Liebe Leserinnen, liebe Leser,
einmal pro Jahr scheint die Sonne über der thüringischen CDU, wenn nämlich die Landtagsfraktion zum „Jahresempfang“ ein paar hundert Parteifreunde zu Bier und Rostbratwurst und einem prominenten Redner einlädt, der Herz und Seele der zerstrittenen einstigen Thüringen-Partei wärmt. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz war schon mal da, und damals drängten sich sogar 4.000 CDUler aus ganz Deutschland in einer Messehalle, um zu lernen, wie Strukturwandel in einer heruntergewirtschafteten Partei funktioniert, wenn man nur den (oder die) Richtigen an die Spitze wählt. Bei der ÖVP hat es jedenfalls geklappt, wie es mit Armin Laschet wird, werden wir dann später im Jahr sehen.
Gestern Abend trat Friedrich Merz in Erfurt ans Rednerpult, zweimal gescheitert beim Versuch, den Bundesvorsitz seiner Partei zu erobern. Aber die Parteifreunde im Osten lieben den Sauerländer, der in seinen rhetorisch meist hervorragenden Reden die Zuhörer für eine halbe Stunde das Gefühl entstehen lässt, es gäbe ihre alte Partei noch, und Merkel und AKK und all die Hofschranzen seien einfach ein böser Traum gewesen, der beendet sei. Aber wie gesagt: das ist nur ein schöner Traum.
Merz richtete gestern Abend klare Worte zum Thema China an seine 300 Parteifreunde in Erfurt. „Wir sind Zeitzeugen einer tektonischen Verschiebung auf unserem Planeten“, beschrieb er das imperiale Gehabe, das China seit einiger Zeit an den Tag legt und für das der Westen bisher keine Antwort hat. Am Beispiel des chinesischen Vorgehens auf dem afrikanischen Kontinent und der Seidenstraße, die im Duisburger Hafen enden werde, beschrieb Merz, der selbst international viel herumgekommen ist, das „imperiale Projekt“ der aufstrebenden kommunistischen Macht, die global den Anspruch erhebe, die ganze Welt neu und in ihrem Sinne zu gestalten.
Merz zusammenfassend: „Europa hat keine China-Strategie, aber China hat eine Europastrategie.“ Und da hat er recht, nur, wer beschäftigt sich damit? Wer formuliert eine europäische und deutsche Strategie auf die chinesische Herausforderung? Die USA haben das Problem längst erkannt, und Joe Biden setzt erkennbar den Kurs seines Vorgängers Donald Trump in dieser Frage fort. Aber Amerika ringt gerade mit sich selbst. Und in Deutschland regnet es, und es sterben Menschen.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Klaus Kelle