Grundrente, Flüchtlingskinder, Corona-Skandalpapier, 5G: Von Abgeordneten, die die Dinge einfach laufen lassen

Die Abgeordneten beschließen gleich unter dem Radar weitere Einschränkungen von Grundrechten für die Zukunft.

von KLAUS KELLE

BERLIN – Am Freitag steht im Deutschen Bundestag die Erste Lesung des Gesetzentwurfes zur Grundrente für Geringverdiener auf der Tagesordnung.  Das ist insofern interessant, als CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus dem Koalitionspartner von der SPD in der „Zeit“ eine Ansage machte, die den Genossen nicht gefallen dürfte. Brinkhaus nannte zwei konkrete Bedingungen für die Zustimmung der größten Fraktion, nämlich 1) eine „seriöse Finanzierung“ – bekanntermaßen nicht die größte Stärke der Sozialdemokraten – und 2) eine vorherige Bedarfsprüfung, die Arbeitsminister Hubertus Heil und Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) liefern sollten aber nicht geliefert haben. Brinkhaus stellte klar, dass der Gesetzentwurf am Freitag beraten werde, bedeute nicht, dass CDU und CSU die Gesetzesvorlage in der jetzigen Form passieren ließen. Und, damit es auch der Koalitionspartner versteht, setze er die Warnung an die SPD hinterher, die Genossen sollten nicht darauf spekulieren, dass die Union einknickt – wieder einmal, möchte man hinzufügen: „Wer damit rechnet, hat sich vertan.“

Im politischen Berlin stehen der Corona-Lockdown und die anlaufenden Lockerungen der Regeln weiter im Mittelpunkt, doch man spürt, dass auch andere Themen wieder aufs Tapet drängen. Die fehlende Finanzierung der Grundrente ist so eins, dass ursprünglich durch eine Transaktionssteuerfinanziert werden sollte. Doch Brüssel hat erkennen lassen, dass das dort wiederum nicht einfach so durchgewunken wird. Und da wir gerade dabei sind, auch der Kohleausstieg ist immer noch nicht durchfinanziert.

In der regelmäßigen Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Start in die parlamentarische Woche gab es jetzt ungewöhnlich viele kritische Nachfragen. Kritische Nachfragen sind in Zeiten der Kanzlerschaft Angela Merkels nicht gern gehört – im Kanzleramt nicht, am Kabinettstisch nicht und inzwischen auch in der sie tragenden Fraktion nicht. Und doch wurde ein sehr hässliches Thema angesprochen, das in der in Sachen Flüchtlinge und Corona ohnehin aufgeheizten Stimmung unter der Bevölkerung offenbar falsch gespielt wurde mit der kürzlichen Aufnahme von 47 Flüchtlingskindern. Die Voraussetzungen dafür waren vorher unmissverständlich formuliert. Aufgenommen werden sollten Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern, die krank sind. Und wenn sie gesund seien, dann sollten es Mädchen sein. Die 47 Kinder, die in Deutschland landeten waren nicht krank, die Hälfte hatte als Geburtsdatum den 1.1.2006 angegeben, und von den 47 Kindern waren ganze vier Mädchen. Mehr Missachtung der eigenen Beschlüsse geht nicht. In der Unionsfraktion wurde das Thema kurz abgebügelt.

Ebenso das von einem Insider aus dem Bundesinnenministerium verfasste 80-Seiten starke Papier, das den weltweiten Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus‘ als „globale Fehlalarm“ bezeichnet. Die Bundesregierung habe „gravierende Fehlleistungen“ zu verantworten. Der Autor, der inzwischen namentlich bekannt ist, wurde sofort aus dem Ministerium entfernt. Er habe gar keinen Auftrag gehabt und das Dokument ohne Wissen des Ministeriums verfasst und verbreitet.

Mag sein, dass es so war. Vielleicht hat da aber auch ein mutiger Mitarbeiter des BMI Kopf und Kragen riskiert, um gravierende Mängel der Bundesregierung in der Covid-19-Krise ans Tageslicht zu bringen. Zum jetzigen Zeitpunkt, ist die richtige Lesart des Vorgangs nicht seriös zu beurteilen. Merkwürdig nur, wie offenbar aus dem Ministerium orchestriert aus allen Rohren gegen den eigenen Mitarbeiter und seine Motive geschossen wird. Die Führung der Unionsfraktion erstickte eine Debatte über das weitere parlamentarische Vorgehen in dieser Sache im Keim. Ein Abgeordneter schilderte die Stimmung gegenüber TheGermanZ, er habe den Eindruck gehabt, dass die Mehrheit der Fraktion gar nicht so viel über den Vorgang habe wissen wollen. So wie auch die anderen Parteien – außer der AfD. Die hatte bei der Fragestunde mit der Bundeskanzlerin heute das BMI-Papier angesprochen und wurde von Frau Merkel mit einer lapidaren Bemerkung über „andere Meinung als Sie“ aus dem Rennen genommen. Wo sind die Bundestagsabgeordneten, die ihre Pflicht, die Regierung und deren Handeln zu kontrollieren, noch ernst nehmen? Ein paar gibt es natürlich – aber welche Fraktion macht den Skandal um das BMI-Papier zum Thema dort, wo es hingehört? Im deutschen Parlament?

Können Sie sich noch an die hitzige Diskussion über den 5G-Netzausbau in Deutschland erinnern? Über die Sicherheitsfragen in Bezug auf China? Bis zum 1. März sollte der Gesetzentwurf von der Bundesregierung präsentiert werden. Heute ist der 13. Mai – und nichts liegt vor. Was ist da los im Raumschiff Berlin? Wo sind unsere gewählten Repräsentanten bei all diesen Themen? Warum werden all diese Probleme nicht Schritt für Schritt abgearbeitet, sondern einfach bei Seite geschoben?

In diesen Zeiten sind freie, unabhängige und seriöse Medien extrem wichtig für unsere offene Gesellschaft. Gemeinsam mit vielen anderen bürgerlichen Internet-Journalisten bemühe ich mich hier mit einem kleinen Team darum, auch anderen Blickwinkeln eine Öffentlichkeit zu verschaffen. Das ist nur möglich, wenn die Freunde der Meinungsfreiheit unsere Arbeit auch finanziell unterstützen. Wenn Sie dazu in der Lage und willens sind, freue ich mich über jede Unterstützung zum Beispiel durch eine Spende auf unser Konto DE06 33050000 0000 3447 13 oder über PAYPAL hier

Bildquelle:

  • Bundestag_Reichstag: pixabay

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.