben sie ihren Sprößling gar angeleitet und bestärkt? Wir wissen es nicht. Aber wir wissen sicher, dass etwas schief läuft in unserem Land.
Als ich in den 90er Jahren als Polizeireporter für einen Radiosender in Berlin unterwegs war, schaute ich oft, wenn ich mit dem Auto morgens um drei Uhr nach Hause fuhr, zu den großen Mietshäufern hoch, wo um diese Zeit immer noch viele Fenster erleuchtet waren. Und oft dachte ich: Was hinter diesen Fenstern wohl gerade vor sich geht? Heute weiß ich: hinter manchen sitzen Kinder und überlegen sich, Menschen zu töten.