Liebe Leserinnen und Leser,
China ist in aller Munde. Das Bundeskabinett hat sich beim, vom Kanzler erstaunlich intensiv vorangetriebenen, chinesischen Einstieg bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen auf einen Kompromiss verständigt. Nicht gut für Deutschland, denke ich.
„Spiegel online“ macht heute morgen auf mit dem aktuellen Großangriff von Chinas Autoindustrie auf den europäischen Markt. Zitat:
„Anbieter wie Nio, Lynk & Co oder BYD nutzen dafür Probleme hiesiger Konzerne gnadenlos aus.“
Ja, klar nutzen sie jede Schwäche des Westens aus. Und der Westen zeigt seit Jahren Schwäche in vielen Bereichen. Weil viele unserer verantwortlichen Politiker naiv sind gegenüber autoritären Regimen wie China, Russland, Iran und wie sie alle heißen. Das, was wir „der Westen“ nennen, ist im Grunde zu einer ökonomichen Maschine verkommen, bei der Recht und Unrecht, Moral und Ethik gegenüber Wirtschaftsinteressen zurückstehen müssen. Sonst hätte man schon längst alle Beziehungen zu China abbrechen müssen. Sie haben Hongkong betrogen, als sie Freiheitsrechte für die Bürger versprachen, sie internieren ethnische Minderheiten zu Hunderttausenden in Straflagern, kein Tag ohne dass sie Taiwan mit Annexion drohen, mit einem militärischen Angriff.
Und wir denken über die Maximierung des Absatzes unserer Automobilindustrie im Reich der Mitte nach. Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Sie alle kennen diesen absolut treffenden Satz von Bertolt Brecht. Und ich will das gar nicht geringschätzen. Unser nach wie vor hoher Wohlstand beruht seht stark auf dem globaln Erfolg der deutschen Automobilindustrie. Wer den „Globalismus“, also den weltweiten Handel, ablehnt, der sägt am Ast, auf dem wir alle gut und gerne sitzen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, alles andere als mein Präsident des Herzens, hatte gestern bei seinem Besuch in Kiew einen wirklich starken Moment.
»Für die Zukunft heißt es, wir müssen Lehren ziehen und die Lehre zu ziehen heißt, wir müssen einseitige Abhängigkeiten verringern, wo immer das geht, das gilt gerade auch gegenüber China.«
Und nicht nur gegenüber Russland. Über das System Putin macht sich inzwischen niemand mehr Illusionen, der offenen Auges durch die Welt streift und klar im Kopf ist. Aber Russland ist irrelevant gegenüber einem globalen Spieler wie China, der die USA als Nummer 1 auf dieser Welt überholen, ja verdrängen will. China hat eine Strategie, China forscht, entwickelt, produziert. China sorgt dafür, dass seine Bevölkerung bescheidenen Wohlstand spürt, dass jeder halbwegs klarkommt, sofern er nicht aufmuckt. Kann man so machen, wenn man auf Knien leben will. Ich empfehle nochmal, bei Orwell nachzulesen.
Aber, China ist nicht unser Freund, China ist nicht unser Rivale, China ist unser Gegner, vielleicht wird es irgendwann zu einem Feind. Und deshalb sollten wir beherzigen, was der Bundespräsident gestern auch sagte:
»Es kommt sehr darauf an, dass wir sehr viel intensiver mit den Nachbarn Chinas reden, die sicherlich nicht unsere Handelsbeziehungen, wirtschaftlichen Beziehungen zu China ersetzen können. Aber Südostasien ist ein Raum mit 700 Millionen Einwohnern, wo ich glaube, wir das Verhältnis zu Ostasien neu ausbalancieren können.«
Amen!
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Klaus Kelle