„Für ein falsches ‚Like‘ kann man den Job verlieren“ – Gespräch mit dem wichtigsten Journalisten der Hauptstadt: Boris Reitschuster

Der reichweitenstarke Boris reitschuster geht dem politischen Establishment auf die Nerven.

BERLIN – Boris Reitschuster ist hot. Der Shootingstar unter den alternativen Medien in Deutschland. Millionen Leser klicken jeden Monat seinen gleichnamigen Blog an und lesen, was er er erlebt draußen auf den Straßen, wenn Demo gegen den Lockdown ist und die Staatsmacht Uniformierte und Wasserwerfer schickt. Und wenn er die Sprecher der Ministerien, an erster Stelle aber Regierungssprecher Steffen Seibert, in der Bundespressekonferenz den Blutdruck hochtreibt. Weil er fragt, weil er wieder und wieder nachfragt, und weil er dabei immer ruhig und höflich bleibt. Wer ist dieser Boris Reitschuster, der 16 Jahre lang das Focus-Büro in Moskau geleitet hat? Wir haben ihn selbst gefragt.

Herr Reitschuster, gibt es noch Kollegen, die Sie grüßen, wenn Sie morgens den Saal der Bundespressekonferenz betreten?

Ja, die gibt es.

Sie haben hart gekämpft um in den ehrwürdigen Club der Hauptstadt-Berichterstatter aufgenommen zu werden. Nun will man Sie loswerden, warum eigentlich?

Das müssen Sie diejenigen fragen, die mich loswerden wollen. Ich mache nur meinen Job: Kritischen Journalismus. Und stelle kritische Fragen. Dass dies solche Wellen schlägt, spricht für sich. Das muss man nicht mehr kommentieren.

Wird die Kampagne aus Eigeninitiative von Mitarbeitern der Süddeutschen Zeitung orchestriert, die sich ärgern, dass da immer noch einen seinen Job ernst nimmt und einfach mal Fragen stellt? Oder kommt das von weiter oben?

Ich möchte mich da keinesfalls an Spekulationen beteiligen. Bemerkenswert fand ich allerdings, dass gleich am nächsten Werktag nach Erscheinen dieses Artikels in der Süddeutschen schon morgens eine Vorladung zum Gespräch vom Vorstand der Bundespressekonferenz kam. Erstaunlich schnell für einen Verein. Mir kam bisher auch nichts zu Ohren, dass sich der Vorstand gegen die ehrenrührigen Vorwürfe gegen mich als Mitglied dort verwehrt hat – ein Kollege sagt etwa in dem Beitrag, es sei kein Journalismus, was ich betreibe. Aber vielleicht geschah dies ja ohne meine Kenntnis. Ebenso wundert es mich sehr, dass der Vorstand in keiner Weise auf die Sperrung meines Kanals auf Youtube reagiert hat. Ich erwarte, dass sich ein Journalistenverband dafür einsetzt, dass seine Mitglieder nicht zensiert werden und frei berichten können. Aber vielleicht kommt da ja noch etwas, und ich bin nur zu ungeduldig.

Sie haben großen Erfolg mit Ihrem Blog. Vorher waren Sie lange im System der etablierten Massenmedien. Was hat sich verändert für Sie persönlich? Wie gehen Politiker und Behörden mit Ihnen um?

Ganz unterschiedlich. Für die einen bin ich ein rotes Tuch, andere suchen den Kontakt. Bemerkenswert fand ich ein zufälliges Treffen dieser Tage im Bundestag. Da sagte mir jemand, als ich allein mit ihm im Lift war, wie wichtig er meine Arbeit finde. „Hier unter vier Augen kann ich es ja sagen“. Als wir dann raus gingen, wollte er mir aber nicht mal verraten, für wen er im Bundestag ist. Ich habe viele prominente Leser und Unterstützer, die sich aber nicht trauen, das öffentlich zu machen. Das sagt viel über das Klima in unserem Land aus – wo man ja schon für ein falsches Like oder ein Mittagessen mit dem Falschen seinen Job verlieren kann. Ich weiß von Kollegen, die massiven Ärger bekamen, weil sie Artikel von mir geteilt haben. In Redaktionen. Das kann man sich alles nicht ausdenken!

Kaum sagt man mal etwas Vernünftiges, schon wird man als Verschwörungstheoretiker geschmäht. So lautet ein beliebter Kalauer in unseren Kreisen der jungen neuen Medien. Können Sie mal kurz klarstellen, wie Sie persönlich zu folgenden Themen stehen – einfach den Satz zu Ende bringen…

Angela Merkel wird in die Geschichtsbücher eingehen als….
…eine Politikerin, die unserem Land massiven Schaden zugefügt hat. Man wird sich fragen: Wie konnte es so weit kommen, und warum haben so viele mitgemacht?

Covid-19 ist…
…eine gefährliche Krankheit, vor der man vor allem die Risikogruppen schützen muss. Der Umgang mit dieser Krankheit, das Schüren von Angst, Abschaffen von Grundrechten und totalitäre Denken ist aber auch eine riesige Gefahr für unsere Demokratie und für unsere Freiheit.

Was mir in Deutschland besser gefällt als damals in Russland ist…
„…im Moment ist mir am wichtigsten der Rechtsstaat. Aber ich habe den Eindruck, er funktioniert immer schlechter. Wenn eine Kanzlerin sich brüstet, sie habe es geschafft, Neuregelungen so zu machen, dass sie die normalen Gerichte nicht mehr überprüfen können, sagt das sehr viel aus.

Wenn ich 24 Stunden Bundeskanzler würde, was würde ich sofort ändern in Deutschland?

Gott bewahre mich davor, auch nur eine Stunde Bundeskanzler zu sein. Als erstes würde ich zurücktreten. Oder besser gesagt als zweites. Vorher würde ich noch eine Rede halten, für die Rückkehr von Pluralität und Meinungsfreiheit, gegen Intoleranz, Hass und Hetze unter dem Deckmantel der Bekämpfung von genau demselben. Dieser Allgegenwart von Heuchelei und Lüge, die viele nicht mal als solche erkennen, würde ich gerne den Kampf ansagen und sie entlarven.

Eine sehr persönliche Frage zum Schlud: Lässt Du dich impfen?
Ich bin ein großer Freund von Impfungen und halte sie für sinnvoll. Bei den aktuellen Corona-Impfstoffen sind mir allerdings noch zu viele Fragen offen, die Zulassung ging in meinen Augen zu eilig voran, die Langzeitwirkungen sind nicht absehbar.

Das Gespräch mit Boris Reitschuster führte Klaus Kelle.

Bildquelle:

  • Boris_Reitschuster: reitschuster

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.