Ende des Streits um Kaiser’s Tengelmann hat viele Gewinner

Größter Gewinner des Kompromisses sind die rund 15 000 Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann. Foto: Oliver Berg

Mülheim/Ruhr – Mehr als zwei Jahre nach der Ankündigung des Verkaufs der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann ist der Weg für die Übernahme durch Edeka endlich frei. Rewe wird wohl seine Klage gegen die Ministererlaubnis demnächst zurückziehen und im Gegenzug rund die Hälfte der Kaiser’s-Tengelmann-Filialen in Berlin und ein paar Geschäfte in Nordrhein-Westfalen und Bayern erhalten. Der Einigung ging ein erbittertes Ringen voraus. Doch letztlich bietet der nun erzielte Kompromiss für fast alle Beteiligten Vorteile.

Größter Gewinner sind die rund 15 000 Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann. Ihnen sichert die Ministererlaubnis bei der Übernahme eine fünfjährige Arbeitsplatzgarantie zu. Als Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub seine Verkaufspläne im Oktober 2014 bekanntgab, war von einer solchen Absicherung noch nicht die Rede. Vielmehr wurde mit dem Abbau zahlreicher Arbeitsplätze in der Verwaltung und der Logistik der Supermarktkette, sowie mit der Schließung etlicher defizitärer Filialen gerechnet. Erst die Einschaltung der Politik durch den Antrag auf die Ministererlaubnis und die Gegenangebote des Rivalen Rewe bescherten den Kaiser’s-Tengelmann-Beschäftigten die ungewöhnlich umfassenden Arbeitsplatz- und Standortgarantien.

Tengelmann-Eigentümer Haub kann auch zufrieden sein. Der Unternehmer ist endlich sein größtes Sorgenkind los. Die defizitäre Supermarktkette hatte dem Familienunternehmen nach eigenen Angaben seit der Jahrtausendwende über 500 Millionen Euro an Verlusten beschert. Gleichzeitig kann der Unternehmer für sich reklamieren, mit dem hartnäckigen Festhalten am einmal eingeschlagenen Weg am Ende doch die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter gesichert zu haben.

Edeka-Chef Markus Mosa  hat zwar am Ende nicht alle Filialen bekommen, doch auf jeden Fall mehr, als ihm das Bundeskartellamt eigentlich zugestehen wollte. Der unter Vermittlung von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgehandelte Kompromiss sichert dem Handelsriesen Zugriff auf den Löwenanteil der gut 400 verbliebenen Läden von Kaiser’s-Tengelmann. Darunter auch die besonders attraktiven Geschäfte in München und Oberbayern. Es war wohl die letzte Chance für den Marktführer, in Deutschland durch Zukäufe noch einmal kräftig zu wachsen. Mosa hat sie genutzt. Allerdings ist der Preis hoch.

Rewe-Chef Alain Caparros hat sich erfolgreich an den Verhandlungstisch geklagt und dafür gesorgt, dass auch sein Unternehmen einen Teil der Kaiser’s-Tengelmann-Filialen bekommt – vor allem auf dem umkämpften Berliner Markt. Eigentlich wäre Rewe nach den Plänen von Tengelmann und Edeka leer ausgegangen.

Für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) drohte sein Engagement im Streit um Kaiser’s Tengelmann zum Debakel zu werden, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf den Vollzug der von ihm erteilten Ministererlaubnis vorläufig untersagt hatte. Der Minister habe durch sein Verhalten im Verfahren Anlass gegeben, an seiner Neutralität zu zweifeln, befanden die Richter. Mit dem bevorstehenden Rückzug der Klage ist das vom Tisch und Gabriel kann sich rechtzeitig zum Bundestagswahljahr 2017 als Macher präsentieren, der sich hartnäckig für die Verkäuferinnen und Verkäufer eingesetzt hat.

Auch Verdi-Chef Frank Bsirske kann die Einigung als Erfolg verbuchen. Denn nicht zuletzt seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass die Streithähne doch noch an einen Tisch fanden. Die Gewerkschaft hatte allerdings auch viel zu verlieren. Denn Gabriel hatte in seiner Ministererlaubnis nicht nur den Erhalt der Arbeitsplätze, sondern auch die Absicherung der für die Gewerkschaft wichtigen Betriebsratsstrukturen festgeschrieben.  (dpa)

Bildquelle:

  • Filiale von Kaiser’s Tengelmann: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.