von PETER WINNEMÖLLER
Mit diesen Worten, so sagt es die Überlieferung, ging die Edith Stein mit Ihrer Schwester Rosa Hand in Hand in Auschwitz in die Gaskammer und damit in den Tod. Sie starb als Jüdin, die den christlichen Glauben angenommen hatte, sich taufen ließ und Karmelitin wurde.
Nichts an diesem Glaubens- und Lebensweg war normal oder wäre zu erwarten gewesen. Edith Stein, 1891 in Breslau in eine orthodoxe jüdische Familie geboren, wuchs in einer liberalen bildungsbürgerlichen Umgebung auf. In Breslau studierte sie für das Lehramt. Weitere Studien betrieb sie in Freiburg, Göttingen und später wieder in Breslau. Im Jahr 1916 promovierte sie bei Edmund Husserl in Philosophie. Zwei Jahre war sie für ihn als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Trotz ihrer Promotion mit Summa cum laude wurde ihr als jüdischer Frau die Habilitation versagt. Die von ihr verfaßte Habiltationsschrift wurde posthum im Jahr 1950 unter dem Titel „Endliches und ewiges Sein“ veröffentlicht. Sie setzte sich darin mit Thomas von Aquin, Husserl und Heidegger auseinander.
Die junge Edith Stein hatte sich mit 15 Jahren von ihrem traditionellen jüdischen Glauben verabschiedet und bezeichnete sich selbst als Atheistin. Später, mit 31 Jahren las die junge Akademikerin die Biographie der Hl. Theresa von Avila. Dies wurde zu einer Wende in ihrem Leben. Edith Stein ließ sich 1922 taufen und hatte danach den Wunsch, Nonne zu werden.
Auf Anraten ihres geistlichen Begleiters entschied sie sich jedoch zunächst „in der Welt“ zu bleiben. So nahm sie ab 1923 eine Tätigkeit als Lehrerin in Speyer auf. In der Zeit machte sie sich unter anderem einen Namen als Frauenrechtlerin. Nach neun Jahren als Lehrerin wurde sie Dozentin am Lehrstuhl für wissenschaftliche Pädagogik in Münster.
Dort konnte sie allerdings nur ein Jahr bleiben. Im Jahr 1933 verließ sie das Institut, um ihre Kolleginnen und Kollegen zu schützen. Im Oktober des Jahres konnte sie in den Karmel in Köln eintreten. Aus Edith Stein wurde nun Sr. Theresa Benedicta a Cruce. Der Name bedeutet, „Theresia gesegnet vom Kreuz“. Im Januar 1939 musste sie von Köln in den Karmel Echt in Holland fliehen, da ausgerechnet ihre Priorin den Nazis ihre jüdische Abstammung verraten hatte. Edith Stein verstand sich als Christin nach wie vor dem jüdischen Volk angehörig. Als jüdische Christin wurde sie von den Nazis im Karmel in Echt gefangen genommen, nach Auschwitz deportiert und dort am 9. August 1942 in der Gaskammer hingerichtet.
Mit der Heiligsprechung Edith Steins verbindet sich für viele Gläubige ein Brückenschlag zwischen der Kirche und dem Judentum. Die Kirche verehrt Edith Stein zudem als eine Patronin Europas.
Die Heilige ist zu allem anderen auch eine Brücke zwischen den Juden, der Frauenbewegung und der Kirche. Insbesondere unter dem Eindruck der versagten Professur machte sie sich für die Rechte der Frau stark. Man kann ihr nicht gerecht werden, ohne alle diese Aspekte ihres Lebens und Denkens mit zu berücksichtigen. Die neue Gesamtausgabe ihrer Werke umfaßt 27 Bände. Darunter finden sich biografische, feministische, philosophische und mystisch- spirituelle Schriften aus eigener Feder ebenso, wie zahlreiche Übersetzungen. Ihr Werk ist außerordentlich umfangreich und konnte vom Kölner Karmel zusammen mit dem Herder Verlag in den vergangenen Jahren neu herausgegeben werden. Beispielhaft ist ihre Auseinandersetzung mit der „Dunklen Nacht“ des Hl. Johannes vom Kreuz. Diese „Dunkle Nacht des Glaubens“ hat sie in ihrem Buch Kreuzeswissenschaft in einzigartiger Weise aufgearbeitet. Hier zeigt sich ein weiterer Brückenschlag, nämlich vom geistlichen Phänomen hin zur rationalen Betrachtung desselben. Sie ist eine Meisterin darin.
Bildquelle:
- Edith_Stein_Hlg.: dpa