Einen Fuß in der Tür: Was Volt richtig macht und andere kleine Parteien nicht

Liebe Leserinnen und Leser,

Wahltag ist Zahltag, und es sind noch zwei Wochen, dann zählt Deutschland mal wieder durch. In einer Zeit, in der praktisch alle etablierten Parteien kaum noch wählbar für den bürgerlich Konservativen sind oder zumindest nur unter Schmerzen, fällt der Blick unwillkürlich auf die kleinen Parteien und besonders auf die politischen StartUps.

Was ich mit Interesse seit einiger Zeit verfolge ich eine Partei namens Volt Deutschland, die Teil von Volt Europa ist und das aus gutem Grund, denn – verkürzt – sagen die: Wir schauen mal, was die anderen europäischen Staaten gut machen und adaptieren das dann nach Deutschland. Keine außergewöhnliche Idee, aber eine gute, die Politik als etwas Ernsthaftes begreift und nicht als Mittel zur persönlichen Existenzsicherung. In der AfD nennt man solche Leute „Beutegemeinschaft“, in der CDU gibt es eine interne Gruppe Abgeordneter, die sich selbst „Bündnis für Arbeit“ nennen und so weiter. Parteipolitik ist so.

Volt will politisch etwas verändern, und das gefällt mir. Ein Blick ins Programm zeigt mir, dass das allerdings für jemanden wie mich am Ende des Tages nichts ist. Volt setzt in der Gesundheitspolitik auf Prävention, das gefällt mir noch. Und auch bei bestmöglicher Bildung ein Leben lang und Digitalisierung und europaweiter Mobilität könnte ich noch mitgehen, aber Energieversorgung zu 100% aus erneuerbaren Energien und „klimafreundlicher Anpassung an die Landwirtschaft“, umfassenden Datenschutz und gemeinsamer europäischer Migrations- und Klimapolitik sowie dem Aufbau einer europäischen Armee bin ich raus.

Aber das faszinierende Element ist: die Volt-Leute interessieren sich ernsthaft für Politik und suchen nach kreativen Lösungen, unser Leben und unsere Gesellschaft besser zu machen, eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder zu gestalten. So sollte Politik doch sein, oder? Für so etwas hat man Parteien einst erdacht, nicht als Werkzeuge für ökonomischen Aufstieg Einzelner, was ja noch in Ordnung wäre, wenn es der Gemeinschaft zu Gute käme und nicht durch Zynismus der politischen Kaste begleitet würde.

Es gibt ja auch andere Parteien, die auf dem Sprung sind. Die Freien Wähler haben es fast geschafft. In Bayern zunächst kommunal eine Kraft, denn Landtag, Teil der Landesregierung, inzwischen zwei weitere Landtage gekapert. Hubert Aiwanger goes Bundestag! Die in vielen Dingen auch sympathische ÖDP ist in vielen Kommunalparlamenten in Bayern und hier und da auch in anderen Bundesländern vertreten, macht aber viel zu wenig aus den eigenen Möglichkeiten. Parteien, denen ich als Bürgerlicher grundsätzlich mit Sympathie gegenüber trete wie die LKR oder das Zentrum gehen einen Weg, der nicht funktionieren kann nach allen Regeln der politischen Kunst. Nehmen Sie den Namen „Liberal-Konservative Reformer“, für einen Medienmenschen ist das kein Parteiname, sondern eine Kurzgeschichte. Und das LKR-Programm: Da ist nichts falsch, alles schön und gut, aber erwartbar, nichts Kreatives, nicht Elektrisierendes, nichts, das nach Aufbruch riecht. Kein Spirit. Keine neue Idee, nicht eine. Klar, kann man die LKR wählen, denn wählen sollten wir alle. Wählen ist Bürgerpflicht, und wenn es für die Kleinen 0,5% gibt, dann fließt Staatskohle, dann kann man Strukturen aufbauen, weitermachen.

Bei der Europawahl 2019 erhielt Volt Deutschland nach dem amtlichen Endergebnis 249.098 Stimmen, das sind 0,7 Prozent. Die Kleinpartei hat damit einen Abgeordneten im EU-Parlament und bekommt Kohle für den weiteren Aufbau. Bei Kommunalwahlen gelang es Volt in Großstädten beim urbanen Publikum bis zu zwei Prozent und mehr Zustimmung einzusammeln – und das ohne die Grundvoraussetzungen, die ich selbst mal für den Erfolg einer neuen Partei aufgeschrieben hatte: gutes Thema, bekannte Gesichter an der Spitze und mordsmäßig Kohle auf dem Konto. Bei Volt gibt es nur ein starkes Thema, und die Partei hat aus dem Nichts abgehoben. Das finde ich spannend. Wählen werde ich sie nicht, aber im Blick behalten ganz sicher.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.