Gut sein, etwas Gutes tun? Am Ende geht es Unternehmen immer um Profit

von MARTIN D. WIND

BERLIN – Menschen mit Behinderung, Menschen mit asiatischen Vorfahren, mit Ahnen in den arabischen Ländern, von der Levante, aus Südamerika, Menschen aus der Subsaharazone, deren Nachfahren, Menschen mit von der Norm abweichender geschlechtlichen Orientierung oder Selbstdefinition, meinen Sie tatsächlich, große, milliardenschwere, internationale Konzerne oder aber auch irgendwelche Kaffeeketten, Schnellfress-Restaurants, Turn- und Gymnastikschuppen oder was auch immer sich da irgendwie mit einer „besonderen Unterstützung“ Ihres Anliegens hervorzutun scheint, habe ernsthaft Interesse an Ihnen und Ihren Problemen?

Es mag da ein paar Gutmeinende geben, die sich wahrlich bemühen werden. Aber Sie haben es nicht mit sozial-caritativ engagierten Mitmenschen, sondern mit Geschäftsleuten zu tun! Was machen Geschäftsleute? Richtig: Geschäfte! Schauen Sie sich einfach die Werbung einer bestimmten Kaffeerösterei an, die Klamottenwerbung bei bestimmten Handelsmarken und die Darstellung der Gesellschaft durch einen skandinavischen Möbelbausatzvertreiber. Oder schauen Sie ins Fernsehen: Wird da noch die deutsche „Gesellschaft“ in ihrer Realität abgebildet? Doch zurück zum Geschäft!
Was ist ein Geschäft. Ein Geschäft ist ein Schritt innerhalb einer Wertschöpfungskette. Egal was auch immer der Mehr- und Nährwert sein mag, der an die Konsumenten gebracht werden soll, die „Geschäftemacher“ sorgen in jedem Fall dafür, dass sie sich bestenfalls „die Sahne“ abschöpfen können. Daran ist nichts Verwerfliches, solange wir Konsumenten mit der gelieferten Ware oder der erbrachten Dienstleistung zufrieden sind. Was passiert, wenn das nicht der Fall ist, zeigt derzeit exemplarisch ein schienengebundenes Transportunternehmen, das bekanntlich auch einige der Interessen kleiner Partikulargruppen offensiv zur Schau stellt, im Kerngeschäft aber eine grottenschlechte Performance abliefert.

Sei´s drum.

Geschäftsleute suchen immer nach Menschen, die bereit sind, Ihnen für möglichst wenig, möglichst viel Geld zu geben. Dafür schaffen sie Anreize. Inzwischen scheint jedoch der klassische Verführungsmarkt ausgereizt: Es genügt nicht mehr, dass man suggeriert, dass die Automarke sozialen Aufstieg und gesellschaftlichen Stand sichtbar mache. Es genügt nicht mehr, dass die All-Inclusiv-Reise signalisiert, dass „man gesettelter Bildungsbürger“ sei. Es genügt nicht mehr, dass Mode zeigt, dass man „auf der Höhe der Zeit“ unterwegs sei. Das hat sich in der öffentlichen Meinung und Darstellung totgeritten. Also muss was Neues her. Man tut nun durchgeistigt, „intellektuell“ ganz vorne und hat säckeweise Moralin aufgesogen. Das Ziel der neuen Selbstoptimierungund Außendarstellung: „Gut sein“.
Wie kann man das besser als mit vorgeblich fürsorglichem Einsatz für die Armen und Geknechteten, die Unterdrückten, Diskriminierten, die Unsichtbaren und die angegriffenen anderen „Guten“. Wenn man sich da einbringt, dann trieft man vor „Gutsein“. Das wissen die Geschäftsleute. Und Geschäftsleute wissen auch sehr genau, dass gesellschaftlich Honoriertes sich in klingende Münze wandeln lässt. Also geht man eben mit und tut ungemein „philanthrop“, „menschenfreundlich“ und „human“, liebevoll zugewandt und wohltätig.

Sie, die Mitglieder klar definierbarer Minderheitengruppierungen, sind Geschäftsfelder. Sie haben Geld, sei sollen konsumieren. Nun kommt jemand, der Ihnen vorgaukelt, er nähme Sie, Ihre Probleme und Interessen ernst. Was meinen Sie, bei wem Sie eher Ihr Geld ausgeben? Bei jemandem, der Menschen gleich behandelt, so wie das der Natur der Menschenwürde nach die Regel sein sollte? Oder bei jemandem, der Ihnen überbordende Aufmerksamkeit vorgaukelt? Wir sind Menschen, wir sind eitel, wir sind vorteilsfixiert, wir sind schwach und verführbar.
Und schon haben uns die Sirenen am Haken: Wir geben unser Geld derjenigen, die am besten heuchelt, dass Sie „inclusiv“ sei, dass sie sich „einsetze“ und „sichtbar machen“ wolle. Ist das nicht schön? Wenn man als eine von vorgeblich acht Milliarden Personen auf diesem Erdenrund endlich mal so richtig in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten kann – und das auch noch mit Etwas, bei dem man bisher immer davon ausging, dass es einem selbst permanent zum Nachteil gereicht?

Toll!
Oder?
Schön wär´s.

Am Ende geht es für all diese Fahnenschwinger, Straßenkleber, Krötentransporter, Toilettengestalter und Logokleber nur um Ihr Geld. Ich will Ihnen lieber nicht darstellen, was in den Geschäftsräumen von Gruppierungen breit gegrinst wird, die „Ihre“ Interessen in Gesellschaft, Politik und gegenüber der Wirtschaft vertreten. Das Motto all dieses Strebens: Hauptsache wohlfeil „mutig“ „Zeichen setzen“, ins Studio eingeladen werden, Sprüchlein aufsagen, Empörung darstellen und dabei sechsstellig verdienen.
Es gibt ein paar wenige Überzeugte. Aber das sind so wenige, dass sie schon selbst einen Stuhlkreis in einer Betroffenengruppe bilden könnten. Seien Sie nicht traurig, aber meistenteils sind Sie schlicht und einfach nur zu bewerbende Zielgruppe und Cashcow

Bildquelle:

  • Mensch_Kick: dpa

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