Endlich beginnt unsere Luftbrücke: 125 Menschen nach Taschkent ausgeflogen

Hunderte Menschen haben sich in Kabul vor dem internationalen Flughafen versammelt. Foto: -/AP/dpa

KABUL/BERIN – Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat die Bundeswehr unter schwierigsten Bedingungen mit ihrer Luftbrücke zur Rettung von Deutschen und Afghanen begonnen.

Ein Transportflugzeug brachte am Dienstag 125 Menschen in die usbekische Hauptstadt Taschkent. Stunden zuvor hatte eine erste Maschine vom Typ A400M erst Fallschirmjäger in Kabul abgesetzt und auf dem Rückweg sieben Menschen außer Landes geflogen. Die Evakuierungsaktion sei jetzt «voll angelaufen», sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) in Berlin. Als Reaktion auf den Machtwechsel stoppte die Bundesregierung die staatliche Entwicklungshilfe und alle anderen Hilfszahlungen für Afghanistan.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte, Deutschland müsse alles daransetzen, die eigenen Landsleute und die Afghanen, die ihnen jahrelang zur Seite gestanden hätten, in Sicherheit zu bringen. «Darüber hinaus müssen wir gemeinsam mit unseren Verbündeten nach Möglichkeiten suchen, auch denjenigen zu helfen, die in Afghanistan jetzt von Gewalt oder Tod bedroht sind, darunter viele mutige Frauen.»

Das Land Brandenburg will die Erstaufnahme ankommender afghanischen Ortskräfte übernehmen. Das Innenministerium teilte mit, dass dies dem Bund zugesagt worden sei.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Rückkehr der Taliban an die Macht eine Fluchtbewegung aus dem Land auslösen wird. Mit Blick auf Forderungen, Deutschland solle Flüchtlingskontingente aufnehmen, sagte Kanzlerin Angela Merkel in Berlin: «Bevor man über Kontingente spricht, muss man erst mal über sichere Möglichkeiten für Flüchtlinge in der Nachbarschaft von Afghanistan reden. Dann kann man in einem zweiten Schritt darüber nachdenken, ob besonders betroffene Personen kontrolliert und auch unterstützt nach Europa und in die europäischen Länder kommen.»

Die Kanzlerin telefonierte dazu mit UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. Außerdem beriet sie die Lage in Afghanistan mit Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron und mit den Regierungschefs von Großbritannien und Italien, Boris Johnson und Mario Draghi. Sie vereinbarten eine enge Zusammenarbeit bei der Evakuierung von europäischen Bürgern und Ortskräften.

Merkel räumte in einer Pressekonferenz das Scheitern des Westens bei dem Versuch ein, in Afghanistan ein nachhaltiges politisches System mit mehr Freiheiten und Entwicklungsmöglichkeiten aufzubauen. «An dieser Stelle müssen wir einfach konstatieren, dass wir unsere Ziele nicht erreicht haben.» Nach der Machtübernahme der Taliban sehe man mit Sorge, «dass das alles jetzt zurückgedreht werden kann».

Bundespräsident Steinmeier äußerte sich ähnlich: «Das Scheitern unserer jahrelangen Anstrengungen in Afghanistan, ein stabiles, tragfähiges Gemeinwesen aufzubauen, wirft grundlegende Fragen für Vergangenheit und Zukunft unseres außenpolitischen und militärischen Engagements auf.» Der frühere Außenminister betonte: «Wir erleben in diesen Tagen eine menschliche Tragödie, für die wir Mitverantwortung tragen, und eine politische Zäsur, die uns erschüttert und die Welt verändern wird.»

Das Bundeskabinett will an diesem Mittwoch das Mandat für den Bundeswehreinsatz beschließen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will dafür bis zu 600 Bundeswehrsoldaten bereitstellen. Das sagte sie nach dpa-Informationen am Montag in der Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden des Bundestags. Dieser soll in seiner Sondersitzung in einer Woche das Mandat verabschieden. Die FDP-Fraktion erwarte dabei eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin, sagte ihr Vorsitzender Christian Lindner. Nötig sei auch ein EU-Sondergipfel.

Der FDP-Vorsitzende Lindner warf der Bundesregierung vor, mit ihrem späten Eingreifen die Situation gefährlicher als nötig gemacht zu haben. «Möglicherweise ist die Folge, dass gar nicht alle Menschen, die es eigentlich verdient hätten, evakuiert werden können. Das ist eine erschütternde Aussicht, für die die Bundesregierung die Verantwortung trägt.»

Bildquelle:

  • Am Flughafen: dpa

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