Für das Leben, und keiner merkt was: Die Kirchen veranstalten eine Woche für die Katz

von PETER WINNEMÖLLER

Es ist Woche für das Leben. Und wer merkt etwas davon? Keiner! Es ist eine Woche für die Katz, für nichts, vergeblich. Kaum eine Pfarrei macht noch mit. Die Eröffnung in diesem Jahr in Kassel fand (fast) unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Zwar war die Eröffnung mit „Plisch und Plum2.0“ (auch bekannt als Kardinal Marx und Bischof Bedford-Strohm) durchaus prominent besetzt. Das Presseecho dagegen ist spärlich. Ein paar der Kirche nahe stehende oder nicht ganz feindlich gesinnte Medien bringen gerade noch eine Meldung zu Wege, meist eine recht oberflächlich gehaltene Agenturmeldung. Kommentare oder Hintergrund sucht man vergeblich. Löbliche Ausnahmen bestätigen die Regel.

„Annehmen statt Aussondern“ lautet das Motto. Das Thema ist durchaus nicht ohne Brisanz, denn moderne Verfahren der Pränataldiagnostik machen immer mehr Diagnosen vor der Geburt möglich. Die einzige Therapie ist oft genug der Tod des Kindes. Man stelle sich vor, der Kinderarzt käme bei Grippe oder Masern mit der Todesspritze. Es gibt keinen Unterschied, ein Kind ist ein Kind, ob geboren oder ungeboren. Da ändert sich nichts.

Der Papst prangert in diesen Zusammenhang derartige Praktiken als Wegwerfmentalität an. Im Westen, besonders eben Europa und Nordamerika, hat sich eine solche Wegwerfmetalität etabliert und trifft am Ende auch den Menschen, wenn er nicht oder nicht mehr paßt. Pränataldiagnostik, die zum Tode führt, Abtreibung, wenn das Kind gerade zur Unzeit kommt, Sterbehilfe, wenn der Greis die Kreise stört. Es ist gerade von einer Leitkultur die Rede. So lange diese nicht auch eine Kultur des Lebens enthält, die der sich immer weiter ausbreitenden Kultur des Todes in unserem Land entgegen wirkt, ist jede Leitkulturdebatte irrsinnig.

Nimmt man es also ernst, so müsste eine „Woche für das Leben“ in unserem Land förmlich die Schlagzeilen beherrschen. Hätten wir tatsächlich eine kritische Presse mit dem Finger am Puls der Probleme unserer Zeit, so müßte das Thema Schutz des menschlichen Lebens von Anfang bis Ende – auch mit Blick auf die drohende demographische Katastrophe in unserem Land – die Titelseiten beherrschen. Es wäre ja nichts gegen eine kontroverse Debatte einzuwenden. Sollen die Protagonisten der Abtreibungslobby doch gerne mal die Karten auf den Tisch legen. Das große Geschäft Abtreibung geriet erst vor einiger Zeit in die Schlagzeilen, als der weltweit größten Abtreibungsorganisation in den USA der Handel mit Organen abgetriebener Kinder nachgewiesen werden konnte.

Es herrscht peinliches Schweigen. Auch den Kirchen ist die Woche für das Leben inzwischen peinlich. Man redet nicht so gerne darüber. Mit der Sorge um Flüchtlinge, die sicher nötig ist, macht man mehr Punkte in der Veröffentlichen Meinung. Schutz des menschlichen Lebens ist unpopulär. Unpopulär möchte man nicht sein. Wir leben in Zeiten des Populismus. Kirchliche Medienarbeit mischt dabei mit. Es gibt Smoothies zur Karwoche im Bistum Essen. Eine nette Aktion. Wie schmeckt eigentlich der Karfreitag? Bitter? Nun gut, doch warum macht man in Essen keinen Smoothie für das Leben, wenn man doch so kreativ ist?

Das Thema stört und verstört die Menschen. Mit ihrem konsequenten Einsatz für das Leben, für jedes Leben ohne Ansehen von Alter, Herkunft, Gesundheit oder sonstigen Kriterien, ist die Kirche ein Stachel im Fleisch der utilitaristischen Gesellschaft, die nur noch die nützlichen Menschen leben lassen will. Das wird die Kirche auch immer bleiben. Was der Sache aber keinen Nutzen bereitet, ihr vielleicht sogar schadet, ist die Halbherzigkeit, mit der so eine Woche für das Leben betrieben wird. Ganz sicher ist es nicht leicht, einen solchen Themenkomplex in der Öffentlichkeit zu platzieren. Doch der Verband der Diözesen Deutschlands, die DBK und nicht zuletzt die einzelnen Bistümer stecken Millionen in die Medienarbeit, beschäftigen erstklassige Agenturen und betreiben hochzüchtete Medienportale. Wie kann es da sein, dass es nicht gelingt, ein derart brisantes Thema in den Medienbetrieb zu bringen?

Der kleine bescheiden operierende Bundesverband Lebensrecht (BvL), ein Dachverband der Lebensrechtsbewegungen, verhindert seit einigen Jahren den völligen Verzicht auf Öffentlichkeit bei der Eröffnung der Woche für das Leben. Mit einer begleitenden Fachtagung, die zeitnah am Ort der Eröffnung stattfindet und getragen wird von namhaften Referenten, lockt interessierte Teilnehmer an. Der Eröffnungsgottesdienst und die offizielle Veranstaltung von DBK und EKD sind sterbenslangweilig, weil sie niedrigst möglichen Konsens realisieren müssen. Die EKD wäre sonst längst ausgestiegen. Moraltheologisch kann die EKD die Woche für das Leben im Grunde gar nicht mehr mittragen. Es ist ein ökumenisches Klammern aneinander, welches die Woche für das Leben noch nicht sterben läßt. Sie liegt aber seit Jahren auf der Intensivstation.

Einer engeren Zusammenarbeit mit dem BvL verschließen sich die Organisatoren der Woche für das Leben rigoros. Zu viele inhaltliche Animositäten und die Gefahr, daß sich die EKD dann wirklich verabschiedet, verhindern unterm Strich jedoch eine größere Klarheit. Weitere Brisanz erlangt die Woche für das Leben dadurch, daß man in Frankreich bereits nicht mehr über Abtreibung angemessen aufklären kann. Ein neues Gesetz verbietet dies.

In Deutschland können wir noch offen reden und offen aufklären. Das Zaudern der Kirche in der Öffentlichkeit macht es immer schwerer, offensiv für den Schutz des menschlichen Lebens einzutreten. Das Leben ist wichtiger als Ökumene. Da bräuchte es vielleicht mal einen klaren Schnitt. Damit das Zeugnis für das Leben nicht verdunkelt wird, müssten Kirchen und BvL ein paar Schritte aufeinander zugehen. Die Teilnahme von Bischöfen am Marsch für das Leben ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Einbindung des BvL in Organisation der bundesweiten Woche für das Leben wäre ein weiterer guter Schritt. Hoffnung ist auch ein Aspekt von Leben, der schützenswert ist.

Bildquelle:

  • Baby_3: pixabay

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