von MICHAEL STING
PEKING – Nun ist es offiziell. Die chinesischen Exporte sind, laut der Zollverwaltung in Peking, im Vergleich zum vergangenen Jahr um 7.5 Prozent gesunken.
Dementsprechend ist die chinesische Wirtschaft in die Deflation gerutscht. Weitere alarmierende Tatsachen wurden durch das Statistikamt in Peking mitgeteilt: die Verbraucherpreise sind im Juli im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent gesunken. Der offizielle Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe blieb im Juni mit 49,3 Punkten weiter unter der entscheidenden 50-Punkte Marke. Dies zeigt einen Rückgang der industriellen Aktivität an.
Wie zu erwarten, kündigte die kommunistische Führung in Peking ein Konjunktur-Paket an, um die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln. Dazu zählen u.a.:
Zusätzliche Förderung beim Kauf eines Elektro-Autos
Senkung der Wohnungsmieten
Die Reduzierung oder Streichung von Eintrittsgebühren für Naturschutz-Parks
Doch die Probleme liegen tiefer verwurzelt. Während im Jahr 2022 zur Bekämpfung von Corona in Europa und den USA eine Öffnungs- und Impfstrategie verfolgt wurde, verfolgte China eine harte Null-Covid-Strategie mit extremen Quarantäne-Maßnahmen. Hierbei wurde versäumt, die finanzielle Sicherheit der Bürger sicherzustellen. Mit der gravierenden Folge, dass das Privatvermögen der Bürger geschmolzen ist und resultierend daraus nun die Investitions- und Konsumbereitschaft massiv gesunken ist.
Weitere 5 Kernpunkte, zeigen die massive Schwächung der chinesischen Wirtschaft:
1. Die chinesische Immobilienblase
Der Bausektor ist für einen großen Teil der Wirtschaftsleistung des Landes verantwortlich, Schätzungen gehen von bis zu 30 Prozent aus. Bereits seit 2021 müssen immer häufiger große chinesische Baufirmen die Insolvenz anmelden. Zu dem bekanntesten gehörte der zweitgrößte Baukonzern Evergrande. Dazu kommen der zehntgrößte Baukonzern Shanghai Shimao Group sowie der größte Immobilienentwickler Country Garden.
Hintergrund : die meisten Bauprojekte dienen als reine Spekulationsprojekte und wurden durch Kredite finanziert. Dies geschah in der Hoffnung der chinesischen Käufer auf eine Steigerung der Immobilienpreise. Die Folge: riesige Geisterstädte in China.
Ein weiterer gravierenden Unterschied des chinesische Bauprinzips zum europäischen:
Nach einer Anzahlung erfolgt erst die Auszahlung des Kaufpreises in Phasen nach abgeschlossenen Bauabschnitten. In China hingegen müssen die Käufer in Vorkasse treten und darauf hoffen, dass der Bau der Wohnung wie geplant abgeschlossen wird, da sonst das gesamte Kapital verbrannt wird.
Im März habe ich mit Hedgefonds-Manager Dirk Müller in einem Interview zu der schwierigen Wirtschaftslage zwischen den USA und China bereits eine interessante Aspekte besprochen. Er vertritt die Theorie, dass „die USA neben dem Eindämpfen der Inflation mit ihren Zinserhöhungen versuchen, China den Stecker zu ziehen, indem Sie den Zusammenbruch des chinesischen Immobilienmarktes befeuern.“
2. Die Investorenflucht
Wie bereits im oberen Abschnitt genannt, haben die USA bereits massive Zinserhöhungen vorgenommen. Derzeit liegt der Leitzins bei 5,5 Prozent. Das macht es für ausländische Investoren attraktiver, in „sichere“ US-Staatsanleihen zu investieren. Mit der Folge, dass das dringend benötigte Investitionskapital von China nach Westen verlagert wird und somit nicht mehr dem chinesischen Markt zur Verfügung steht.
3. Die Verschuldung
Analysten der Commerzbank schätzen die Gesamtverschuldung außerhalb des Finanzsektors, also von Staat, privaten Haushalten und Unternehmen auf 300 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung. Der größte Teil der Schulden bezieht sich auf den Unternehmenssektor. Dies würde durch das Eingreifen der Regierung und der chinesischen Notenbank aufgefangen. Es würde dennoch massive Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft haben.
4. Die Gefahr einer Deflation
Neben den gefallenden Verbraucherpreisen sind die Produzentenpreise zuletzt sogar um 4,4 Prozent gesunken. Dauerhaft sinkende Preise wirken sich negativ auf eine Volkswirtschaft aus. Denn wenn ein Unternehmer davon ausgeht, dass der Preis seiner Produkte künftig sinkt, überlegt er es sich zweimal in teure neue Maschinen zu investieren.
Das gilt umso mehr, wenn Unternehmen hoch verschuldet sind, wie das in China der Fall ist, da sich der relative Wert der Schulden in Deflationszeiten nach und nach erhöht.
5. US- Sanktionen
Die USA wollen Chinas Zugang zu sensiblen Technologien, die der militärischen Aufrüstung dienen können, einschränken. Die neuen Investitionskontrollen folgen auf Hightech-Sanktionen der Biden-Regierung vom vergangenen Oktober. „Wir wollen China daran hindern, sich die fortschrittlichsten Technologien zu beschaffen, um die militärische Modernisierung voranzutreiben und die nationale Sicherheit der USA zu untergraben“, argumentiert die US-Regierung. Das macht es amerikanischen Kapitalgebern de Facto unmöglich, in die Branchen Halbleiter, Künstliche Intelligenz (KI) oder Quanten-Computing in China zu investieren.
China bleibt genau wie der Rest der Welt nicht vom Demografischen Wandel verschont.
Die Unberechenbarkeit der chinesischen Regierung, die sich nicht mehr an den wirtschaftsliberalen Werten von Deng Xiaoping, sondern mehr an den kommunistischen Vorstellungen von Mao Zedong orientiert verunsichert zusätzlich Unternehmen, Investoren und Konsumenten.
Noch zentraler und viel dramatischer ist aber: das Vertrauen der Bevölkerung schwindet.
Jeder muss ständig damit rechnen, dass die Partei morgen seinen Besitz beschlagnahmt oder ihn ins Gefängnis steckt.
China ist mit einem Handelsvolumen von 64,7 Milliarden Euro Deutschlands wichtigster Handelspartner. Ein Einbrechen der chinesischen Wirtschaft hätte massive Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und muss daher sehr genau im Auge behalten werden.
Bildquelle:
- Evergrande_2: thegermanz