Gastbeitrag von Dr. JAUSHIEH JOSEPH WU
Außenminister der Republik Taiwan
TAIPEH – Der G7-Gipfel wurde am 13. Juni in Cornwall, Großbritannien, erfolgreich abgeschlossen. Das nach dem Treffen herausgegebene gemeinsame Kommuniqué betonte zum ersten Mal die Bedeutung der Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße und ermutigte zur friedlichen Beilegung von Problemen über die Taiwanstraße. Diese erstmalige Aufnahme einer taiwanfreundlichen Passage in das gemeinsame Kommuniqué des Gipfels seit dessen Gründung 1975 (damals noch als G6) zeigt die Bedeutung, die die Staats- und EU-Staatschefs der G7 dem Frieden und der Stabilität in der Taiwanstraße beimessen.
Am Tag darauf, dem 14. Juni, fand in Brüssel, Belgien, der NATO-Gipfel statt. In einem gemeinsamen Kommuniqué hoben die Mitgliedsstaaten erstmals hervor, dass „Chinas unmissverständliche Ambitionen und Willkür eine institutionelle Herausforderung für die regelbasierte internationale Ordnung und die sicherheitsrelevanten Regionen der NATO (systemische Herausforderung)“ darstellen. Während Ende 2019 in der gemeinsamen Erklärung nach dem Treffen noch festgestellt wurde, dass China „Chancen und Herausforderungen“ für die NATO darstelle, wird China diesmal als „systematische Herausforderung“ bezeichnet. Darüber hinaus wird China im Kommuniqué zehn Mal erwähnt. Dies zeigt die gestiegene Besorgnis der NATO gegenüber China.
Der EU-USA Gipfel fand ebenfalls am 15. Juni am Sitz der EU in Brüssel statt. An dem Treffen nahmen der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel, die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, und der US-Präsident Joe Biden teil. In Ihrer anschließenden gemeinsamen Erklärung betonten auch sie zum ersten Mal die Bedeutung von Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße und ermutigten zur friedlichen Beilegung von Problemen über die Taiwanstraße. Das Treffen setzte den Ton des G7-Gipfels und des NATO-Gipfels fort und hob hervor, dass die USA und Europa mit Partnern zusammenarbeiten werden, um eine „freie und offene indopazifische Region“ auf der Grundlage von Inklusivität und Rechtsstaatlichkeit zu schaffen.
Sie gaben Ihrer ernsthaften Sorge über die Lage im Ostchinesischen Meer und im Südchinesischen Meer Ausdruck und lehnen jede Änderung des Status quo entschieden ab, ebenso wie einseitige Aktionen, die die Spannungen verschärften. Sie befürworten eine kontinuierliche Koordinierung in Fragen wie der Verletzung der Menschenrechte in Xinjiang und Tibet, der Erosion der Demokratie in Hongkong, von wirtschaftlichem Zwang, Desinformationen und regionaler Sicherheit.
Auf den drei Gipfeltreffen, die innerhalb von nur zwei Tagen stattfanden, haben führende Staats- und Regierungschefs der Vereinigten Staaten und Europas ihre entschiedene Unterstützung für Taiwan zu wiederholt. In dieser ersten Auslandsreise von US-Präsident Biden seit seinem Amtsantritt zeigt sich, dass die transatlantischen Beziehungen eine neue Phase der Zusammenarbeit und Solidarität begonnen hat.
In der Tat haben wir in den letzten Monaten auch einen konsistenteren und klareren Faden gesehen, beginnend mit dem US-Japan-Gipfel im April, dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der USA und Südkoreas im Mai, dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs von EU und Japan, dem G7 Außenministertreffen, dem Japan-Australien 2+2-Treffen und dem EU-USA Gipfeltreffen im Juni. Die diplomatischen und nationalen Sicherheitsbeamten der Vereinigten Staaten und Japans haben Schritte zur Internationalisierung der Angelegenheiten der Taiwanstraße durch bilaterale oder multilaterale Anlässe unternommen. Auch die europäischen Länder haben nachgezogen. Nicht nur die führenden Politiker der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, sondern auch die der demokratischen Länder haben die folgende Tatsache hervorgehoben: Es wurde ein hohes Maß an Konsens über die Aufrechterhaltung des Friedens in der Taiwanstraße betont und erneut bestätigt, dass der Frieden und die Stabilität der Taiwanstraße äußerst wichtig sind, um eine „freie und offene indopazifische Region“ zu fördern.
