von PROF. DR. PATRICK PETERS
BERLIN – Die Umfrage offenbart einen guten Blick in die deutsche Seele: Deutschlands Studenten setzen bei der Berufswahl stärker auf Sicherheit und einen Job beim Staat. Mehr als 40 Prozent halten einen Arbeitsplatz im Öffentlichen Dienst für attraktiv, ergab die Studentenstudie 2018 des Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY). 2016 waren es noch 32 Prozent. Zuletzt hieß es im Rahmen der neuesten Umfrage: Für zwei Drittel der Studierenden ist ein sicherer Job der wichtigste Faktor bei der Wahl des Arbeitgebers.
Dazu passt, dass die Zahl der Existenzgründungen in Deutschland niedrig ist. Gerade im Corona-Jahr 2020 war das deutlich zu spüren, wie der KfW-Gründungsmonitor 2021 zeigt. Mit 537.000 Existenzgründungen haben sich 68.000 weniger Menschen selbstständig gemacht als 2019. Das entspricht einem Minus von gut elf Prozent. Deutliche Rückgänge gab es sowohl bei den Gründungen im Voll- als auch bei denen im Nebenerwerb. Die Zahl der Vollerwerbsgründungen sank um zwölf Prozent auf 201.000 (-27.000), die der Nebenerwerbsgründungen um elf Prozent auf 336.000 (-41.000). Die Gründungsquote ist 2020 damit auf 104 Gründungen je 10.000 Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren gefallen
Man könnte nun meinen, das liege nur an der Pandemie. Aber weit gefehlt: Denn vor 20 Jahren wurden durchschnittlich noch 1,5 Millionen Neugründungen im Land registriert. 2019, dem besten Jahr seit 2015, waren es rund 605.000 Existenzgründungen – von denen 377.000 Nebenerwerbsgründungen waren. Damit ging es bei den Gründungen, mit denen Menschen vollständig ihren Lebensunterhalt verdienen, weiter abwärts auf einen neuen Tiefpunkt von 228.000. Das ist ein Minus bei den sogenannten Vollerwerbsgründungen von 27.000 zum Jahr 2018.
Zwar schreibt die KfW im Gründungsmonitor 2021: Die Prognosen für Konjunktur und Arbeitsmarkt im Jahr 2021 sind gut, davon dürfte die Gründungstätigkeit profitieren. Auch coronabedingt verschobene Gründungen aus 2020 dürften stützen. Aber das erscheint alles auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Denn selbst wenn die Zahlen wieder anziehen sollten, bleibt die Motivation zur Existenzgründung in Deutschland gering. In einem Zeitungsbericht heißt es dazu: „Allein 70 Prozent der BWL-Absolventen der Freien Universität Berlin wünschen sich eine Beschäftigung im Öffentlichen Dienst. Nimmt man die Zahl der Neugründungen des vergangenen Jahres näher unter die Lupe, fällt zudem auf, dass nur drei von zehn Neuexistenzen etwas mit dem Internet oder Digitalangeboten zu tun haben. Die Mehrzahl sind nämlich häufig freie Berufe wie niedergelassene Ärzte, Steuerberater, Rechtsanwälte oder andere Dienstleistungen einer Beratungsbranche.“
Im gleichen Artikel der Zeitung kompakt werden auch Gründe für die Gründungsbehäbigkeit der Deutschen genannt. Die Benotungen der gesetzlichen Regelungen, von bürokratischen Informations- und Berichtspflichten und der steuerlichen Belastung haben sich eklatant verschlechtert. Apropos steuerliche Belastungen: Die Pläne der linken Parteien, die ziemlich sicher maßgeblich an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein oder diese sogar komplett stellen werden, diskutieren beispielsweise offen eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine Vermögensabgabe für Menschen mit einem Vermögen ab zwei Millionen Euro und wollen an Steuerinstrumenten wie dem Solidaritätszuschlägen für Besserverdienende (zu denen in den Augen der Linken ziemlich viele Bundesbürger gehören) festhalten.
Für angehende Unternehmer sind das keine sonderlich attraktiven Perspektiven. Sie sollen sich, als Dank für ihr Engagement, mit verschärfter Regulierung, unvorteilhaften Steuerthemen, privater Haftung und Arbeitgeberpflichten herumschlagen. Kein Wunder, dass immer weniger Menschen Lust auf dieses Abenteuer haben. „Nein, danke!“, ruft da die deutsche Beamtenseele. Der Staat will es scheinbar nicht anders. Dass aber Unternehmen und Unternehmer dieses Konstrukt erst finanzieren, steht auf einem anderen Blatt. Politik und Bürokratie sägen an dem Ast, auf dem sie sitzen.
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