Donald Trump (76) sollte nicht noch einmal fürs Weiße Haus antreten

Anhänger des damaligen US-Präsidenten Trump hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Foto: J. Scott Applewhite/AP/dpa

von KLAUS KELLE

WASHINGTON DC – Die vergangene Präsidentschaftswahl in den USA ist schon eine Weile her, der Sturm auf Kapitol am 6. Januar 2021 auch. Andere Themen beherrschen den internationalen Schlagzeilen und die Debatten in den Sozialen Netzwerken oder am Arbeitsplatz oder zu Hause. Der Untersuchungsausschuss, der aufklären soll, wie es zum Sturm auf das Kapitol kam und welche persönliche Schuld Ex-Präsident Donald Trump an den Ereignissen hatte oder nicht, arbeitet vor sich hin bis heute. Auch wir Journalisten verfolgen das nur nebenbei, wenn wieder einmal gemeldet wird, dass Steve Bannon vorgeführt werden soll und sowas.

Aber, wie gesagt: All das ist lange her.

Wie Sie wissen, bin ich der Meinung, dass Trump seinen Job im Weißen Haus erwartbar ordentlich gemacht hat, was die Ergebnisse der Politik angeht. Bis zur Corona-Pandemie brummte die Wirtschaft, die Börsen freuten sich über regen Handel, die Mauer zu Mexiko wuchs, kein einziger Krieg wurde in den vier Jahren von den Amis geführt und – als Konservativer – sehe ich Trumps Besetzung von Richterstellen am Supreme Court als einen ganz großen Wurf auf der konservativen Agenda an.

Also, wäre ich Amerikaner, ich hätte 2020 vermutlich Trump gewählt. Trotz seiner bisweilen rüpelhaften Art, die zwar erfrischend wirkte, aber sich für den mächtigsten Mann der Welt nicht gehört. Anstand und so, auch ein konservativer Wert.

Aber wenn Sie sich jetzt einmal mit den Aussagen von Zeugen beschäftigen, wenn Sie hören, wie es im Kabinett in den Tagen nach der Wahl zugegangen ist, dann muss man sich mindestens die Haare raufen, was dort vorgegangen ist. Ich meine, wir reden über den Mann, dem rund um die Uhr einer mit dem Atomkoffer folgt.

Bereits vor dem 6. Januar habe es Informationen gegeben, dass sich «sehr gewalttätige Individuen» an diesem Tag in Washington versammeln wollten, sagte Donell Harvin, der damals in einer Sicherheitsbehörde der US-Hauptstadt beschäftigt war.Ein Trump-Tweet vom 19. Dezember habe nach Auffassung von Ausschussmitglied Jamie Raskin «explosive Wirkung» in der rechten Szene entfaltet und bei deren Mobilisierung zur Demonstration eine zentrale Rolle gespielt. Ein Twitter-Mitarbeiter, dessen Aussage bei der Anhörung anonymisiert vorgetragen wurde, sagte: «Diese Art von direkter Kommunikation hatten wir bisher noch nicht gesehen.» Zum ersten Mal habe ein Präsident mit extremistischen Organisationen gesprochen und ihnen Anweisungen gegeben.

Ich weiß, dass vielle von Ihnen jetzt denken: Twitter, klar, alles linke trumpfeindliche Soße. Und so ist es ja auch.

Aber lesen Sie sich einfach mal durch, was der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika am 19. Dezember – nach einem Treffen mit Mitarbeitern, das nach Schilderungen von Zeugen aus dem Ruder gelaufen war – auf Twitter schrieb: «Big protest in D.C. on January 6th. Be there, will be wild!» (in etwa: «Starker Protest in D.C. am 6. Januar. Seid dabei, werdet wild!») Ich meine, ist das die Art, wie ein Präsident öffentlich zum Marsch auf Washington aufrufen sollte?

Ok, ich weiß, it’s the man – auf deutsch: So isser halt, der Donald. Aber deeskalierend wirkt das nicht in einer aufgeladenen Situation.

Vertraute rieten Trump Niederlage anzuerkennen

Mehrere damalige Vertraute hatten Trump eigenen Angaben zufolge nach der im November 2020 verlorenen Wahl zur Aufgabe geraten. Der Ausschuss zeigte Video-Mitschnitte verschiedener Zeugenbefragungen hinter verschlossenen Türen. Trumps ehemaliger Arbeitsminister Eugene Scalia sagte demnach: «Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich denke, dass es für ihn an der Zeit sei anzuerkennen, dass Präsident (Joe) Biden die Wahl gewonnen hat.»

Ähnlich äußerte sich frühere Rechtsberater des Weißen Hauses, Pat Cipollone. Er sei der Überzeugung gewesen, Trump müsse aufgegeben. «Es gibt die Möglichkeit, Wahlen anzufechten.»

Und genau das hat das Trump-Team gemacht, in mehreren Bundesstaaten, orchestriert von Mastermind und Trump-Anwald Rudy Giuliani. 50 Gerichte beschäftigten sich mit den Einsprüchen, und 50 Gerichte wiesen sie ab. Wenn man für möglich hält, dass das alles durch Strippenzieher im Hintergrund bewirkt wurde, dass die Richter, frühere Trump-Minister, republikanische Gouverneure alle irgendwie…ferngesteuert wurden, ja, dann sind auch die wahren Ereignisse von 9/11 noch ungeklärt.

Ich neige inzwischen zu der Ansicht, dass da jemand, der gewohnt ist, zu siegen, nicht mit einer Niederlage klargekommen ist. Hat er bei der Kundgebung am 6. Januar seine Anhänger zur Gewalt aufgerufen? Nach meiner Ansicht nicht. Hat er die Stimmung im Vorfeld angeheizt? Ganz sicher hat er das.

Donald Trump lässt offen, ob er 2024 noch einmal ins Rennen ums Weiße Haus gehen wird. Der Mann ist heute 76 Jahre alt. Ich denke, er täte sich, den Vereinigten Staaten und der ganzen Welt einen Gefallen, das nicht zu tun.

 

Bildquelle:

  • Untersuchungsausschuss: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.