Taiwan ist ein demokratisches Land, und seine politische, soziale und wirtschaftliche Freiheit wird von der internationalen Gemeinschaft bejahend bestätigt. Unabhängigkeit Taiwans und dessen Freiheit von der Gerichtsbarkeit der autoritären chinesischen Regierung sind der derzeitige Status quo in der Taiwanstraße. Mit dem selbsternannten „Ein-China-Prinzip“ hat China jedoch die militärische Bedrohung Taiwans verschärft sowie dessen diplomatische Isolation in der internationalen Gemeinschaft verstärkt. China ist zur größten Bedrohung für Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße geworden. Chinas Kontrolle über die Taiwanstraße würde aber nicht nur die Sicherheit von Taiwan bedrohen, sondern auch die Staatsinteressen von anderen freien Ländern gefährden.
Darüber hinaus hat Chinas Herrschaft in Xinjiang, Tibet und Hongkong, abgesehen von der Ausübung eigenmächtiger Herrschaft nach innen, jedes erträgliche Ausmaß überschritten. Und das autoritäre China expandiert aktiv ins Ausland und verursacht Spannungen in seinen Nachbarregionen, darunter das Ostchinesische Meer, die Taiwanstraße, das Südchinesische Meer und die chinesisch-indische Grenze. Im Prozess der Ausweitung des Autoritarismus auf demokratische Länder steht Taiwan an der Spitze des strategischen Wettbewerbs und ist entschlossen, seine Unabhängigkeit, Souveränität, nationale Sicherheit und einen demokratischen und freien Lebensstil zu schützen. Wir erwarten, dass auch andere demokratische Länder Taiwans Position mehr Aufmerksamkeit schenken und diese unterstützen.
Taiwan liegt am wichtigsten Knotenpunkt der ersten Inselkette Ostasiens. Es steht nicht nur an vorderster strategische Front zur Verteidigung von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, sondern spielt auch eine verantwortungsvolle und aktive Rolle bei der Förderung von Frieden, Stabilität und Wohlstand in der indopazifischen Region und somit auch für die EU-Länder, die in dieser Region viele wichtige Geschäftspartner haben. Taiwan freut sich zu sehen, dass wichtige Partner im demokratischen Lager wie die USA und die Europäische Union der aktuellen Situation der einseitigen und vorsätzlichen Zerstörung von Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße weiterhin große Aufmerksamkeit schenken, und fordert erneut die chinesische Regierung auf, jede Bedrohung und Einschüchterung Taiwans durch militärische Gewalt unverzüglich einzustellen. Als verantwortungsbewusstes Mitglied der indopazifischen Region wird Taiwan weiterhin die demokratischen Prinzipien der Transparenz, der hohen Standards und der Werteorientierung wahren und weiterhin mit den G7-Mitgliedstaaten und der Europäischen Union sowie anderen Ländern und Partnern mit ähnlichen Konzepten zusammenarbeiten. Ziele sind die Verbesserung der hochwertigen Infrastruktur der Indopazifik-Region und die Stärkung der globalen Zusammenarbeit bei der Resilienz von Lieferketten und anderen Aspekten, um gemeinsam Frieden, Stabilität, Wohlstand und nachhaltige Entwicklung in der Indopazifik-Region zu erhalten.
Dr. Jaushieh Joseph Wu ist ein Politiker der Demokratischen Fortschrittspartei und seit dem 26. februar 2016 Außenminister der Republik Taiwan (24 Millionen Einwohner)
Bildquelle:
- Jaushieh Joseph Wu_Taiwan: deutsche welle