Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
ich hatte vorhin vor, an dieser Stelle mit Ihnen mal wieder über Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zu philosophieren, die gerade im islamischen Kernland unterwegs ist. Saudi-Arabien, Jemen und Katar – und dann die deutsche Vertreterin des Konzeptes „Feministische Außenpolitik“ – das kann spannend, auf jeden Fall aber amüsant werden. Aber es gibt immer eine neue Chance, über Frau Baerbock nachzudenken und zu streiten.
Denn gerade kam eine dpa-Meldung rein, und wir machen etwas anderes.
Zwei 15-Jährige aus Leisnig im sympathischen Sachsen waren auf Klassenreise nach Polen. Sie besuchten dabei – natürlich – auch das Konzentrationslager Auschwitz. Und zeigten dort den „Hitlergruß“. Sie wissen schon, den mit dem ausgestreckten rechten Arm.
Als man Lehrer auf eine Veröffentlichung von Fotos des Vorfalls in einer Social-Media-App aufmerksam machten, war die Empörung groß. Fotos gelöscht, Polizei, Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Das ganze Programm.
Sowas macht man nicht
Darüber müssen wir uns gar nicht unterhalten. Es ist ekelhaft, geschichtsvergessen und dumm, an einem Ort, an dem 1,1 Millionen Menschen – vornehmlich Juden – ermordet wurden, den „Hitlergruß“ zu zeigen.
Also, erwarten Sie nicht, dass ich sowas verharmlose. Ich erlaube mir nur, darauf aufmerksam zu machen, dass die „Täter“ 15-Jährige sind. Das ist ein Alter, wo die Pubertät läuft, wo die Kids ausbrechen wollen, gegen alles sind, provozieren. Ich denke nicht, dass 15-Jährige, die in der Schule von der industriell organisierten Vernichtung von Millionen Menschen gehört, die Fotos von Leichenbergen gesehen oder mal die Fotos der Opfer in Yad Vashem gesehen haben, daran irgendetwas cool finden.
Nach meiner Meinung handelt es sich bei den Beiden einfach um dumme Jungs, die provozieren wollten, sich wichtigmachen, Aufregung hervorrufen.
In meiner Schulzeit fiel an einem Tag in der Realschule vormittags der Unterricht aus. Eigentlich zwei Mal, der Vollständigkeit halber erwähnt. Einmal war eine 15-Jährige von einem Klassenkameraden „angefasst“ worden. Macht man nicht. Und beim anderen Mal hatte ein Schüler vor der ersten Stunde morgens mit Kreide ein Hakenkreuz an die Tafel gemalt. Unterrichtsausfall, Schulkonferenz, Eltern einbestellt – das ganze Programm. Maximale Aufregung und Empörung. Sie wissen es natürlich, aber zur Vollständigkeit sage ich es ganz deutlich: ICH WAR DAS NICHT!
Mit den beiden Jungen aus Sachsen muss man sich beschäftigen. Nicht, indem man sie fotografiert und an die Medien-Pranger stellt, nicht, indem man sie vor Gericht zerrt, sondern indem – am besten die Eltern. Verwandte, Oma und Opa – ihnen erzählen, wie unglaublich blöde ihre Aktion war. Und was für ein Grauen die Nazi-Barbarei war.
Ihr Klaus Kelle