Fast 50 Tote nach aserbaidschanischen Angriffen in Armenien

ARCHIV - Nikol Paschinjan (M), Ministerpräsident von Armenien, spricht mit einem Offizier der armenischen Armee. Foto: Tigran Mehrabyan/PAN Photo/AP/dpa

ERIWAN/BAKU – Bei neuen schweren Kämpfen zwischen Armenien und Aserbaidschan im Südkaukasus sind auf armenischer Seite offiziellen Angaben zufolge mindestens 49 Soldaten getötet worden. Das seien keine endgültigen Zahlen, sagte Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan in der Hauptstadt Eriwan. Die in der Nacht zwischen den beiden verfeinden Ex-Sowjetrepubliken ausgebrochenen Gefechte gingen auch am Tag vereinzelt weiter.

Aus Eriwan hieß es, aserbaidschanische Truppen hätten an drei Stellen armenische Stellungen mit Artillerie und großkalibrigen Waffen angegriffen. In Baku sprach das Verteidigungsministerium Aserbaidschans wiederum davon, dass ein großangelegter armenischer Sabotageversuch die Kämpfe ausgelöst habe.

Armenien und Aserbaidschan bekriegen einander seit Jahrzehnten wegen des Gebiets Berg-Karabach. Im Herbst 2020 hatte Armenien einen Krieg gegen seinen Nachbarn verloren. Infolgedessen musste das Land die Kontrolle über den Großteil des mehrheitlich von Armeniern bewohnten Berg-Karabachs aufgeben.

Damals wurde eine russische Friedenstruppe zum Schutz der Waffenruhe in der Region stationiert. Allerdings wurde nach armenischen Angaben diesmal nicht die Exklave angegriffen, sondern Stellungen auf dem Kerngebiet Armeniens.

Telefonat mit Putin

Wegen der angespannten Lage telefonierte Paschinjan bereits in der Nacht mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Dabei habe der Regierungschef um Hilfe der Militärallianz OVKS gebeten, teilte das armenische Fernsehen mit. Der OVKS müsse zu «aktiven kollektiven Handlungen» übergehen, forderte später auch das armenische Außenministerium.

Russland gilt traditionell als Schutzmacht Armeniens im Kaukasus. Aus dem Kreml hieß es allerdings, Moskau rechne auf eine diplomatische Lösung der Krise. Die russische Führung hat derzeit kein Interesse, sich an einem – aus Moskauer Sicht – Nebenkriegsschauplatz militärisch zu engagieren. Russland ist wegen des seit einem halben Jahr laufenden Angriffskriegs in der Ukraine dort gebunden. Zuletzt mussten die russischen Streitkräfte im Nachbarland eine empfindliche Niederlage einstecken.

EU und USA rufen zu Frieden auf

Auch die EU forderte Eriwan und Baku zu Verhandlungen auf. EU-Ratschef Charles Michel hat angesichts der schweren Kämpfe zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts aufgerufen. Es brauche einen vollständigen und dauerhaften Waffenstillstand, schrieb der Belgier auf Twitter. «Es gibt keine Alternative zu Frieden und Stabilität – und es gibt keine Alternative zur Diplomatie, um dies zu gewährleisten.» Michel nannte die Berichte über Kämpfe extrem besorgniserregend.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell teilte mit, dass Michel Kontakt zu den Staats- und Regierungschefs der beiden Länder aufnehme. Auch er rief zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Die EU sei entschlossen, weiter zu vermitteln. Der EU-Sonderbeauftragte Toivo Klaar werde unverzüglich in beide Länder reisen.

Auch US-Außenminister Antony Blinken rief zu einem Ende der Kämpfe auf. Blinken habe den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev in einem Gespräch aufgefordert, «die Feindseligkeiten einzustellen», teilte das US-Außenministerium am Dienstag mit. In einer Unterhaltung mit Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan betonte Blinken dem Ministerium zufolge «die Notwendigkeit eines Rückzugs der Streitkräfte». Die USA würden auf ein Friedensabkommen zwischen den beiden Ländern drängen, sagte Blinken demnach zu Aliyev und Paschinjan. Er habe außerdem seine «tiefe Besorgnis» zum Ausdruck gebracht, so das US-Außenministerium.

Neben der OSZE bot sich zudem der im Süden an Armenien und Aserbaidschan grenzende Iran als Vermittler in dem Konflikt an. Die Türkei – Verbündete Aserbaidschans – wiederum warf Armenien «Provokationen» vor.

Eriwan solle sich auf Friedensverhandlungen mit Baku konzentrieren, schrieb der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu auf Twitter.

Bildquelle:

  • Nikol Paschinjan: dpa

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