Frau Vau braucht eine Wohnung…in Berlin…preiswert…sehr preiswert

von THILO SCHNEIDER

BERLIN – Wenn Frauen in Schaufenstern sitzen, dann haben Sie meist unmoralische Angebote zu machen. So meint es zumindest das Klischee. Aber das stimmt auch. In Berlin sitzt derzeit eine gewisse Frau Vau mit Vogel-Vau im Schaufenster einer Kunstgalerie. Sie bietet an, Ihre Mieterin – ja, richtig gehört – IHRE Mieterin zu werden. Wenn und sofern Sie eine Wohnung im Wrangelkiez (das ist ein Ortsteil von Kreuzberg, das wiederum ein Ortsteil von Berlin ist) besitzen und das zu einer Miete anbieten, die Vrau Fau gefallen könnte.

Der Dame wurde nämlich ihre untervermietete Bleibe von dem eigentlichen Mieter ihrer bisherigen Wohnung gekündigt, und niemand wollte bisher an sie vermieten. Oder nicht so, wie es ihr passte.

Und da beschloss sie, sich in der Kunstgalerie aufzuklappen, um so gegen die üblen Berliner Wohnungsverhältnisse ein Zeichen zu setzen. Und in der Hoffnung, irgendjemand käme vorbei und würde sagen: „Doch, so, wie Sie da sitzen, habe ich voll Lust, an Sie im Ringelpiez 80 Quadratmeter für 400 Euro kalt mit Stuck an der Decke und Parkettboden zu vermieten!

Fahrräder dürfen im Hausflur abgestellt werden. Wobei die „Aktionskünstlerin“ auch mit 45 Quadratmeter zu 550 Euro kalt (das sind 12 Euro pro m²) einverstanden wäre. Zum Vergleich: In Fürstenwalde gibt’s das begehrte Objekt für 8,50 Euro den Quadratmeter.

Nun könnten Sie beispielsweise fragen, warum denn Pfau Frau nicht einfach woanders in Berlin hinzieht? Friedrichshain, Mitte oder Prenzlauer Berg? Da ist es doch auch schön und bunt und multikulturell und zipp und zapp? Die Antwort lautet: Weil sie nicht will. Fau Frau will in´s Ringelkiez. Und NUR ins Wrangelpitz. Basta und keine Widerrede. Nein, Fürstenwalde ist blöd und außerdem eine Ecke weit vom pulsierenden Wrangelkiez weg.

Dazu muss man vielleicht wissen, dass es im Wrangelkiez einst Platz gab. Aber der ist jetzt leider weg. 65 Prozent der Einwohner sind Ausländer oder haben einen Migrationshintergrund. Nur gibt es eben die, die sich die Mieten leisten können und die, die das nicht können.

Sie könnten auch fragen, warum die Dame nicht einfach eine Wohnung kauft? Laut ihrer eigenen Aussage wurde ihr bereits eine Wohnung nebst Finanzierungsplan angeboten, aber das kam für sie leider nicht infrage. Warum das nicht in Frage kam, sagt sie zwar nicht, aber darum geht es ja auch nicht.

Deswegen sitzt sie jetzt. Im Schaufenster.

Sie bekommt dort Trost und Zuspruch, aber keine Wohnung. Wenn Sie als Vermieter auf der Suche nach einer Mieterin sind, die die Zeit hat, sich den ganzen Tag in ein Schaufenster zu setzen, weil sie buchstäblich und offensichtlich keiner anderen Beschäftigung nachgeht – hier wäre sie. Für 550 Euro. Maximal.

Als eherne Kämpferin für das Recht auf den für sie bezahlbaren Wohnraum im Wunschviertel bietet Ihnen die „Aktionskünstlerin“ sicher auch die regelmäßige Kontrolle der korrekten Mülltrennung, die juristische Überprüfung schwacher oder schwammiger Klauseln im Mietvertrag zu ihren Gunsten sowie eine Mängelkontrolle ihrer und damit Ihrer Wohnung und des Gemeinschaftseigentums an, ebenso wie die Fristsetzung zur Mängelbeseitigung. Solche vorbildlichen Mieter*innen wünscht sich jeder Hauswirt. Wenn er wahnsinnig ist.

Und weil das so ist, fordert die Aspirantin eine „staatliche Regulierung des Wohnraums“, damit Sie nicht auf die irre Idee kommen (und ja, diese Verrückten gibt es!), für lächerliche 25 Quadratmeter charmante 1.300 Euro Kaltmiete ziehen zu wollen. Aber anscheinend gibt es ja Superreiche, die das Monatseinkommen einer Lidl-Kassiererin für ein Bett mit Wänden drumherum zahlen. Da ist es tatsächlich günstiger, in den Knast zu wandern, weil man einen Vermieter die Treppe heruntergestoßen hat. Und man hat dort als mutmaßlicher Täter sogar mutmaßlich mehr Platz. Und Anschluss und soziale Kontakte.
Gut, Weltstädte und solche, die sich einbilden, welche zu sein, tendieren allgemein zu Preisen, die sich nur die leisten können, die sich mit ihrem Einkommen entweder auch ein Häuschen im und bei den Grünen leisten oder gleich die ganze verdammte Stadt kaufen können.

Bei uns hier im nahen Frankfurt am Main geht’s noch, da gibt es noch Wohnungen für zehn bis 15 Euro den Quadratmeter – allerdings in einem Ambiente, das Drogensucht durchaus als akzeptable Freizeitbeschäftigung erscheinen lässt. Günstiger geht es natürlich, wie immer, außerhalb, nur wird es dann schwierig, mit dem Lastenfahrrad die Einkäufe zu bewältigen.

Ja, noch lache ich. Laut. Aber ich habe eine alte Ölheizung. Über kurz oder lang brauche ich irgendeine Frau Vau, die mir beim Abtragen meiner neuen Schulden hilft. Die „Aktionskünstlerin“ hat mittlerweile das Schaufenster verlassen, wohin es sie verschlug, kann ich nicht sagen. Aber so lustig und teilweise dreist die Aktion auch gewesen sein mag – ich frage mich, wer bei diesen Preisen überhaupt noch in Berlin wohnt? Und auf wie viel Quadratmetern? Wobei: Bei 10.300 Euro monatlichen Diäten, Bürokostenzuschüssen und Fernseh- und Vortragshonoraren relativiert sich das wieder. Da wird dann auch eine 4 Mio-Villa zum Schnapp unter Freunden. Nicht ins Schaufenster setzen und sich beschweren, Frau Vau. Wählen lassen!

(Weitere überteuerte Artikel des Autors hier und unter www.politticker.de)

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Bildquelle:

  • Wohnungssuche: pixabay

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