Ein „Volksverhetzer“, der nicht belangt werden kann?

Mahmud Abbas bei einer Pressekonferenz bei der EU in Brüssel.

von JULIAN MARIUS PLUTZ

BERLIN – 16. August 2022 besuchte der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auf Einladung die Bundesrepublik Deutschland. Bei der abschließenden Pressekonferenz, gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz, bei dem er Israel mehrfachen “Holocaust” an den Palästinensern vorwarf.

Daraufhin erstatteten zwei Privatpersonen Anzeige gegen Abbas wegen Volksverhetzung bei der Berliner Polizei und der Generalstaatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, da sie den Tatbestand als nicht erfüllt ansah. Die Anzeigenerstatter legten Widerspruch ein und erzielten zunächst einen Teilerfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft begründete, dass „der von Abbas angestellte Vergleich offenkundig einer objektiven Tatsachengrundlage entbehrt, denn die Situation der palästinensischen Bevölkerung seit der Gründung des Staates Israel ist nicht ansatzweise mit der Lage der jüdischen Bevölkerung Europas unter der Herrschaft der Nationalsozialisten vergleichbar“. Damit relativiert Abbas sowohl die Quantität als auch die Qualität der damals begangenen Gräueltaten. Das bedeutet, dass es sich bei seinen Aussagen um Volksverhetzung handelt.

Israel beging in Palästina “50 Massaker, 50 Holocausts”

Obwohl die Generalstaatsanwaltschaft zu einem eindeutigen Ergebnis kam, stellte die Behörde die Strafverfolgung ein.

Begründung: Abbas genieße aufgrund seines Status als Repräsentant der palästinensischen Autonomiebehörde Immunität. Dies steht jedoch im Widerspruch zum Völkerrecht, das die palästinensische Autonomiebehörde nicht als Staat anerkennt, eine Position, die auch von der Bundesrepublik Deutschland geteilt wird. Mahmud Abbas wurde im Jahr 2005 für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Seitdem haben keine weiteren Wahlen stattgefunden, sodass ihm seit 2009 jegliche demokratische Legitimation fehlt.

Im August 2022 sagte er wörtlich: „Seit 1947 bis zum heutigen Tage hat Israel 50 Massaker in 50 palästinensischen Dörfern und Städten begangen, in Dair Jassin, Tantura, Kafr Kassim und vielen weiteren, 50 Massaker, 50 Holocausts.“ Kanzler Scholz reagierte zunächst nicht auf die Worte, was ihm im vergangenen Jahr Kritik einbrachte. Erst später bezeichnete der Kanzler die Aussage als „empörende Entgleisung“.

Möglicherweise entscheidet das Kammergericht

Bereits kurz nach der Äußerung erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts, dass für Abbas die völkerrechtliche Immunität gelte, da er in seiner Funktion als Repräsentant der Palästinensischen Autonomiebehörde gehandelt habe. Diese Einschätzung wird jedoch von Juristen bezweifelt.

Die beiden Anzeigeerstatter haben nun die Möglichkeit, im Rahmen eines sogenannten „Klageerzwingungsverfahrens“ eine gerichtliche Entscheidung des Kammergerichts darüber herbeizuführen, ob die Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ist oder ein Ermittlungsverfahren gegen Mahmud Abbas einzuleiten ist. Das Kammergericht ist das höchste Gericht in Berlin und mit einem Oberlandesgericht in anderen Bundesländern vergleichbar. Würde Abbas verurteilt, würde er aufgrund einer möglichen Verurteilung nicht mehr nach Deutschland einreisen können.

Nicht die erste judenfeindliche Entgleisung von Abbas

Es handelt sich nicht um die erste judenfeindliche Entgleisung des 88-Jährigen. In seiner Doktorarbeit bestreitet Abbas, „dass ein Vernichtungskrieg besonders auf die Juden abzielte“. Folgt man den Ausführungen des Historikers Abbas, hat Hitlers Massenvernichtung von sechs Millionen Juden nicht stattgefunden.

„Die Wahrheit ist, dass niemand diese Zahl bestätigen oder widerlegen kann. Mit anderen Worten: Es ist möglich, dass die Zahl jüdischer Opfer sechs Millionen erreichte, aber gleichzeitig ist es möglich, dass die Zahl viel geringer ist – weniger als eine Million. Es scheint, dass es im Interesse der zionistischen Bewegung liegt, diese Zahl aufzublähen, damit ihre Gewinne größer sein werden“, schreibt er.

Zwar bestreitet er nicht die Judenverfolgung generell, dennoch macht er dafür die „zionistische Bewegung“ verantwortlich: „Die zionistische Bewegung gab jedem Rassisten der Welt, angeführt von Hitler und den Nazis, die Erlaubnis, die Juden nach Gutdünken zu behandeln.“ Auch diese Aussagen würden in Deutschland wohl den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen.

Bildquelle:

  • BELGIUM – EU – PALESTINE – DIPLOMACY: depositphotos

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