GenderSprech: Wenn auch die Kirche dem sprachlichen Zeitgeist nachläuft

von PETER WINNEMÖLLER

Meistens muss der Heilige Paulus dran glauben. „Schwestern und Brüder!“, setzen viele Lektoren den Lesungen aus den Paulusbriefen voran. Im Lektionar steht nur „Liebe Brüder“. In der neuen Einheitsübersetzung der Bibel wird sogar im laufenden Text das Wort „adelphos“ (grch. Brüder) mit Schwestern und Brüder übersetzt. Das ist mindestens unredlich, wenn nicht sogar theologisch problematisch. Es fällt auf, daß in jüngster Zeit auch in anderen Texten in der Kirche plötzlich irgendwelche unmotiviert gegenderten Formulierungen auftauchen. Das neue Gotteslob hat die Brüder mit Stumpf und Stil ausgerottet. Manche Liedtexte sind förmlich entstellt.

Es wird viel über liturgische Sprache diskutiert. Seit nunmehr 15 Jahren liegt in Rom die dritte Editio typica des römischen Meßbuches in Latein vor. Die Bischofskonferenzen sind gehalten, diese in eine landessprachliche Übersetzung zu bringen. Viele Formulierungen aus dem uns bekannten Meßbuch können gemäß der neuen Ausgabe so nicht weiter verwendet werden. Das ist hohe Theologie. Und es ist eine enorme Widerstandskraft aus Deutschland, die sich auch nach 15 Jahren weigert, theologische Präzisierungen in der Liturgie umzusetzen. Vieles, was Rom verlangt, wäre womöglich nicht politisch korrekt genug für die deutschen Bistümer. Eine druckreife Übersetzung wurde auf Druck von Laienverbänden kurz vor Ende der Amtszeit von Erzbischof Zollitsch als Vorsitzender der DBK wieder kassiert.

Stattdessen fabulieren deutsche Zelebranten oft genug Schwestern und Jüngerinnen, am besten noch Apostelinnen in die Liturgie und die Predigt hinein. Bei Schwestern und Jüngerinnen stimmt es wenigstens inhaltlich noch. Der Zwölferkreis war definitiv männlich. Und die immer gerne herbeigeredete Apostelin Junia ist in der Bibel in allen griechischen Quellen ein Junius. Da mischen sich Phantasie, Wunschdenken und die Absicht doch den Frauen auch gerecht zu werden, mit der blanken Ideologie.

Wenn im Gebet für das Amt der Kirche und die Amtsträger, begonnen mit den Papst, dem Ortsbischof und dem Bischofskollegium sowie dem gesamten Klerus plötzlich noch die Ordensfrauen und -männer und Familien auftauchen, so ist das nett. Leider ist es nur nett und auch hier wieder nicht sinnvoll an der Stelle.

Man könnte so den Eindruck gewinnen, so manch ein Zelebrant, Prediger und Fürbittenschreiber handele nach dem Motto bloß niemanden zu vergessen. Inklusive Sprache bis zum Erbrechen.

Dabei findet allerdings eine wichtige Tatsache keine Berücksichtigung. Dem inklusiven Sprechen liegt ein zweischichtiger Grundirrtum der Gesellschaft zu Grunde. Die erste Schicht des Irrtums ist die sozialistische Sicht auf die Sprache. In der Sprache selbst wird schon eine Art von Handlung gesehen. Der Begriff „Sprachhandeln“ ist so verräterisch wie absurd. Systematisch sind Sprechen und Handeln grundverschieden. Niemand, der einen Funken Anstand im Leibe hat, würde eine Frau in der persönlichen Begegnung ignorieren oder in der direkten Ansprache sowie in der konkreten Rede über sie mit einem grammatikalischen Maskulinum bezeichnen. Das wäre ignorant, unhöflich und zeugte möglicherweise von mangelnder Bildung. Hinreichende Kenntnisse der Sprache vorausgesetzt.

Jeder Mensch aber, der nur über einen Hauch Kultur verfügt, verwendet in der deutschen Sprache natürlich das generische Maskulinum, wenn man allgemein redet. Dieses kann sich niemals nur an Männer richten. Als allgemeine Formulierung stellt sie den größtmöglichen Grad an Inklusivität dar. Hier kann sich nun wirklich niemand ausgeschlossen fühlen. Interessant ist ja, dass gerade Genderaktivisten, die zumeist biologisch weiblichen Geschlechts sind, verzweifelt nach einer sprachlichen Lösung suchen, die niemanden ausgrenzt. Wir haben diese Lösung. Sie ist sehr elegant und kommt ohne irgendwelche unlesbaren Binnenmajuskeln oder Gendergaps aus.

Die Sprache der Kirche war schon immer prägend. Über Jahrhunderte war die Muttersprache der Kirche Latein auch die Sprache der Bildung und der Wissenschaft. Die Kirche wirkte hier stilbildend. Die Aufklärung profitierte geradezu davon, dass sich Wissenschaftler in der ganzen bekannten Welt miteinander ohne Sprachbarriere unterhalten konnten. Der Verlust der lateinischen Sprache als Sprache der Wissenschaft machte diese erst anfällig für Nationalismen. Die Auflösung der gemeinsamen Sprachbasis führt dazu, auch die gemeinsame Basis des miteinander Nachdenkens aufzulösen. Wie gefährlich ein solcher Zustand ist, haben die Grausamkeiten zweier Weltkriege als Kriege von Nationalismen gezeigt. Wer nicht mehr miteinander reden kann, schießt irgendwann aufeinander.

Gender stellt, wie man leicht herausfinden kann, eine Fülle derartiger Sprachbarrieren innerhalb nur einer Sprache auf. Doch man muss gar nicht so weit gehen. Es reicht, im ökumenischen Dialog die Frage zu stellen, ob man noch dieselbe Sprache spricht, an denselben Gott glaubt, wenn Schrifttexte des kommenden evangelischen Kirchentages von Gott als „DIE LEBENDIGE“ reden. Können wir noch von einem auch nur näherungsweise ähnlichen Gottesbegriff ausgehen? Diese besonders krasse Beispiel macht es sehr deutliche, dass eine Sprachentfremdung zwar noch nicht die Entfremdung zwischen Menschen ist. Doch sie ist ein Wegabschnitt dahin, wenn man nicht mehr miteinander reden kann.

So führt der gute Wille, den so mancher Priester zeigt, wenn er um alles in der Welt die Schwestern noch mitnennen will, auf die Spitze getrieben dazu, dass niemand mehr versteht, wovon eigentlich noch die Rede ist. Schon heute kann man sagen, dass sich die Gendervertreter untereinander kaum noch verstehen. Was so eine Entstellung der Heiligen Schrift auf dem evangelischen Kirchentag mit den Menschen anstellt, will man eigentlich gar nicht wissen. Wenn die Kirche (obwohl weiblichen Geschlechts, fühle ich mich als Mann hier sehr wohl mitgemeint) – oder besser die Teilkirche in einem Sprachraum – statt Sprachkultur zu bilden, nur dem sprachlichen Zeitgeist hinterher läuft, wird sie mit diesem Zeitgeist auch in der Irrelevanz versinken.

Bildquelle:

  • Buchstaben: pixabay

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