Dürfen Giffey und Baerbock eigentlich jetzt weitermachen, als wäre nix passiert?

Liebe Leserinnen und Leser,

wann müssen Politiker eigentlich zurücktreten? O. k., einfache Antwort: Wenn Sie ihrem Land und ihrem Menschen großen Schaden zugefügt haben, klar. Aber wir wissen, dass Frau Merkel nicht zurücktreten wird, was spätestens nach dem verheerenden Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 201 fällig gewesen wäre. Der Täter war einer ihrer Gäste, der weder nach Deutschland jemals hätte einreisen noch hierbleiben dürfen. Über das systemische Versagen unserer Sicherheitsbehörden will ich hier gar nicht anfangen. Und Frau Merkel würde sowieso sagen: Wenn die ihren Job nicht ordentlich machen, was habe ich denn damit zu tun? Ich habe doch nur meinen Job gemacht – kennen wir noch von früher.

Gestern ist Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zurückgetreten. Es wurde höchste Zeit. Die Freie Universität Berlin (FU) hatte der SPD-Politikerin im Herbst 2019 nach Plagiatsvorwürfen bei ihrer Dissertation eine Rüge erteilt. Sehr ungewöhnlich: Man entzog ihr damals den Doktortitel nicht. Ein Schelm, die Böses dabei denkt. Immerhin funktionierte die politische Kontrolle ebenso wie Teile des medialen Mainstreams. Einige ließen nicht locker, und weil man sich ja nichts nachsagen lassen will, eröffnete die FU das Überprüfungsverfahren im November vergangenen Jahres erneut. Das konnte nicht gut ausgehen für Frau Giffey.

Die Überprüfung durch die FU hat dem Vernehmen nach jetzt ergeben, dass man der Ministerin den Doktortitel abnehmen will, so zog Frau Giffey selbst die Notbremse und teilte den lieben Kabinettskollegen gestern mit: „Ich stehe weiterhin zu meiner Aussage, dass ich meine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben habe – so wie ich es vor zwölf Jahren für richtig gehalten und ….Ich bedauere, wenn mir dabei Fehler unterlaufen sind.“ Und blablabla, das Übliche halt, kennen wir von Karl-Theodor zu Guttenberg, Anette Schavan und anderen Volksvertretern zu Genüge.

Ende Gelände, könnte man jetzt denken und die politische Karriere von Frau Giffey endlich zu den Akten legen. Aber Pustekuchen.

Denn die frühere – beim Volk durchaus beliebte – Bürgermeisterin von Neukölln hat noch Großes vor. Sie will Regierende Bürgermeisterin, also Nachfolgerin des, vorsichtig formuliert, glücklosen Michael Müller werden. Bei ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden der Hauptstadt-SPD im November versprach sie ihren Genossen, die Berliner „können sich auf mich verlassen, ich werde nicht zurückweichen, egal, was passiert“. Aus heutiger Sicht eine veritable Drohung, selbst für die, die denken, schlimmer als mit Müller kann es nicht werden.

Was ist das für ein Rücktritt, wenn die Karriere weiter so verläuft wie seit mindestens einem Jahr geplant? Und das Schlimmste: Den Berlinern ist zuzutrauen, dass sie die Frau im September tatsächlich zum ersten weiblichen Chef im Roten Rathaus wählen und damit von allen lästigen Plagiatsvorwürfen reinwaschen werden. Glauben Sie mir: die Berliner ticken so. Hauptsache weiter links, auch wenn die Stadt längst mit Fug und Recht als „failed State“ betrachtet werden muss.

Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, wurde der Öffentlichkeit – uns – gestern bekannt, dass Annalena Baerbock, die lustige Kanzlerkandidatin der Grünen, zwischen 2018 und 2020 von ihrer Partei vier Zahlungen über zusammen mehr als 25.000 Euro erhalten hat. Das kann uns erstmal egal sein, für was die Grünen ihre Mitgliederbeiträge und Spenden verballern. Das tun die anderen schließlich auch. Interessant ist, dass Frau Baerbock „vergessen“ hat, dem Bundestag diese Nebeneinkünfte ordnungsgemäß zu melden. Kann ja mal passieren, auch beim Finanzamt melden Viele nicht alle Einkünfte. Lustig hier ist, dass es besonders die Grünen in den vergangenen Jahren im Bundestag waren, die auf Verschärfung der Transparenzregeln für Abgeordnete drängten und den gläsernen Mandatsträger forderten. Da ist schon ein bisschen blöd, wenn die eigene Heldin so vergesslich ist. Ich bin sicher, die Kanzlerin in spe und ihre Spindoktoren können sich aber auf die Vergesslichkeit der grünen Wähler am 26. September verlassen. Wir aber sollten all das nicht vergessen.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.