Donald Trump hat gerade erst angefangen – und sie unterschätzen den Mann schon wieder

Der Paris-Ausstieg der USA öffnet der Welt vier Monate nach Trumps Amtsübernahme endgültig die Augen. Foto: Pablo Martinez Monsivais

von KLAUS KELLE

Washington – Der Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen steht sinnbildlich für die Präsidentschaft von US-Präsident Donald Trump, wie er sie in den ersten vier Monaten seiner Amtszeit geprägt hat.

Dabei scheut er nicht davor zurück, sich notfalls auch von den traditionellen Partnern und Verbündeten in aller Welt abzusetzen. Der ausgestreckte Arm der Europäer hat spätestens mit Washingtons Paris-Ausstieg den Kontakt zur Neuen Welt verloren.

«Dieser Tag wird als Datum in die Geschichte eingehen, an dem die USA als Führer der Freien Welt abgedankt haben», sagte der unter anderem für CNN tätige Politologe und Autor Fareed Zakaria. «Es ist in wirtschaftlicher Hinsicht falsch, in geopolitischer Hinsicht auch. Es ist eine Lose-Lose-Situation für die USA und die Welt.» Trump fordere die Allianzen heraus, die die Welt bisher zusammenhielten. Kann man so sehen, muss man aber nicht.

Der Paris-Ausstieg der USA beweist der Welt vier Monate nach Trumps Amtsübernahme, dass er es ernst meint mit seinen Reformen. Manche waren Schnellschüsse, die von Gerichten kassiert wurden, weil handwerklich unzureichend, wie das Einreiseverbot. Andere – militärische Flagge zeigen in Südostasien, seine Reise nach Israel und Saudi-Arabien – waren und sind durchaus respektabel. Und den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen zu bewerten, ist es noch zu früh. Kann durchaus sein, dass der Kurs der USA in dieser Frage richtig ist.

Jedenfalls zeigen sich der Welt die Umrisse der Politik des Neuen im Weißen Haus. Sein Vorgehen, manche sagen auch sein Benehmen sind nicht jedermanns Sache. Aber es sollte niemand daran zweifeln, dass Trump eine Politik mit einer ganz eigenen Handschrift eingeleitet hat. Einer durchaus konservativen Agenda, wie die Streichung von Geldern für die globale Abtreibungsindustrie oder die kluge Ernennung eines neuen Bundesrichters zeigt. Im Verhätlnis zu Russland scheint vieles von der Blauäugigkeit verschwunden zu sein, die Trumps Administration unmittelbar nach Amtsantritt erkennen ließ.

Angela Merkels Satz, sie habe gelernt, dass sich Europa nicht mehr uneingeschränkt auf andere verlassen könne, bekommt durch den gestrigen Schritt neue Bedeutung. So wie viele den Überraschungssieger der Präsidentschaftswahlen während seiner Kampagne unterschätzt haben, so unterschätzt das progressive politische Establishment in Europa den Milliadär mit der Fönfrisur schon wieder.

«So geht das nicht», sagt etwa EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, und es sei die Pflicht, Trump das auch mitzuteilen. Kanzlerin Angela Merkel und die britische Premierministerin Theresa May geben Trump klar zu verstehen, dass er sie enttäuscht. Auf Trumps Hinweis, er wolle nachverhandeln, sagt Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron barsch: «Es gibt nichts zu verhandeln.» Wir Trump dieses Gejammer beeindrucken?

Die Gipfeltreffen bei der Nato in Brüssel und der G7 auf Sizilien standen in der vergangenen Woche wegen Trumps klaren Vorstellungen kurz vor dem Scheitern. Merkel dürfte mit einigermaßen sorgenvoller Miene in Richtung ihrer Geburtsstadt Hamburg blicken. Dort treffen sich Anfang Juli die Staats- und Regierungschef der G20. Wie mit Trump Kompromisse erreicht werden sollen, steht in den Sternen.

Die internationale Diplomatie, auch die Deutschlands, hatte geduldig auf den Moment gewartet, von dem an in Trumps Administration die Internationalisten um Außenminister Rex Tillerson das Kommando übernehmen. Eine Fehleinschätzung. Der Flügel um die Berater Stephen Bannon und Stephen Miller behalten klar die Oberhand. Trumps Rede zur Klimapolitik folgte in Inhalt und Tonalität dem Muster, das Zuhörer noch vom Tag seiner Vereidigung oder auch jüngst vom Nato-Gipfel in Brüssel kennen.

Das Paris-Abkommen, in aller Welt als eine der größten Errungenschaften der internationalen Diplomatie seit Jahrzehnten gefeiert, ist in Trumps Welt eine «gigantische Umverteilung von Wohlstand aus den USA in andere Länder». China und Indien würden mit US-Geldern neue Kohlekraftwerke bauen. Ist das nicht die Wahrheit? Seine Wähler in den Vereinigten Staaten stehen – das zeigen alle Umfragen – weiter hinter dem Mann, den sie gewählt haben.

Wie sehr sich Trump und seine Administration bereits von Europa, aber auch von lange gepflegten engen Partnerschaften mit Ländern wie Kanada oder Australien entfernt haben, zeigte sich unmittelbar nach der Verkündung im Rosengarten des Weißen Hauses. Trumps Helfer versuchten zu erklären, wie die USA das Pariser Abkommen neu verhandeln wollen, um später vielleicht wieder einen Weg dort hinein finden zu können.

Zu dem Zeitpunkt hatte Merkel gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem italienischen Regierungschef Paolo Gentiloni längst eine Erklärung herausgegeben. Tenor: Neuverhandlungen kommen überhaupt nicht infrage. «Keine Schritte rückwärts», beschied Gentiloni. „Es geht auch ohne die“, denken viele Staatenlenker und auch Konzernchefs im „alten Europa“ (Rumsfeld). Geht es wirklich „ohne die“, die gewaltigste Wirtschafts- und Militärmacht auf unserem Planeten? Geht es ohne die HighTech-Supermacht im Silikon Valley in Kalifornien, während wir hierzulande Windräder als Triebfeder unserer Wirtschaft favorisieren?

Donald Trump hat gerade erst angefangen. Natürlich kann er auch noch scheitern. Die Chancen stehen 50:50. Aber vielen Menschen auch in Europa ist ein US-Präsident, der rote Linien nicht nur proklamiert, sondern konsequent handelt, lieber als ein einer, der schöne Reden hält, von Hollywood-Größen bejubelt wird, aber als einer der durchsetzungsschwächsten Präsidenten in die Geschichte der Vereinigten Staaten eingehen wird.

 

Bildquelle:

  • Trump: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.